An einen unzufriednen Freund
(1775.)
Was irrst du, Schwermut im Gesicht,
O Freund, durchs Leben hin;
Und siehst des Frühlings Blumen nicht
Zu deiner Freude blühn?
Siehst nicht des goldnen Sommers Zier,
Nicht seiner Ähren Pracht;
Des Herbstes Segen nicht, der dir
Von Baum und Rebe lacht.
Dankst nicht des Winters kaltem Hauch
Dein frisches, leichtes Blut;
Fühlst nicht, daß in der Erde Bauch
Schon wieder Segen ruht.
Umfängst in deinem Bruder nicht
Des Schöpfers Ebenbild;
Fühlst nichts, wenn seinem Angesicht
Der Freundschaft Thrän' entquillt.
[263]
Beutst brüderlich ihm nicht die Hand;
Teilst seine Freuden nicht;
Fliehst ängstlich vor dem sanften Band,
Das Liebe dir umflicht.
Wiß! Lieb' ist Gottesgab' und scheucht
Die Sorgen vor sich hin;
Wer willig seine Hand ihr reicht,
Weiß nichts vom trüben Sinn.
Blick auf, o Freund, sie lächelt dir
Aus Daphnens holdem Blick;
Auf! Wandl' ins Paradies mit ihr,
Und laß den Gram zurück!