Neununddreißigste Erzählung.

Von einer guten Art, einen Geist zu vertreiben.


Ein Herr von Grignaux, welcher Hofmarschall der Königin von Frankreich, der Herzogin Anna von Bretagne, war, fand, als er einstmals in sein Haus zurückkehrte, von dem er mehr als zwei Jahre fortgewesen war, daß seine Frau nach einem anderen in der Nähe liegenden Gute übergesiedelt war, und als er nach der Ursache fragte, sagte man ihm, daß in dem Hause ein Geist umginge, der alle dermaßen erschreckte, daß keiner dort bleiben könnte. Der Herr von Grignaux, der an solche Aufschneiderei nicht glaubte, sagte zu seiner Frau, wäre es auch der Teufel, er fürchte ihn nicht, und nahm sie wieder in sein Haus zurück. Nachts ließ er nun eine große Anzahl Kerzen anstecken, um den Geist besser zu sehen, und nachdem er lange gewacht hatte, ohne etwas zu hören, schlief er ein. Sofort wurde er aber durch einen heftigen Schlag, welcher seine Backe traf, geweckt und hörte eine Stimme rufen: »Revigne! Revigne!« (Das war der Name seiner Großmutter gewesen.) Er tief nun nach einer Frau, die in seiner Nähe schlief, um Licht zu machen, da alle Kerzen ausgelöscht waren; diese wagte aber nicht aufzustehen. Dann fühlte der Ritter daß man ihm die Bettdecke [281] wegzog, und hörte ein großes Geräusch von Tischen und Bänken und Fußschemeln, die im Zimmer umfielen; das dauerte bis zum frühen Morgen, so daß der Edelmann mehr über den Verlust seiner Nachtruhe ärgerlich als von Furcht wegen des Geistes, an dessen Vorhandensein er nicht glaubte, erfüllt war. In der folgenden Nacht beschloß er, den Geist zu fangen, und nachdem er sich niedergelegt hatte, deckte er sich die Hand mit gespreizten Fingern übers Gesicht und fing an, laut zu schnarchen. Wie er nun so aufpaßte, fühlte er etwas sich nahe kommen. Er schnarchte deshalb nur noch mehr, und der Geist ging in die Falle, indem er ihm eine schallende Ohrfeige verabreichte. In diesem Augenblick packte ihn der Herr von Grignaux, immer noch die Hand vor den Augen haltend, und rief der Frau zu: »Ich habe den Geist!« Diese stand sofort auf, zündete ein Licht an, und sie fanden, daß der Geist die Kammerzofe war, welche mit in dem Zimmer schlief. Sie fiel auf die Kniee, bat um Verzeihung und versprach, die Wahrheit zu sagen, wobei herauskam, daß sie schon lange einen Diener des Ritters liebte und diesen ganzen Mummenschanz deshalb erfunden habe, damit Herr und Herrin das Haus verließen und sie beide, denen es dann zur Bewachung übergeben worden wäre, darin hätten nach Belieben schalten und walten können, wie sie es auch schon in Fällen der Abwesenheit der Herrschaft gethan hatten. Der Ritter von Grignaux, der ein ziemlich strenger und heftiger Herr war, befahl, ihnen die Peitsche zu geben, damit sie sich für immer an den Geist erinnerten. Es geschah, worauf er sie fortjagen ließ und auf diese Weise das Haus von dem Umgehen der Geister, welche zwei Jahre hindurch dort ihr Wesen getrieben hatten, gesäubert wurde.

»Wunderbar, meine Damen«, fuhr Saffredant fort, »bleibt, was der mächtige Gott Amor den Menschen alles eingiebt, hier z.B. einer Frau alle Furcht nimmt und sie den Männern Schrecken und Unruhe einjagen läßt, lediglich um zu ihrem Ziele zu kommen. Wie tadelnswerth nun auch die Absicht der Kammerfrau wat, so lobenswerth ist der gesunde Menschenverstand ihres Herrn, der sehr wohl wußte, daß, wenn der Geist die irdische Hülle verlassen hat, er nicht zurückkehrt.« »Nun wahrlich«, sagte Guebron. »in diesem Falle begünstigte Amor nicht sonderlich den Diener und die Zofe, und [282] man muß sagen, daß der gesunde Menschenverstand des Ritters ihnen nicht förderlich war.« »Immerhin«, warf Emarsuitte ein, »lebte doch das Mädchen eine lange Zeit durch ihre Schlauheit ganz nach ihrem Gutdünken.« »Das ist ein schlechtes Gutdünken«, sagte Oisille, »wenn es auf Sünde begründet ist und mit Schande und Strafe endet.« »Das ist richtig, Madame«, sagte Emarsuitte, »aber viele Leute haben Schmerz und Mühen davon, so zu leben, wie es sich gehört, und bringen es nicht dazu, in ihrem ganzen Leben einmal Vergnügen und Freude zu haben wie diese.« »Demnach bleibe ich bei meiner Meinung«, sagte Oisille, »daß es keine vollkommene Freude giebt, wenn das Gewissen nicht in Ruhe ist.« »Wie?« fragte Simontault, »der Italiener will behaupten, daß, je größer die Sünde ist, sie um so mehr Vergnügen gewähre!« »Wer diese Bemerkung gemacht hat«, sagte Oisille, »ist selbst ein halber Teufel; lassen wir ihn also und sehen wir, wem Saffredant das Wort geben wird.« »Wem?« fragte dieser, »es ist nur noch Parlamente übrig; aber wenn noch hundert andere da wären, würde ich auch gerade ihr das Wort geben, denn sie versteht es am besten, uns zu belehren.« Parlamente sagte: »Da ich also den Tag beschließen soll und Euch gestern versprochen habe, Euch den Grund mitzutheilen, weshalb Rolandinens Vater das Schloß bauen ließ, wo er sie so lange gefangen hielt, will ich Euch diese Geschichte erzählen.«

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TextGrid Repository (2012). Navarra, Margarete von. Erzählungen. Der Heptameron. Vierter Tag. 39. Erzählung: [Von einer guten Art]. 39. Erzählung: [Von einer guten Art]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-5F7D-B