Reise-Abentheuer in den Osterferien
1819.

A! grüß enk Gott, Brüderln all beinand!
Seid's alle recht lusti und munta?
Mi freut's, daß wir wieder so g'sund san beisam
Und is koaner buckelt und is koaner lahm.
I selb' bin schon hier seit 'n Sunta.
Wie is enk denn ganga, dazählt's ma doch was;
Wos habt's denn für Suiten wohl g'rissen,
An Votern brav g'ärgert und d'Mutter brav plagt,
Den ganzen Tag g'suffa, den Menschern nachg'jagt,
Und z'Nochts dann brav g'spieb'n und g'sch**n.
I woaß ja, wie's is, i bin selba so g'west,
Mir dörft's ös die Sacha net nenna;
Denn wo's volle Krüg' gibt und 's Tischl is deckt
Und wo a hübsch Menscherl 's Schürzel herreckt –
Do künnt's mi segn lafa und renna.
[55]
Doch wie's ma in meiner Vakanz ganga is,
O Leuteln! dös wünsch' i mir nimma;
I will's enk nur fröhli im Ganzen derzähl'n,
Heut' hob i a Ruh, thun mi d'Wind net so quäl'n,
I konn net allzeit dazu kömma.
Am 4ten hatt' i noch beim M** im Saal 9
A schriftlis Examen zu macha,
Dem hob i denn solcherlei Sachen auftischt,
Daß er hätt' vor Zorn bald 'n Hintern d'ron g'wischt,
Und mitleidsvoll anfangt zu lacha.
»Potz tausend, Herr M **! was is denn das Ding,
Wos hobn's für a ung'schickti Feder?
Da lassen's 'n Kaiser Caligula leb'n,
Und setzen 'n Fürst Taxis als Konsul daneb'n,
Itz sink i ja doch vom Katheder!
A ganz schlechti Noten hätt'n 's freili verdient,
Ihr Aufsatz is gor net zo'n g'nießen;
Doch will i mi desmal no weg d'rüba heb'n,
Und Ihna die vorletzte Not'n no geb'n,
Sonst möcht's Ihna epat verdrießen.«
[56]
Itzt lauf i voll Aerger, voll Gift und voll Wuth
So g'schwind als i konn auf mei Zimmer,
Und steck' meine letzten paar Kreuzer zu mir,
Sauf' g'schwind non beim Heigl a Paar halbi Bier:
Wart, Lumpennest! mi sigst du nimma.
I mocht' a so drassen bis Ergolding sein,
Itz fangt si mein Zorn an zu setzen,
Da fallt ma denn erst no mein Schatzerl ein:
Was wird sie sich denka, wo du magst wohl sein,
Wie wer'n si die Aeugerln netzen.
D'rum lauf i denn wieder auf Landshut hinein
Was wär' denn das für a Benchma?
Mußt net a so handeln, was hat's dir denn thon?
Viel Gut's hast schon g'nossen und g'nießt's vielleicht non,
No därf ma mit Undank net kömma.
I wink ihr rüba: Komm rüba a wen'g
I hob mit dir a biß'l wos z'sprecha.
I sog ihr denn, daß i von Landshut weg geh',
Und gib ihr die nöthigen Lehr'n no vonnöh,
Damit's ma die Treu' net möcht' brecha.
I sag' ihr: Schau, Herzerl, a Monat is kurz,
A Monat kannst doch a wen'g fasten;
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Du mußta halt denka, es muß a so sein,
Und wenn i no wiederkimm, bring' i's schon ein,
No darfst ma koan Tag nimma rasten.
Sie woant natürli, dös bild's enk wohl ein,
A so was geht wahrli schon z'Herzen,
Sie wickelt a paar g'selchti Zungen itz ein
Und bind mir's nebst Brod in a Tücherl nein,
Dös lindert a wen'g meine Schmerzen.
Itz mach' i mi auf und nimm nomal b'hüt Gott
Bei all' meine Freund' und Verwandten;
Mußt' reisen alleinig, geht keiner mit mir;
Der Loritz der nimmt si's am Sonntag erst für,
So reist' i denn ohne Bekannten.
Fort muß i nun wandern, o ewige Zeit!
Wer mag meine Schmerzen ermessen;
So rief ich, sah oft nach Landshut um,
Schnitt wieder vom G'selchten a tüchtiges Trumm,
Bis Althaim war alles gefressen.
Nun ging i mi leichter, verweilte nicht mehr,
Den lüsternen Gaumen stets labend.
Kam auch schon um vier Uhr in Ergolsbach an,
Und weil's noch hübsch Tag war, beschloß i alsdann
Zu gehen bis 6 Uhr am Abend.
[58]
Doch itzt packt der Hunger mi wiederum an,
Das macht das entsetzliche Laufen;
Ich hörte der Mühle Gelärm in dem Thal',
Ging hin und beschloß hier zum kärglichen Mahl'
Die Milch sammt dem Brod mir zu kaufen.
Ich trat in die Mühle, kein klaffender Hund
Erschreckt' mi durch grasses Gebelle;
Wohl hört' i des Räderwerks träges Geklapp,
Wohl weidet am Ufer der glänzende Rapp,
Wohl klingelt die mahnende Schelle.
Doch als i kein menschliches Wesen erblickt,
So trat ich hinein in das Zimmer;
Der Tisch war gedeckt schön mit blaulichem Tuch,
Mi lockte der Zwetschgenbrüh' würziger G'ruch,
Der Röhrnudel bräunlicher Schimmer.
Der Hunger war groß, die Gelegenheit schön,
I konnte das Stückchen ja wagen;
I nahm ein halb' Dutzend und suchte das Thor,
Da sprang unter'm Ofen ein Sultan hervor
Und faßte mi höflich beim Kragen. 10
[59]
Er hatte bei meiner Erscheinung ganz still
Dort hinter dem Ofen geschlafen;
Doch als die verwegenen Hände sich nicht
Gescheuet, zu stehlen, erheischte die Pflicht,
Den diebischen Frevler zu strafen,
Possierlich war jetzo die Stellung von mir,
I darf sie Euch nicht expliciren;
Der Sultan faßt immer mi fester bei'm Band,
Die Nudeln, die hielt ich in diebischer Hand
Und durfte kein Haar breit mi rühren.
Denn fliehen wär' hier eine Thorheit gewest,
Mit Lebensg'fahr selbsten verbunden;
Denn wenn i nur Miene zum Fliehen gemacht,
Da fletscht' er die Zähne, da brummt er mit Macht,
Er hätte mich wahrlich geschunden.
In dieser erschrecklichen Lage denn nun
Hofft' dennoch i immer das Beste,
Jetzt hörte i Menschen zur größeren Pein,
Die Thür' that sich auf und es traten herein
Die hieher gehörigen Gäste.
Es kamen der Müller sammt Tochter und Frau
Und Knechte und Mägde zu dreien,
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Und als sie mi sahen in Jammer und Schreck
So dasteh'n, wie weiland das Kindl vor'm Dreck,
Begannen's zu lachen und schreien.
I bat um Verzeihung, erbot mi alsdann,
Die Nudeln recht gern zu bezahlen;
»Ei was«, sprach der Müller, »da setz' Er sich her,
Und freß Er's zusammen, da sind ja noch mehr,
Der Spaß hat mir weidlich gefallen.«
Nun setz i mi zwischen die Leutchen hinein,
Beim Teufel war Jammer und Schrecken;
I ließ mir's nit schaffen und tauchte hübsch fein
Das Corpus delicti in d'Zwetschgenbrüh nein,
Und ließ mir's ganz vortrefflich schmecken.
Recht wacker gesättigt entfernt' i mi nun
Und dankte der freundlichen Pflege;
Schon senkten sich bräunere Schatten in's Thal,
Heimkehrten die Heerden, mit flötendem Schall'
Schlug drüben der Fink im Gehege.
Und feierlich still ward's und prächtig zugleich
Das Schauspiel der scheidenden Sonne;
Dort zirpt noch die Grille im thauigen Gras,
Hier schleicht in die Felder der schüchterne Haas,
Die ganze Natur athmet Wonne.
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Und immer wird's stiller, der Dämmerung Grau
Umlagert die grünenden Auen;
Schon mahnt dorr in Köfring mit klagendem Ton
Die Glocke den Landmann zum göttlichen Thron
Schon ließen die Sternlein sich schauen.
Da ward's mir so heiter, da ward's mir so wohl,
Da regt sich's hier unter dem Fuder;
»Schau Lümmel!« sprach i und schlug mi vor'n Kopf,
Wie Alles so schön ist, grad du bist a Tropf,
Grad du bist a so faul's Luder.
Hier schickt sich zur Ruhe die ganze Natur,
Erschöpft durch des Tages Strapazen;
Wenn längst schon der Landmann im kühlenden Thau
Oie Sense führt, schnarchst du besoffene Sau
Noch schändlich auf deiner Matratzen.
Und wennst hernach endlich um elf Uhr z'Mittag
Dich g'nug hast gedehnt und gemessen,
So rennst af a Stündl in Hörsaal hinein,
Und wenn's a wen'g sein kann, schläfst wiederum ein
Und gehst nach um zwölfi zum Fressen.
»Non, nou, laß ma's gut sein, es wird si schon geb'n,
I bring mi schon dengast non z'wegen.«
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Jetzt stellt der Durst sich und Müdigkeit ein,
D'rum sollte mein Nachtquartier Pfaffenburg sein,
A Viertelstund seitwärts gelegen.
I trat in ein Bräuhaus des Fleckens hinein:
»Nur Bier her«, war gleich meine Rede;
Es bringt mir's die Kelln'rin, ein niedliches Ding,
Doch als i zu liebeln und kosen anfing,
Da spielte sie ziemlich die Spröde.
Dort hinten beim Ofen auf hölzerner Bank
Saß prahlend der Korporal Brandl.
Das messingene Kreuzl auf männlicher Brust
Die Uniform passend zur weiblichen Lust;
Der hatte das Madl beim Bandel.
Sie wisperten lange, sie wisperten viel,
Doch konnt' i kein Wörtchen verstehen;
Müd' war i, d'rum ging i baldmöglichst zu Bett,
Mir zeigte die Tochter des Hauses die Stätt':
Doch, Freunde! wie mußt's mir ergehen! –
Hier schwitzte ich unter der drückenden Last
Der anderthalb Zentner schwer'n Betten;
I konnte nicht schlafen, mir wurde sehr heiß,
Es trifte vom Körper der salzige Schweiß.
I dachte, i läge in Ketten.
[63]
Dazu kam zu immer noch größerer Pein
Ein Heer jener schwarzbraunen Gäste,
Die fanden Behagen am M**schen Blut,
Und thaten sich jetzo ganz trefflich und gut
Und mästeten sich auf das Beste.
So lieg' i bis zwölf Uhr im ängstlichen Schweiß,
Da öffnet sich leise die Thüre;
Herein schwebt ein Wesen, so luftig und weiß,
Und haltet sich stille und nähert sich leis,
I zitterte auf alle Viere.
Und endlich erschallt es aus weiblichem Mund':
Herr Brandl! Ei, thun's denn schon schlafen?
I konnte nicht eher, Sie wissen's ja wohl,
Mein' Frau war ja wie der Blitz sternhagelvoll
Und gab mir bis jetzo zu schaffen.
Haha, dacht' i, Jungferl, du kommst mir recht.
Ist das deine Sprödigkeit alle?
Du kommst mir wie g'rufen, i thu dir dein' Will'n,
Itz will i den Korporal Brandl gut spiel'n,
Sollst wär' i wohl a Lalli.
I sog ihr denn also, sie soll sie nur glei
Hereinlegen und ruhi verhalten;
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Es schläft a Student dort im Neb'nzimmer drin,
Die Herren führ'n oft allerloa Narrisch im Sinn,
No war mir grod um die Alten.
Dös thut's denn und red't a koan Wörtel mehr,
Mein' Süßigkeit laßt si begreifen;
Wir bleiben da bei 'nander bis Morgens um drei,
I schwör' ihr stets Liebe und ewige Treu –
Doch itz fangt der Hausherr on z'pfeifen.
Herr Brandl! leb'ns wohl, denn itz muß i schon geh'n
I muaß meine Krügln zamschwanka;
Wo hob'ns denn ihr Westl? Do hobn's zum Beweis
Der Treue an etliche Kreuzer auf d' Reis',
Für's ander thu i mi bedanka.
Drauf schleicht sie si wieder zum Zimmer hinaus
Und i greif denn glei nach der Westi
Und find' dann zu meinem erheiternden Sinn
A nagelneu's boarisches Thalerl drin.
Das Madl is dengast a Besti.
Itz steh' i denn auf g'schwind und leg mi schnell on
Und lauf g'schwind ins Gastzimmer nunta,
Und stell' mi, als hätt' is mein Lebtag net g'segn,
Vielweniger, daß i heut Nacht bei ihr g'leg'n,
Und mach' mi recht kräfti und munta.
[65]
I zohl denn mei Zech und geh fort meine Weg',
Und freu mi do über die G'schichten,
Kam spät auf'n Abend nach Regensburg 'nein,
Logirte bei einem Herrn Vetter mi ein
Und hat' noch a wen'g was z' errichten.
Schon Abends bei'm Essen verspürte ich oft
Viel Schmerz bei gewißen Geschäften,
I dachte, es komme von zweierlei Bier,
Das öfter schon solche Beschwerden hat mir
Verursacht, und hielt mi nach Kräften.
Doch Nachts erst im Bette da ging es mir bös,
I hatte die rasendsten Schmerzen;
Nun fiel mir die gestrige Schäfernacht ein,
Daß dieses wohl könnte die Ursache sein;
Jetzt ging's mir denn wahrlich zu Herzen.
Da hast du die Folgen des Leichtsinns jetzt,
Begann i zu moralisiren,
Und während ich schimpfe und schelte auf mich,
Macht erst noch die schönste Entdeckung ich:
Ein lustiges Volk ließ sich spüren. 11
[66]
Da sah es denn mißlich und traurig aus,
In Regensburg war nichts mehr z'machen;
Ich hatte mich dort einem Arzte vertraut,
Der gab mir vom Eybisch die Wurzeln und 's Kraut
Zu Bädern – nebst noch ein Paar Sachen.
So schickt' i denn endlich zur Reise mich an,
Kam glücklich vor Donauwörths Mauern;
Mein Alter, der hat denn a höllische Freud',
Hat aber grod Arbeit und itz net recht Zeit,
Er disputirt mit a zwölf Bauern.
Die ersten drei Tag' war i ang'nehm und recht,
Koan Mensch wirft si auf zu mein' Richter;
Am vierten da sag' i, i brauchet an Hut,
Mein Hosen is z'rissen, mein Rock nimma gut,
Itz schneiden's schon bedenkliche G'sichter.
Und wie i erst recht mit'n Schulden 'rausruck,
Daß überdies Geld no entnumma;
Und mach' non das demüthi Geständniß auf d'letzt:
»Herr Vater, mei Bett hob i a non versetzt!«
Itzt fangt a schon mächti on z'brumma.
Am letzten Tog sog i, i brauchet a Geld,
Sonst muß i ja glei wieder pumpen;
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»Was! sagt a, is net gnua, i zohl deine Schuld'n
Und mitkrieg'n werft a non etli Guld'n,
Was glabt's denn, ös sakrische Lumpen?!«
»Ö glabt's g'wiß, i konn für enk alleweil zohln
Wo müßt' i's denn alleweil nehma;
Dein Bruder sekirt mi um Geld jede Post,
Dein saubere Krankheit hot a net wen'g kost'
So darfst du mir nimma mehr kämma.«
Kurz, Brüderln, es ist die höchste Zeit g'west,
Daß i von ihm Abschied hob g'numma;
I kenn enk mein Alten von Längers her schon,
Wir hätt'n beisamma koan gut nimma thon,
Auf d' Letzt hätt i Schlag no bekomma.
D'rum bin i am Wasser auf Ingolstadt g'fahr'n,
Von dort ans auf Landshut no ganga,
Allwo wir, mei Mops, der Herr Paris und ich,
Als eben der Mond hinter'm Berg' herauf schlich,
Am zweiten November anlanga. –
Itz bitt i enk schlüßli und thut's ma den G'falln,
Und sagt's nur mein' Schatzerl nix'n
Von Pfaffenberg und von der saubern Affaire:
Sie gab ma ja sonst'n koan Bußerl mehr,
Und krieget no überdieß Strixen.
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Sie merkt nix, bin ja itz wieder kurirt,
Und es thuats fein a nix dergleicha,
Die Filzläus sein fort itz, dös is grod a Pracht,
Itz hob i Courage von Früh bis in d'Nacht,
A Jeder von enk muß ma weicha.

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TextGrid Repository (2012). Müller, Karl Theodor. Gedichte, Aufätze und Lieder. Gedichte, Aufätze und Lieder im Geiste Marc. Sturms. Reise-Abentheuer in den Osterferien 1819. Reise-Abentheuer in den Osterferien 1819. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-5532-7