Siebenunddreißigste Erzählung.

Von der Klugheit einer Frau, um ihren Mann von einer tollen Liebe, die sich in sein Herz geschlichen hatte, abzubringen.


Auf einer großen Besitzung in Frankreich lebte eine Dame, deren Namen ich verschweigen will, die so verständig und tugendhaft war, daß sie von allen ihren Nachbarn geliebt und geachtet wurde. Ihr Mann, wie nur erklärlich vertraute ihr in allen seinen Angelegenheiten, welchen sie so gut vorstand, daß ihre Besitzung hierdurch eine der reichsten und wohleingerichtetsten von ganz Anjou und der Touraine wurde. Nachdem sie so lange Zeit mit ihrem Mann, von dem sie mehrere Kinder hatte, zusammengelebt hatte, begann das Glück, (welches so oft in sein Gegentheil umschlägt) sich zu vermindern, weil ihr Mann, dem eine ehrbare Ruhe unerträglich schien, sie verließ, um anderweit Zerstreuung zu suchen, und die Gewohnheit annahm, sobald seine Frau eingeschlafen war, sich von ihrer Seite zu erheben und erst am Morgen zu ihr zurückzukehren. Die Dame fand dies sehr schimpflich und wurde sehr eifersüchtig, wollte sich aber davon nichts anmerken lassen. Sie bekümmerte sich nicht mehr um ihren Haushalt, ihre Person und [274] ihre Familie, ganz wie eine, die den Lohn ihrer Arbeit verloren hat, der in der Liebe ihres Mannes lag, für deren Unwandelbarkeit sie auch alle Mühen gern auf sich genommen hätte. Nachdem sie diese aber verloren hatte, woran sie nicht mehr zweifeln konnte, wurde sie so nachlässig in ihrer Wirthschaft, daß bald der Nachtheil dieser Nachlässigkeit sich bemerkbar machte. Denn einerseits verschwendete ihr Mann, ohne zu zählen, und sie achtete nicht mehr auf die Ausgaben in der Wirthschaft. Schließlich waren die Einkünfte der Besitzung so in Unordnung gerathen, das man anfing, die hochstämmigen Bäume zu fällen und die Liegenschaften mit Hypotheken zu belasten. Einer ihrer Verwandten nun, welchem die Ursache dieser Unordnung bekannt war, zeigte ihr, welchen Fehler sie beging, und daß, wenn ihr auch nicht mehr aus Liebe zu ihrem Gatten ihr Haus am Herzen läge, sie wenigstens auf ihre Kinder bedacht sein müsse. Aus Mitleid mit diesen nahm sie sich auch zusammen und versuchte auf alle möglichen Arten die Liebe ihres Mannes wiederzugewinnen. Am andern Tage paßte sie auf, als er sich erhob, und stand ebenfalls auf, zog sich ihren Nachtmantel an, machte ihr Bett, verrichtete ihre Gebete und wartete auf die Rücklehr ihres Mannes. Als dieser wieder in das Zimmer trat, ging sie ihm entgegen, küßte, ihn und brachte ihm ein Waschbecken mit Wasser, um sich die Hände zu waschen. Er war über diese ungewohnte Art sehr erstaunt, sagte, daß er nur vom Closet komme und garnicht nöthig habe, sich die Hände zu waschen. Sie antwortete darauf, wenn es auch nichts besonderes sei, wäre es doch anständig, sich die Hände zu waschen, wenn man von einem unsauberen Ort herkomme; hierdurch wollte sie ihn seinen schlechten Lebenswandel erkennen lassen und ihm denselben hassenswerth machen. Er besserte sich aber deshalb nicht, und die Dame fuhr ein ganzes Jahr in der von ihr gewählten Art und Weise fort. Als sie aber sah, daß sie damit nichts ausrichtete, bekam sie eines Tages, als sie auf ihren Mann wartete und dieser länger als gewöhnlich ausblieb, Lust, ihn aufzusuchen, und nachdem sie von Zimmer zu Zimmer gegangen war, fand sie ihn in einem Kleiderzimmer eingeschlafen und bei ihm eine der häßlichsten und schmutzigsten Kammerzofen des Hauses; sie nahm sich vor, ihn dafür zu bestrafe [275] daß er ihr sogar eine so häßliche Person vorzog. Sie nahm deshalb Stroh und zündete es mitten im Zimmer an; als sie aber sah, daß der Rauch ihren Mann eher erstickt als aufgeweckt haben würde, zog sie ihn am Arm vom Bett, indem sie laut: Feuer! Feuer! rief. Der Mann war bestürzt und beschämt, von seiner so ehrbaren Frau bei einer solchen schmutzigen Person gefunden worden zu sein, und hatte auch alle Ursache dazu. Die Frau sagte ihm nun: »Ein Jahr lang habe ich mit Milde und Geduld versucht, Euch von Eurem schlechten Lebenswandel abzubringen, indem ich Euch zu verstehen gab, daß Ihr mit Eurem Händewaschen auch Eure Unkeuschheit ablegen möchtet. Nachdem ich aber gesehen habe, daß alles, was ich that, nichts bei Euch verschlug, habe ich versucht, mich des Elements zu bedienen, welches allen Dingen ein Ende setzt. Und ich versichere Euch, wenn Euch das nicht bessert, so weiß ich nicht, ob ich Euch ein zweites Mal so der Gefahr werde entreißen können, wie das erste Mal. Ich bitte Euch, seid überzeugt, daß es keine größere Verzweiflung, als die aus Liebe giebt, und daß, wenn ich nicht Gott vor Augen gehabt hätte, ich nicht so große Geduld mit Euch gehabt haben würde.« Der Mann war froh, diesmal so gut weggekommen zu sein, und versprach, niemals ihr wieder Veranlassung zu Kummer zu geben. Seine Frau glaubte ihm und jagte mit seinem Einverständniß alles aus dem Hause, was ihr mißfiel. Von da an lebten sie in so großer Eintracht, daß selbst die begangenen Fehler wegen des Guten, das aus ihnen entstanden war, ihnen nur Befriedigung gewährten.

»Ich bitte Euch nun, meine Damen«, fuhr Dagoucin fort, »wenn Gott Euch solche Gatten giebt, nicht zu verzweifeln, bis Ihr lange Zeit alle Mittel versucht habt, sie auf den richtigen Weg zurückzuführen; der Tag ist lang genug, daß man an Einem seine Meinung ändern kann, und eine Frau muß sich glücklicher schätzen, ihren Mann durch geduldiges Warten für sich gewonnen, als vom Zufall und seinen Eltern gleich einen vollkommenen erhalten zu haben.« Oisille sagte: »Dies Beispiel sollten sich alle verheiratheten Frauen merken.« »Das steht in jedes Belieben«, sagte Parlamente, »ich für meine Person konnte solche Geduld nicht haben. Geduld mag allenthalben eine schöne Tugend sein, ich meine aber, in der [276] Ehe führt sie nur zur Feindschaft. Denn wenn man von seinem Nächsten ein Unrecht erleidet, so entfernt man sich wohl oder übel von ihm, so weit man kann; aus dieser Trennung entwickelt sich dann eine verächtliche Beurtheilung des Fehlers des Ungetreuen, und in dieser Verachtung verringert sich nach und nach die Liebe; wo man eine Sache liebt, will man sie auch als werthvoll schätzen.« Emarsuitte sagte: »Es ist aber Gefahr vorhanden, daß eine ungeduldige Frau nur einen böswilligen Mann vorfinde, der ihr nur Schmerz bereitet.« »Was könnte ein Mann anderes thun, als was der in dieser Geschichte that?« fragte Parlamente. »Was?« antwortete jene, »seine Frau tüchtig schlagen, ihr das Mägdebett und der Geliebten das Ehebett anweisen.« Parlamente erwiderte: »Ich glaube, eine anständige Frau würde viel weniger betrübt sein, im Zorn geschlagen, als von einem Mann, der nichts von ihr wissen will, verächtlich behandelt zu werden. Wenn der Kummer wegen des Verlustes der Liebe des Mannes erst über sie gekommen ist, so könnte letzterer nichts mehr thun, was ihr besonders nahe gehen würde. So sagt auch die Erzählung, daß sie sich die Mühe, ihn von seinen Ausschweifungen abzubringen, nur mit Rücksicht auf ihre Kinder nahm, und das leuchtet mir sehr ein.« »Haltet Ihr es denn für einen Beweis besonderer Geduld«, warf Nomerfide ein, »unter dem Bett, in welchem ihr Mann schlief, ein Feuer anzumachen?« »Jawohl«, sagte Longarine, »denn als sie den Rauch sah, weckte sie ihn auf, und das war der ganze Fehler, den sie beging; denn von solchen Ehemännern ist die Asche noch das Beste.« »Ihr seid grausam, Longarine«, wandte sich Oisille an diese, »seid Ihr denn nicht mit Eurem Mann auch zusammengeblieben?« »Gott sei Dank«, antwortete jene, »hat er mir keine Veranlassung, wie in der Erzählung vorkommt, gegeben; ich kann ihn nur mein Lebelang betrauern, anstatt mich über ihn zu beklagen.« »Und wenn er Euch einmal Aehnliches angethan hätte, was würdet Ihr gethan haben?« fragte Nomerfide. »Ich liebte ihn so sehr«, sagte Longarine, »daß ich ihn wahrscheinlich getödtet hätte und mich hinterdrein, denn nach einer solchen Rache zu sterben, würde mir angenehmer gewesen sein, als in allem äußerlichen Anstand mit einem Ungetreuen weiter zu leben.« Hircan sagte: »Ich sehe, Ihr [277] wollt Eure Männer nur ganz für Euch haben. Sind sie ganz nach Euren Wunsch, so liebt Ihr sie recht sehr; begehen sie aber den geringsten Fehler, so verschluckt der Sonnabend den ganzen Wochenlohn. So wollt Ihr die Herrinnen sein; ich will mich dem auch fügen, aber nur, wenn alle Ehemänner es auch thun.« Parlamente sagte: »Es ist ganz richtig, daß der Mann uns als unser Herr leiten soll; aber er soll uns nicht verlassen und uns schlecht behandeln.« Oisille sagte: »Gott hat hier eine so gute Vertheilung geschaffen, sowohl was den Mann, als was die Frau anlangt, daß ich die Ehe, wenn man keinen Mißbrauch damit treibt, für eine der schönsten und sichersten Einrichtungen der Welt halte. Ich bin gewiß, daß alle hier Anwesenden, wie sie sich auch dazu zu stellen scheinen, ebenso oder noch besser davon denken. Und wenn der Mann sich für verständiger als die Frau ausgiebt, so wird er nur um so härter bestraft werden müssen, wenn der Fehler von seiner Seite kommt. Jetzt haben wir hierüber aber genugsam gesprochen; laßt uns nun hören, wem Dagoucin das Wort geben wird.« »Ich gebe es Longarine.« »Ich bin sehr einverstanden damit«, sagte diese, »denn ich weiß eine Geschichte, welche gut zu der Euren paßt. Da wir jetzt die tugendhafte Geduld der Frauen loben, will ich Euch eine Frau vorführen, die noch viel lobenswerther ist, als die der letzten Erzählung. Man muß sie um so höher schätzen, da sie eine Städterin war, die gewöhnlich nicht so reich an Tugenden wie die anderen sind.«

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TextGrid Repository (2012). Navarra, Margarete von. Erzählungen. Der Heptameron. Vierter Tag. 37. Erzählung: [Von der Klugheit einer Frau]. 37. Erzählung: [Von der Klugheit einer Frau]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-5F30-8