Neunundsechzigste Erzählung.

Ein Italiener läßt sich von seinem Kammermädchen anführen, welche es so einrichtet, daß seine Frau ihn an Stelle der Dienerin Mehl beutelnd findet.


Auf dem Schlosse Doz in Bizorra lebte ein Stallmeister des Königs, namens Karl, Italiener von Geburt, der ein sehr vermögendes und ehrbares Mädchen geheirathet hatte. Sie war aber recht gealtert, nachdem sie ihm mehrere Kinder geboren hatte. Er war auch nicht jung und lebte mit ihr in Frieden und Freundschaft. Zwar gab er sich manchmal mit ihrem Kammermädchen ab; seine Frau that garnicht, als ob sie das merkte, vielmehr verabschiedete sie jene ganz ruhig, wenn sie merkte, daß sie im Hause zu heimisch wurde. Eines Tages nahm sie eine neue, ein vernünftiges und gutes Mädchen, der sie gleich ihre und ihres Mannes Art sagte, nämlich, daß sie weggejagt würde, wenn sich herausstelle, daß sie Ungehöriges thue. Dieses Kammermädchen wollte in ihrem Dienst die Achtung ihrer Herrin behalten und nahm sich deshalb vor, anständig zu sein, und obgleich ihr Herr ihr des öfteren entgegengesetzte Anträge machte, ging sie nicht darauf ein, erzählte vielmehr alles ihrer Herrin, und beide vergnügten sich über seine Thorheit. Eines Tages beutelte das Mädchen Mehl in einem Hinterzimmer, wobei sie ihre Kappe auf hatte (die aber nach der Mode des Landes so gearbeitet war, daß sie hinten die Schultern und den ganzen [420] Körper verdeckte); ihr Herr fand sie in diesem Anzuge und bedrängte sie sehr. Sie hätte ihm nicht nachgegeben, auch wenn es sich um ihr Leben gehandelt hätte, stellte sich aber willfährig. Vorerst bat sie aber noch, daß er sie nachsehen lasse, ob auch seine Frau mit etwas beschäftigt sei, damit sie sie nicht überraschen könnte. Er willigte darein. Sie bat ihn nun, ihre Kappe aufzusetzen und in ihrer Abwesenheit weiter Mehl zu beuteln, damit seine Frau immer das Geräusch des Beutelns höre. Er that das in der Hoffnung, seinen Wunsch erfüllt zu sehen, gern. Das Kammermädchen, die eine lustige Person war, lief zu ihrer Herrin und sagte ihr: »Kommt doch und seht Euch Euren Mann an, dem ich das Mehlbeuteln beigebracht habe, um ihn loszuwerden.« Die Frau beeilte sich, um die neue Kammerzofe in Augenschein zu nehmen, und als sie ihres Mannes, mit der Kappe auf dem Kopf und dem Mehlbeutel in der Hand, ansichtig wurde, schlug sie in die Hände und mußte so lachen, daß sie ihm kaum sagen konnte: »Du Nichtsnutz, was verlangst Du an Monatslohn für Deine Arbeit?« Als der Mann diese Stimme hörte und sich hintergangen sah, warf er zur Erde, was er in der Hand und auf dem Kopfe hatte, rannte auf das Kammermädchen los, nannte sie viele Male eine niederträchtige Person, und wenn sich seine Frau nicht ins Mittel gelegt hätte, würde er sie ausgelohnt und fortgeschickt haben. Es wurde aber Alles zu Aller Zufriedenheit beigelegt, und sie lebten ohne Streit weiter.

»Was sagt Ihr zu dieser Frau, meine Damen?« fragte Hircan. »Ist sie nicht sehr klug, sich mit dem Zeitvertreib ihres Mannes auch ihre Zeit zu vertreiben?« Saffredant sagte: »Das ist kein Zeitvertreib für den Mann, in seiner Unternehmung keinen Erfolg gehabt zu haben.« »Ich glaube«, wandte Emarsuitte ein, »daß er wohl mehr Vergnügen hatte, mit seiner Frau zu lachen, als sich in seinen Jahren mit dem Kammermädchen langsam aufzureiben.« »Mir sollte es jedenfalls sehr leid sein«, sagte Simontault, »wenn man mich in solcher Kapuze fände.« »Ich habe mir sagen lassen«, sagte Parlamente, »daß es nicht an Eurer Frau lag, wenn sie Euch nicht in einem ähnlichen Gewande fand, wie schlau Ihr auch sonst sein möget, was ihr immer Unruhe genug verursacht hat.« »Begnügt Euch mit den Wechselfällen Eures Hauses«, antwortete [421] Simontault, »ohne bei mir herumzusuchen; wenn auch meine Frau keine Ursache hat, sich über mich zu beklagen, sie würde, wenn ich so wäre, wie Ihr sagt, doch nur Dinge beachten, die sie nothwendig sehen muß.« Longarine sagte: »Ehrbare Frauen brauchen nichts anderes als die Liebe ihrer Männer, die allein sie zufriedenstellen kann. Die aber, die ein rein sinnliches Vergnügen suchen, werden es nie dort finden, wo Ehrbarkeit herrscht.« »Nennt Ihr es eine sinnliche Befriedigung, wenn eine Frau von ihrem Mann das haben wollte, was ihr zukam?« Longarine antwortete: »Ich sage, daß eine keusche Frau, deren Herz mit wahrer Liebe angefüllt ist, zufriedener ist, wenn sie wahrhaftig geliebt wird, als mit allem Vergnügen, welches Sinneslust geben kann.« »Ich bin Eurer Meinung«, sagte Dagoucin, »aber diese Herren hier wollen es nicht einsehen und nicht zugeben. Ich meine, daß, wenn gegenseitige Liebe eine Frau nicht zufriedenstellen kann, ein Mann sie nie glücklich machen kann. Denn wenn sie nicht in ehrbarer Frauenliebe lebt, muß sie von unstillbarer Fleischeslust erfüllt sein.« Oisille sagte: »Wahrlich, Ihr erinnert mich an eine schöne und gut verheirathete Dame, welche nicht in solcher ehrbaren Liebe lebte und deshalb unvernünftiger als ein gewöhnliches Thier und grausamer als die Löwen wurde.« »Ich bitte Euch, edle Frau«, sagte Simontault, »uns zum Abschluß dieses Tages diese Geschichte zu erzählen.« »Ich kann es aus zwei Gründen nicht«, sagte Oisille, »einmal ist sie sehr lang, dann ist sie nicht aus unsrer Zeit und von einem sehr glaubwürdigen Verfasser schon niedergeschrieben. Und wir haben uns doch vorgenommen, hier nichts vorzubringen, was schon niedergeschrieben ist.« »Das ist wahr«, sagte Parlamente, »aber ich er rathe, welche Erzählung Ihr meint, und die ist in so altem Dialekt abgefaßt, daß ich glaube, es giebt außer uns keinen Mann und keine Frau in dieser Gesellschaft, die davon gehört hätte, deshalb wird sie doch etwas neues sein.« Die ganze Gesellschaft bat sie nun, die Geschichte zu erzählen und die Länge nicht zu fürchten, da man noch eine gute Stunde vor der Vesper auf der Wiese bleiben könnte. Auf ihre Bitten begann also Oisille, wie folgt:

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TextGrid Repository (2012). Navarra, Margarete von. Erzählungen. Der Heptameron. Siebenter Tag. 69. Erzählung: [Ein Italiener läßt sich von seinem Kammermädchen anführen]. 69. Erzählung: [Ein Italiener läßt sich von seinem Kammermädchen anführen]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-5EFE-4