5. Abendreihn

Guten Abend, lieber Mondenschein!
Wie blickst mir so traulich in's Herz herein?
Nun sprich, und laß dich nicht lange fragen,
Du hast mir gewiß einen Gruß zu sagen,
Einen Gruß von meinem Schatz.
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»Wie sollt' ich bringen den Gruß zu dir?
Du hast ja keinen Schatz bei mir.
Und was mir da unten die Bursche sagen,
Und was mir die Frauen und Mädchen klagen,
Ei, das versteh' ich nicht.«
Hast Recht, mein lieber Mondenschein,
Du darfst auch Schätzchens Bote nicht sein,
Denn thätst du zu tief ihr in's Auge sehn,
Du könntest ja nimmermehr untergehn,
Schienst ewig nur für sie.
Dies Liedchen ist ein Abendreihn,
Ein Wandrer sang's im Vollmondschein;
Und die es lesen bei Kerzenlicht,
Die Leute verstehn das Liedchen nicht,
Und ist doch kinderleicht.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Müller, Wilhelm. 5. Abendreihn. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-56BF-3