Neuer Verrath; Rhins Eifersucht.


Sechstes Lied

Verneinend hielt Geltar lang' an sich, man bat, man schrie
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Von allen Seiten ihm zu, Verzeihung möcht er gewähren
Der reuigen Tochter, die Amme fiel auf's Knie,
Benetzend seine Füße mit einem Strome von Zähren.
Der Kronmarschall und Kanzler, wie suchten sie,
Durch leisen Vorspruch, des Königes Zorn zu kehren
In Vater-Milde, bis endlich dann ihnen gelang,
Den scharfen Stachel zu stumpfen, der ihm den Busen durchdrang.
Soll, ruft er, euern lästigen Bitten,
Weichherzig ich mich ergeben, ha! wider Willen, so soll
Die Leichtgesinnte, die wider alle Sitten,
Da sie mit frechem Muthe die Ordnung überschritten,
Sie Buße thun, auch scharf, daß gehorsam und reuevoll
Zu bessern sich zuerst aus ganzem Vermögen sie trachte;
Verspricht sie dieses, so mag sie weiter vernehmen darauf,
Daß sie als Rhins Gemahlin ich völlig verloren sie achte,
Als Wittwe Rhin's allein nehm' ich sie wieder auf
An meinen Busen hier. Du Priester, sollst ihr bringen
Dieß Urtheil also gleich; da du den schändlichen Kauf
Besiegelt zu meiner Schmach; wirst du mit Trugesschlingen,
Hier weiter spielen – merk' auf! so steht zum Bürgen mir
Dein Kopf für dießmal; fort – Herr König, entgegnet hier
Der Mönch, ich werde das, was ihr befohlen, verrichten,
Nach Gottes hohem Gebot und meinen heiligen Pflichten.
Da zu Luitberta nun bedachtsam in's Zimmer er trat,
Winkt er den Zofen, daß sie sich alle hinwegbegeben,
Um Beichte zu hören das Fräulein. Bleich und matt
Lag auf dem Bette sie gekrümmt, als wolle sie eben
Den Geist aushauchen. Da sie nun glaubten, allein
Zu reden, sprach der Vater: Du theure Tochter empfehle
Der heiligsten Jungfrau und Mutter, des Herzens bittere Pein,
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Damit sie ferner dich und deines Gemahles Seele
Errett' aus aller Gefahr. Sey ruhig wegen Rhin,
Er ist in meiner Klaus', sein Leben ist geborgen,
Und noch in dieser Nacht flieht übern Rhein er hin;
So daß gerettet sicherlich,
Er jenseits der Grenzen, schon am frühen Morgen
Sich findet. Ohne Hoffnung von Linderung oder Huld,
Ist gesprochen sein Todesurtheil. – Da diese Nachricht vernommen
Das Fräulein, hob sie gefaltet, so wie man mahlt die Geduld,
Die Hände zusammen auf, gerichtet zum Himmel, die frommen
Benetzten Blicke, und rief beklommen:
Ihr Heilige, euch bitt' ich für jede Schuld,
Die ich beging um Verzeihung, daß ihr mögt gnädig verbleiben
Doch ferner meinem Gemahl in diesem gefährlichsten Stand. –
Drauf küßte demüthig sie dem ehrwürdigen Priester die Hand,
Ihn bittend, daß er vergönne, zwey Zeilen nur zu schreiben,
Zum Abschied dem theuern Gemahl, dabey ihm zu senden als Pfand
Von ihrer Treue, ein Kreuz, das beständig er möge tragen
Auf seiner bloßen Brust. Mit Freuden willigte ein
Der Gottesmann; sie schrieb, doch fügte sie zu den Klagen
Des herben Abschiedes, die hier gedienet nur blos zum Schein,
Geheime Züge; den Sinn verstanden allein
Die Liebenden, – doch leider! sich selbst nur zu hintergehen,
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Und statt des Trostes, den sie gehoffet, nur Todespein
Zu ärnten daraus, wie wir mit Trauer ersehen.
Als alles dieses mit Eile, doch in der Stille geschehen,
Knüpft Schrift und Kreuz sie zusammen in einen Schleyer; gar fein
Den frommen Pater bittend, ihn ihrem holden Gatten
Bey seiner Ankunft zu geben. Der Pater getreu
Es auszurichten versprach. Da sie verständigt nun hatten
Sich über Alles, nahm Abschied der Pater, auf's Neu'
Ertheilend den Segen ihr reich, und eilet ohne Besorgen
Des mindesten Unheils voran, laut betend sein Brevier
Auf dem Wege, zur Klause zurück. Indeß hatt' unter der Thür'
Der Nebenkammer gelauschet ein Zöflein, treulos verborgen,
Die alles mit offenem Ohr erlauschet, was unter sich
Die Beyde verhandelt zur Flucht des Geliebten, nicht gar zu leise –
Des Paters Gehör war schwach, – drauf unbemerket entwich,
Leichtsinnig erzählend die Mähre in manchem Kreise,
So daß bekannt sie ward, bevor noch der Abend verstrich,
Am ganzen Hofe schon. Man lispelt nach Schranzen Weise,
Einander so laut sie sich zu, daß zu des Königes Ohr,
So sehr auch der Kronmarschall dem vorzubeugen suchte,
Die Zeitung gelangte zulezt; dieß weckte jezt mehr als zuvor
Den wildesten Zorn in ihm auf; so daß er die Sinnen verlor,
Und Rache knirschend sein Daseyn laut verfluchte.
Indeß war Vater Hubertus gelangt zu seiner Klaus';
Und trat zum Jüngling, der saß mit krankem Herzen,
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Bemächtigt hatte seitdem sich seiner mit Höllengrauss'
Die giftige Eifersucht; zu unaussprechlichen Schmerzen,
Vernahm er zum erstenmal: Schon wählte den Artur aus
Der König zu Luitbertas Gemahl, die bittere Nachricht deckte
Ihm einen Abgrund auf, der seine Liebe schreckte,
Im Geiste schauet er sich verrathen, geopfert, – hin!
Der Hoheit Macht kann leicht verblenden des Weibes Sinn,
Seufzt harmvoll er in sich; von Zweifel fühlt er beklommen
Den bangen Busen. Ihm ertheilet beym Willkommen
Der Pater Luitbertas Gruß: von ihrer Hand nehmt dieß,
Was sie, als sichres Pfand von ihrer Treue, gewiß
Und wahrhaft übersendet, es mag zu weitern Frommen
Und Seelen-Heil euch gedeihn. Auf, frischen Muth!
Und überlasset euch nicht ganz dem schwarzen Blut;
Noch lebt der alte Gott! – Mit diesen Worten reichet
Er ihm den Schleyer zu, und eilt von dannen schnell
Zur Vesper Andacht fort. Den Jüngling überschleichet,
Da er den Knoten öffnet und neben dem Schleyer nun hell
Das Kreuz ins Auge ihm blitzet, ein dumpfes Mißbehagen
Mit böser Ahnung vereint; einst schwur er heilig dabey,
Dem Fräulein, daß er woll' ihr keine Bitte versagen
Wenn solcher Forderung sein Namen Bürge sey.
Und müßte tausendmal darum sein Leben er wagen.
Jezt liest er, starret an, voll Zweifel, die Zeichen, lang; –
Mit dem Pater hatte bereits die Abred' er genommen,
Um Mitternacht zu entfliehen, jezt heißt die Gemahlin ihn kommen
Zu gleicher Stunde, des Herzens schweren Drang,
Durch einen Abschiedskuß zu lindern; »du wirst finden
Um diese Zeit schließt sie, an jenem Brunnen mich,
Wo jüngst wir sahen uns, im Schatten dunkler Linden.« –
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Er steht und weiß nicht zu entschließen sich; –
»Mich bindet, sagt er, ein Schwur; müßt' ich auch gleich erblassen,
Nicht brechen darf ich ihn.« – Er weiß sich nicht zu fassen,
Furcht, Liebe, Eifersucht, bekämpfen ihn jezt schwer:
Man zwingt zu gehen mich, seufzt er, ich fürchte sehr
Daß wir bey diesem Abschied die Händ' uns reichen
Zu tieferen Jammer, ich fühle des Schicksals mächtiges Ziehn,
Ach, vom Verderben zum Abgrund hin!
Wir werden nicht dem Loos: vergeblich zu entfliehn,
Das auf uns wartet streng, in dieser Stunde entweichen.
Da nun um Mitternacht der Pater bey'm Jüngling erschien,
Zur Flucht zu mahnen, bleibt stehen Rhin vor der Zelle:
»Erst wall' ich andern Pfad; nicht weit von hier
Erwartet mich die Gemahlin, an sicherer Stelle;
Abschied muß mündlich ich nehmen, o theurer Vater, von ihr.« –
Wie, rief der Gottesmann aus, bey der ewigen Gnadenquelle!
Aus Gewissen, o Sohn, nie rath' ich's dir,
So augenblicklich dich in solche Gefahr zu begeben,
Muthwillig dich auszusetzen des neuen Verrathes Noth! –
Wohin du dich wendest lauert auf dich der schmählichste Tod –
Und müßt ich, fällt Rhin hier ein, dran setzen mein junges Leben,
Ich muß sie sehen; hier gilt nicht Aufschub noch Wahl,
Gelobet hab' ich's ihr, mich treibt mein Schwur, nicht die Qual,
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Nicht die Angst, die mir den Busen zerwühlen –
O wüßtet ihr all' mein Weh; nicht zeigen kann ich's euch an,
Den Brand, der in mir tobt, kein Felsquell mag ihn kühlen –
O Sohn! sprach jener gerührt, wohl kann ich dein Leiden fühlen.
So eile dann in Gottes Namen voran.
Doch weile nicht zu lang'; es möge dir erhellen
Des Herren Licht den Weg. Der Engel Schaaren gesellen
Sich huldreichst dir nun bey. Verfehle die rechte Bahn
Beym Rückweg nicht! – Rhin ging – des Herzens Wunde
Lieh Flügel ihm – zum süßen Bunde.
Vergeblich wartete sein bis zu der Morgenstunde
Der Pater am Ufer bey'm Kahn, zurück sollt' er kommen nicht mehr!
Sein Schicksal hielt ihn bereits in schmählichen Fesseln schwer,
Wie euch das folgende Lied ertheilet die traurige Kunde.

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TextGrid Repository (2012). Müller, Friedrich (Maler Müller). Gedichte. Nachlese. 24. Zehn Lieder von der Liebe Rhins. Sechstes Lied. Sechstes Lied. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-5081-8