Friederike Caroline Neuber
Die von der Weisheit wider die Unwissenheit beschützte Schauspielkunst

[2]

[Vorspruch]

Schweizerisch: Gedicht:

Du hast nach reiffer Müh, und nach durchwachten Jahren;

Erst selbst wie viel uns fehlt, wie nichts man weiß, erfahren.

[Widmungsgedicht]

[2] Bey dem

Hohen und Höchstfeyerlichsten

Geburts-Feste

Ihr. Königl. Hoheit

des Durchlauchtigsten Fürsten und Herrn

HERRN

Carl Friderichs

Erbens zu Norwegen / Herzogs zu

Schleswig, Holstein, Stormarn und

der Dithmarsen, Grafens zu Oldenburg

und Delmenhorst ec. ec.

Schrieb dieses

mit unterthänigster Ehrfurcht

Friderica Carolina Neuberin.

Lübeck / den 30. April / 1736.


[3]

Herr!

es soll mich auch entfernt nichts in meinen Pflichten stöhren /

Du wirst den Beweis davon itzund sehn / und künftig hören.

Da ich DICH bewundern durfte / preist ich DEINE Gegenwart;

Da ich von DIR ziehen muste / fiel der Zug mir ziemlich hart:

Nun DU mir entfernet bist / such ich DICH im Geist zu sehen,

Und das soll an DEINEM Fest / so / wie jeden Tag geschehen /

Der DEIN Leben neu vermehret / und mir neues Zeugnis giebt /

Daß der Höchste Deine Hoheit seegnet / schützet / hält und liebt.

Herr! DU hast mir neuen Schutz / neue Kraft und Lust gegeben /

Daß ich kan der ganzen Welt so / wie DIR / zu Ehren leben;

Dieser Schutz hat mich verbunden / hebt die Kunst und mehrt den Fleis /

Ihn so dankbar zu erkennen / daß es Welt und Nachwelt weis /

Wie Du hast der armen Kunst unverhoft die Hand gereichet /

Daß ihr Grund nicht mehr wie sonst / von der wahren Regel weichet /

Da sie sich auf DICH beruffen / und nach DIR benennen kan /

Da DU ihr aus eigner Regung Gnad und Wohlthat hast gethan.

Aller angewandte Fleis / den ich oft umsonst verschwendet /

Ist damit allein belohnt / eingesehn / gut angewendet:

Deiner Grosmuht / Deiner Gnade / Deiner Weisheit ganz allein

Hab ich nun das Glück zu danken / daß ich kan beschützet seyn.

Nun bewundert mich der Neid / ich bin nicht / wie sonst / verlassen.

DU liebst die vernünftge Kunst / nun wird sie kein Kluger hassen:

DU hast sie der hohen Gnade der Erhaltung wehrt geschätzt /

Und dadurch viel Vorurtheilen ein gemeßnes Ziel gesetzt.

Ich kan itzt mit bessern Muht unsern Schau-Plaz ganz befreyen

Von dem / was ihm Schande bringt / daß sich Niemand mehr darf scheuen;

Daß kein ärgerlicher Possen alt und jung beschämen kan:

Sieht man gleich die Narren-Werke hier und dort noch frölich an,

Nun will ich der ganzen Welt ohne Furcht die Regeln sagen,

Itzt kan sie mich weiter nicht mit den falschen Gründen plagen:

Weil kein Hof die Kunst beschützet / duldet / suchet und belohnt /

Ist sie auch nichts nütz / und würdig / daß man ihrer nicht verschont.

DU hebst diesen Irrthum auf / billigest die guten Sitten;

Suchst und liebst sie auch an uns / läßt DICH nicht vergeblich bitten:

Übst Geduld und hegest Gnade / sorgst / daß Lohn und Nutzen sey /

Und machst mich von den Beschwerden übrig grosser Gaben frey.

Hörest keinen Schmeichler an / heissest auch die Lästrer schweigen;

Kurz / DU machest mir mein Glück / DIR mein ganzes Leben eigen:

Das in seinem Thun und Lassen immer auf DICH Achtung giebt /

Und mit Vorsatz oder Bosheit weder GOtt noch DICH betrübt.

Weil ich nun so leben kan / will ich DIR zu Ehren leben /

Jederman wird zum Beweis DIR den Dank mit Ehrfurcht geben.

[4]

Ja wenn die verderbte Regung keine Regeln leiden kan /

Bring ich sie zu ihrem Nutzen wider ihren Willen an.

Zwar ich solte stille seyn / heimlich nur den Nutzen nehmen /

Und mich nicht für mich so sehr / als für andern Leuten schämen;

Wer die Welt in ihrer Schwäche und in ihrer Stärke sieht /

Sucht sich ihrer zu bedienen / daß er seinen Nutzen zieht.

Aber wer sie dennoch liebt / weil sie GOtt hält / und regieret;

Wer sein Glück darinnen sucht / daß er thut was ihm gebühret:

Wer die Fehler hilft verbessern / an der Tugend sich ergötzt /

Hat zwar öfters seine Feinde / aber nicht die Pflicht verletzt.

In der Absicht lieb ich sie / lerne ihre Art betrachten /

Und das, was ihr schädlich ist, an ihr, wie an mir verachten /

Ihr Erhabnes zu bewundern / ihren Nutzen einzusehn /

Muß ich oft durch alle Stände mit ihr auf und nieder gehn.

Dazu giebt die Schau-Spiel-Kunst mir die allertreuste Lehre /

Daß ich keinen guten Grund tadle / ändre und verkehre;

Daß ich mich selbst schärfer richte / als das strengste Recht gebeut /

Und die reine Wahrheit sage / ohne Furcht und Weichlichkeit.

Thut es gleich dem Laster weh / daß es laut darüber schreyet /

Trifft mich unverschuldt ein Fall / der auch meinen Feind erfreuet;

Meynt und schließt ein Unverständger, daß ich keinen Nutzen bring /

Achtet er wohl höhre Sachen / und daher auch mich gering /

Ich verachte solch Geschrey / und verstopfe mir die Ohren /

Denke: besser / Haab und Guht / als ein redlich Herz verlohren:

Besser / streng und schlecht gelebt / als in Stolz und Übermuht:

Besser / in zufriedner Stille / als bey viel verschwendtem Guht

Ein gebückter Diener seyn / allen Fehlern willig schmeicheln /

Und sich gute Tage nur auf die schlimmste Art erheucheln /

In verdeckter Bosheit bleiben / öffentlich den Tag nicht seyn,

Insgeheim mit allen Lastern in verbundner Freundschaft stehn /

Hab ich keinen hohen Stand / will ich keinen höhern suchen;

Keinen Freund beleidigen / keinen Feind aus Haß verfluchen:

Alle Obrigkeiten ehren / keinem Stand zur Schande seyn:

Alle Fehler bessern helfen. Diese Pflicht ist allgemein;

Aber schwer und ohne Lohn: dennoch will ich mich nicht kränken /

Sondern nur auf meine Pflicht / und auf die Erfüllung denken;

Die befiehlt DICH zu verehren / und das soll dadurch geschehn /

Wenn man Leben / Kunst und Übung täglich wird gebessert sehn.

GOtt verleihe DIR die Kraft diesen Tag wohl zu zu bringen!

Lasse DIR was DU verlangst, IHM zu Ehren wohl gelingen!

Seegne Land und Unterthanen! Stehe Deinem Prinzen bey!

Daß für DICH zu Dessen Freude gar kein Wunsch vergeblich sey /

Der DIR viele Jahre schenkt / und mein Glück damit verbindet /

Wenn die Welt durch Deinen Schutz ein gebessert Schau-Spiel findet!

So kan GOtt und DIR zu Ehren unser Schau-Platz so bestehn /

Daß man kan aus allen Ständen ohne Sünde zu ihm gehn.

[Vorrede]

[5] Lieber Leser!


Wenn du gerne siehest, daß eine Frau denken, reden, lesen, und schreiben kan, so wirst du zufrieden seyn, daß ich dir etwas ausgedacht, geschrieben, gelesen, und einen Theil davon öffentlich geredet habe. Dieses geb ich dir nun gedruckt. Wundre dich nicht, daß ich meinen neuen Schutz Ihr. Königl. Hoheit, des Durchl. Herzogs Carl Friderichs mit unterthänigster Ehrfurcht dankbar erkenne, und Ihm an Seinem Hohen Geburts-Feste ein Zeichen davon überreiche. Laß dir die Ausübung meiner Schuldigkeit gefallen, und vergis deine niemahls. Beurtheile mich so strenge, als du darfst, wilst, und kanst. Bessere die Fehler, und erfülle dadurch meine Absicht. Bist du mein Gönner, so verehre ich dich. Bist du mein Helfer, so nehme ich deine Hülfe mit Ehrerbiehtung an, gebrauche sie zu deinem Ruhme, und bin dir, weil ich lebe, dafür mit Dank verbunden. Findest du etwas an meiner Gesellschaft oder Einrichtung auszusetzen, so wisse: daß ich selbst viel auszusetzen gefunden habe. In 9. und einem halben Jahre [6] hab ich an 50. Personen, deren Namen, Herkunft, Wissenschaften und Verhalten ich dir bey anderer Gelegenheit bekannt machen will, sehr viel auszusetzen, und sie endlich gar abzuschaffen höchstnohtdringende Ursachen gehabt. Diejenigen, die ich zu deinem und ihrem Ruhme auf das sorgfältigste erhalte und behalte, empfehle ich deinem guten Andenken und Beyfalle. Schätze ihren Fleis und redliches Verhalten deiner Betrachtung würdig! Bemühe dich den Unterscheid der Comödien und Comödianten recht zu erfahren, und einzusehen. Frage, wie sie seyn sollen, und wie sie sind, was sie nützen, und wie viel sie schaden können. Mache durch die Wahl guter Comödien deinen Geschmack rühmlich und käntlich. Beharre nicht eigensinnig auf leichten Vorurtheilen, und verwirff keine Sache, die du nicht genugsam kennest. Laß dir keinen Harlekin ans Herz gewachsen seyn. Die Natur hat ihn nicht gegeben, wenn sie gleich viele Harlekins erhält, und wider annimmt; Indessen erschrickt sie vor ihm, als vor einer Misgebuhrt. Sie zeiget ihn, zu ihrer Betrübnis, in der Gestalt, wie er ist, daß du sehen solst, was sie an ihm ertragen muß, und beschämet dich mit ihm, daß du siehest, was du an ihm geliebet hast. Achte die Wahrheit hoch. Sie unterrichtet dich und mich, [7] und kömmt dir zu Ehren ans Licht. Sprich für mich, weil ich es redlich meyne, und mein Fleis dieses Wohlthat verdienet. Gönne mir etwas von dem, was du öfters gerne weg wirfst, ich wil dir weisen, wie ich es zu deinem Ruhme und Nutzen aufhebe. Tadle meinen Aufwand nicht, weil er nothwendig ist, du veruhrsachest und verlangest ihn selbst. Verachte meine Armuht nicht, weil ich von deiner Erhaltung lebe. Unterdrücke keine Gelegenheit, wo mich deine Billigkeit erfreuen kan, und wenn es in deiner Macht stehet, so schütze mich wider ungerechte und boshafte Verfolger. Laß dich das wenige Geld für gute Comödien nicht reuen. Nimm verlieb, wenn sie dir nicht allemahl gefallen können. Sey nicht schuld an ihren Schaden. Liebe und lobe sie nicht ohne Grund. Hasse und verachte sie nicht ohne Ursache. Hilf dem Guten, steure dem Bösen, so wirst du deine Pflichten so gar an den guten und schlechten Comödien, an rechtschaffenen und liederlichen Comödianten ausüben, beyde Theile recht beurtheilen, und so wohl der guten als bösen Schaubühne Gerechtigkeit widerfahren lassen. Ruhm und Nutzen wird dafür deine seyn. Ich aber werde dich durch gereinigte Schauspiele und guten Wandel lebenslang verehren können.

F. C. Neuberin.

Personen

[8] Personen.

    • Die Weisheit / als Pallas mit Helm und Harnisch bekleidet.

    • Der erhabene Geschmack / als Apollo.

    • Der Nutzen / als Mercurius.

    • Die Schauspielkunst.

    • Die unschuldige Lust / als eine junge Schäferin.

    • Die Unwissenheit / prächtig gekleidet.

    • Die Scheinfrömmigkeit / als ein Geist.

    • Der Misbrauch / als ein junger flüchtiger Mensch.

    • Der verderbte Geschmack / als ein alter Mann.

    • Der Pöbel / als ein Bauer.

Vorspiel

1. Auftritt
Erster Auftritt
Die Scheinfrömmigkeit, Die Unwissenheit.

UNWISSENHEIT.
Wo sind wir? dieser Ort ist ja vortreflich schön.
SCHEINFRÖMMIGKEIT.
Ach Schwester komm zurück / du darfst nicht weiter gehn!
UNWISSENHEIT.
Nein / er ist gar zu gut und prächtig ausgezieret.
SCHEINFRÖMMIGKEIT.
Die Pracht hat manchen schon sein frommes Herz verführet /
Wend deine Augen ab von Gold und dessen Schein /
Weil unter seinem Glanz sonst nichts / als Würmer seyn.
UNWISSENHEIT.
Darf ich denn nicht den Herrn von diesem Hause wissen?
SCHEINFRÖMMIGKEIT.
Hat dich der Vorwitz auch so weit verführen müssen?
Komm gehe mit mir fort / versäume keine Zeit /
Und reiß dich mit Gewalt aus deiner Uppigkeit.
UNWISSENHEIT.
Wenn nur ein andrer Mensch in diese Gegend käme /
Und mich noch weiter mit in andre Zimmer nähme /
Die noch viel schöner sind / der Reichthum und die Pracht – –
SCHEINFRÖMMIGKEIT.
Die haben manchen schon zum armen Mann gemacht.
UNWISSENHEIT.
Es dünkt mich gar zu schön.
SCHEINFRÖMMIGKEIT.
Was muß ich von dir hören?
Soll dich ein anderer / statt meiner künftig lehren?
[10]
UNWISSENHEIT.
Du zürnest über mich / was hab ich denn gethan?
SCHEINFRÖMMIGKEIT.
Siehst du denn die Begierd als keinen Fehler an?
Geh von der Lust zurück, du must dich nur betrüben /
Und nicht den schnöden Glanz selbst suchen oder lieben.
UNWISSENHEIT.
Schweig / itzund kömt ein Kind / da hören wir vielleicht /
Wem dieser Ort gehört.
SCHEINFRÖMMIGKEIT.
Ich bin dir so geneigt /
Du aber hörst mich nicht bey aller meiner Mühe /
Und wilst nicht / daß ich dich von dem zurücke ziehe /
Was dein Verderben bringt.
UNWISSENHEIT.
Hier ist ja nicht Gefahr.
SCHEINFRÖMMIGKEIT.
Du Blinde siehest nicht.
UNWISSENHEIT.
Ach nein! Das ist nicht wahr.
2. Auftritt
Zweyter Auftritt
Die unschuldige Lust, als eine junge Schäferin / Die Scheinfrömmigkeit, Die Unwissenheit.

SCHEINFRÖMMIGKEIT.
Mein Kind! was suchst du hier?
UNSCHULDIGE LUST.
Nichts / ich will nur was sehen.
SCHEINFRÖMMIGKEIT.
Ach! dieses Laster muß von Kindheit auf geschehen?
Die Augenlust geht gleich beym ersten Anblick auf.
Kommt beyde mit mir fort. Es folgt ein Unglück drauf /
Wenn ihr so lüstern seyd.
UNWISSENHEIT.
Ey laß das Kind mit frieden /
Es ist am Alter ja von uns weit unterschieden /
Und gönn ihm seine Lust.
[11]
SCHEINFRÖMMIGKEIT.
Worinn besteht denn die?
UNSCHULDIGE LUST.
Ich seh den Himmel an.
SCHEINFRÖMMIGKEIT.
Das ist vergebne Müh:
Der ist zu hoch für dich.
UNSCHULDIGE LUST.
Hernach brech ich im Felde
Mir schöne Blumen ab.
SCHEINFRÖMMIGKEIT.
Das / was ich dir itzt melde /
Ist billig und gerecht. Mein Kind! meynst du denn nicht /
Daß man auch Sünde thut / wenn man die Blumen bricht?
UNSCHULDIGE LUST.
Ach nein! das glaub ich nicht.
SCHEINFRÖMMIGKEIT.
Ach du verstockte Jugend!
Hältst du den Müssigang vor eine grosse Tugend?
Der beym Spatzierengehn aufs allerhöchste steigt.
UNSCHULDIGE LUST.
Mein Lehrer sagt das nicht.
SCHEINFRÖMMIGKEIT.
Er ist dir nicht geneigt.
UNSCHULDIGE LUST.
Ach nein! Er ist mir gut.
SCHEINFRÖMMIGKEIT.
Das kan ich schwerlich glauben /
Er sucht dich des Verstands nachlässig zu berauben.
Was hast du heut gelernt?
UNSCHULDIGE LUST.
Ein Lied.
SCHEINFRÖMMIGKEIT.
Ach Ubermuht!
Die Lieder sind für dich und keinen Menschen gut.
[12] Man läßt der Stimme Laut hell durch die Kehle gehen /
Und giebt mit sanften Tohn die Reitzung zu verstehen /
Lockt / daß ein anderer der Stimme folgen soll.
Was hast du mehr gelernt?
UNSCHULDIGE LUST.
Zwo Fabeln.
SCHEINFRÖMMIGKEIT.
Bist du toll.
Die Fabeln lehrt man dich? mein Kind! ich möchte weinen /
UNSCHULDIGE LUST.
Mein Lehrer kan es doch unmöglich böse meynen /
Er spielt und tanzt mit mir.
SCHEINFRÖMMIGKEIT.
O! daß ich sterben könt!
So bald man diesen Greul bey seinem Namen nennt.
Pfuy! Spiel / Gesang / und Tanz und Fabeln / ô! was Schande
Jagt man denn solches Zeug nicht eiligst aus dem Lande /
Das solche Dinge lehrt?
UNWISSENHEIT.
Ach! tanzen möcht ich sehn.
SCHEINFRÖMMIGKEIT.
Laß dir die böse Lust den Augenblick vergehn /
Das leid ich nimmermehr.
UNWISSENHEIT.
Nun / gib dich nur zufrieden
Vielleicht ist in der Welt das Tanzen unterschieden.
SCHEINFRÖMMIGKEIT.
O! da betrügst du dich / es ist nur einerley /
Verwirrung / Uppigkeit / und Sünd / und Schand dabey.
Ach der verfluchte Tanz! verfolget Ehr und Leben.
Ich kan mich warlich kaum zufrieden drüber geben.

Zur unschuldige Lust.

Mein Kind! ach tanze ja dein lebetag nicht mehr!
Du machest dir damit dein zart Gewissen schwer.
Hast du sonst nichts zu thun?
UNSCHULDIGE LUST.
Ich tanz erst nach dem lernen.
[13]
SCHEINFRÖMMIGKEIT.
Du solst dich ganz und gar von dieser Lust entfernen /
Ganz still und sittsam seyn / mit den Gedanken ruhn.
UNSCHULDIGE LUST.
Das will ich nach dem Tanz auch alles gerne thun.
SCHEINFRÖMMIGKEIT.
Die Bosheit ist dem Kind schon wirklich eingepräget.
UNWISSENHEIT.
Was weis das Kind davon / das keine Absicht heget /
Und alles blindlings thut.
SCHEINFRÖMMIGKEIT.
Ey das verstehst du nicht /
Das thut kein frommer Mensch.
UNWISSENHEIT.
Und wenn das nun geschieht /
Was schadet denn das uns?
SCHEINFRÖMMIGKEIT.
Man muß die Leuthe lehren /
Und sie von dieser Lust abziehen und bekehren.
Komm Kind und bleib bey mir.
UNSCHULDIGE LUST.
Ich muß erst etwas sehn /
Mein Lehrer will mit mir in die Comödi gehn.
UNWISSENHEIT.
Was ist das vor ein Ding wovon wird es genommen?
Wozu gebraucht man es? Wo ist es her gekommen?
SCHEINFRÖMMIGKEIT.
Ach Mord! Wer hilft! Ach weh! weist du denn jetzund schon /
Daß man Comödjen spielt. Ach daß der schärfste Lohn
Von aller Straf und Pein auf deinen Lehrer fiele!
Er nimmt dich selber mit in solche Zauber-Spiele.
Hat denn der böse Geist den Leuten zugesetzt /
Daß sie von solcher Bruht ein Gauckel-Spiel ergötzt.

Zur unschuldigen Lust

Komm Kind / ich schenke dir Gold / Zucker und viel Sachen /
Die dir mehr nützlich seyn / und dir mehr Freude machen.
Es ist ja Schad um dich.
[14]
UNSCHULDIGE LUST.
Nein / nein / ich mus dahin /
Weil es mein Lehrer will / und ich gehorsam bin.
Ich habe da gelernt / wie man gehorsam lebet.
3. Auftritt
Dritter Auftritt
Scheinfrömmigkeit, Unwissenheit.

SCHEINFRÖMMIGKEIT.
So lang hab ich mich nun mit aller Macht bestrebet /
Das Unkraut / diesen Wust zu meiden und zu fliehn /
Und Jedermann davon mit Eyfer abzuziehn;
Allein der Ubermuht der Menschen ist geschäftig.
Ich bitte dich itzund aus Herzens Grund: sey kräftig /
Dem bösen Dinge feind und abgeneigt zu seyn.
UNWISSENHEIT.
Was sind Comödien?
SCHEINFRÖMMIGKEIT.
Ach bilde dir nur ein
Das schlimmste was du kanst / ich kan dir sonst nichts sagen /
Ich habe nicht einmahl daran gedacht zu fragen.
Ich kenn sie selber nicht / und seh auch keine an:
Allein ich hasse sie / so sehr man hassen kan.
UNWISSENHEIT.
Nun gut / ich haß sie auch / das kost mir wenig Mühe /
Daß ich das schnöde Ding dir zu gefallen fliehe.
SCHEINFRÖMMIGKEIT.
Ich wüste warlich nicht / wozu es nütze war?
UNWISSENHEIT.
Es muß was schändlichs seyn / du hassest sie zu sehr.
Ich will das Meine thun / und ihr in allen Stücken
Stets zur Verhindrung seyn.
SCHEINFRÖMMIGKEIT.
Du must dich aber schmücken
Mit einer Frömmigkeit / die gut von aussen scheint;
Sonst kömst du nicht so weit / als ich und du gemeint:
[15] Man glaubet dir sonst nicht / daß du das Böse fliehest.
Drum wenn du dich zum Fall der Schauspielkunst bemühest /
So schlag die Augen zu / und häng den Kopf recht tief /
Beseufze diese Lust / und wenn der Pöbel schlief /
So weck ihn eiligst auf / der wird dir dienen können;
So darfst du dir allein die Zunge nicht verbrennen:
Dann kanst du mächtig seyn. Setz gar der Weisheit zu /
Und laß ihr weder Tag noch Nacht mit Plagen Ruh /
Daß sie der Schauspielkunst kein willig Ohr verleihet /
Sie zornig von sich stößt und ihren Schutz bereuet /
Nichts von ihr reden hört / die Weisheit ist zwar schlau /
Allein sie ist wie du / und ich / nur eine Frau /
Die man bezwingen kan. Ich will mich itzt entfernen;
Die Ehre soll für dich / wenn du von mir wirst lernen:
Wie du das böse Thier / die Schauspielkunst / verbannst /
Und diesen Greul der Welt ins Meer verjagen kanst.
Ich gehe / lebe wohl.
UNWISSENHEIT.
Ich schwör dir / geh nur hin /
Daß ich der Schauspielkunst wie du gehässig bin.
Jetzunder soll sie sehn / was ich und du vermögen.
4. Auftritt
Vierter Auftritt
UNWISSENHEIT.
Scheinfrömmigkeit kan doch das Herze recht bewegen /
Sonst möcht ich wohl das Ding von Herzen gerne sehn;
Jedoch ich darf mich dieß gewiß nicht unterstehn:
Allein es kömt Jemand / ich muß doch vor den Leuten
Ein wenig frömmer thun / und mich darzu bereiten /
Daß ich mich stellen kan – –
[16]
5. Auftritt
Fünfter Auftritt
Misbrauch, Unwissenheit.

UNWISSENHEIT.
Mein Freund! wo sind wir hier?
MISBRAUCH.
An einem lustgen Ort.
UNWISSENHEIT.
Ich bitte / sage mir /
Wem steht die Gegend zu?
MISBRAUCH.
Das kan ich selbst nicht wissen /
Der Ort ist algemein.
UNWISSENHEIT.
Ich hab mich wundern müssen /
Woher die Pracht entsteht.
MISBRAUCH.
Mich aber wunderts nicht.
Man spielt Comödjen hier bey Tag und auch bey Licht:
Alleine mich verdrüsts / daß sie so lange machen;
Daß noch kein Anfang ist / man hat doch was zu lachen /
Man sieht und höret oft ein närrisch Stückgen mit.
UNWISSENHEIT.
Ach! allerliebster Freund! Ich klage / wein und bitt
Aufs allermöglichste die Sünden Lust zu fliehen
Sie möchte dich sonst gar in ihr Verderben ziehen.
MISBRAUCH.
Ey das verstehst du nicht / ich sinne Tag und Nacht
Auf nichts / als wie man nur Comödjen spielt und macht;
Man solte keinen Tag ohn diese Lust verliehren /
In allen Häusern selbst mit Weib und Kind agiren /
Sie möchten klug und dumm / und endlich närrisch seyn /
Wenns nur ein Schauspiel heist / so lauf ich gleich hinnein:
Die Narren sind für mich bald gar mein ander Leben /
Ich wolte Haab und Guht dafür zum besten geben /
Ich spielte selber mit / wenn ich was lernen könt.
UNWISSENHEIT.
Da seh ich / wie man sich vom frommen Leben trennt.
[17]
MISBRAUCH.
Was fromm? Weist du denn auch was Frömmigkeit bedeutet?
Unwissenheit ist blind / und wenn ein Blinder leitet /
So fällt der / welcher sich zu sehr auf ihn verläßt:
Comödjen müssen seyn / darauf besteh ich fest.
Sie sind das beste Werk von allen frommen Sachen /
Und können mehr bewegt / als jene besser machen.
UNWISSENHEIT.
Nein / Nein / sie taugen nichts.
MISBRAUCH.
Das muß ich auch verstehn /
Sieh / ich will dir zum Trotz gleich in ein Schauspiel gehn:
Was geht es dich denn an? woran ich mich ergötze /
Was ich vor lobenswehrt / und sehenswürdig schätze:
Dein lehren brauch ich nicht.
UNWISSENHEIT.
Du solst es doch nicht thun.
MISBRAUCH.
Du Närrin / laß mich doch für deiner Plage ruhn /
Du solst und kanst mir nichts befehlen und verbiehten.
UNWISSENHEIT.
Ich aber will es doch verwehren und verhüten /
Hier soll man keine sehn.
MISBRAUCH.
Schweig / du erzürnest mich!
UNWISSENHEIT.
Warum bist du so kühn? geh weg und schäme dich.
MISBRAUCH.
Gewis vor dir du Narr!
UNWISSENHEIT.
Das soll dir Schaden bringen.
6. Auftritt
Sechster Auftritt
Pöbel, Misbrauch, Unwissenheit.

PÖBEL.
Ich hab mich mit Gewalt durchs Volk her müssen dringen /
Ich hörte hier ein Lerm / woher entsteht der Streit?
[18]
UNWISSENHEIT.
Ist das nicht strafens wehrt / zu einer solchen Zeit /
An einem solchen Ort die Schauspielkunst vertragen?
MISBRAUCH.
Du wirst sie dennoch nicht aus meinem Herzen jagen /
Ich halte sie so hoch / als ich nur weis und kan /
Und sehe immer gern ein lustges Schauspiel an.
UNWISSENHEIT.
Du solst nicht.
PÖBEL.
sagt mir doch
MISBRAUCH.
Mir dieses zu verwehren?
Ich will den Augenblick alhier ein Schauspiel hören.
PÖBEL.
Was zankt ihr euch darum / das ist ja gut und schön /
Ich bin auch im Begrif mit dir dahin zu gehn:
Es kostet nur zu viel / sonst wolt ich mich bemühen /
Umsonst mein Weib und Kind und Freunde hinzuziehen.
UNWISSENHEIT.
Nein / nein das will ich nicht / bleibt lieber gar davon /
Denn sie verdienen nichts / als lauter Spott und Hohn.
7. Auftritt
Siebender Auftritt
Der verderbte Geschmack, Misbrauch, Unwissenheit, Pöbel.

VERDERBTE GESCHMACK.
O! das ist ärgerlich / ich möchte lieber fluchen /
Ich wolte mir die Zeit jüngst zu verkürzen suchen /
Sonst hab ich nichts zu thun / ich sah ein Schauspiel an;
Allein mich reut das Geld / das ich dabey verthan:
Das ist ein Trauer-Zeug! Da sitzt man wie die Säulen /
Und muß bald selber mit aus Herzens Grunde häulen.
Mir ging es neulich so / daß mich es noch verdrießt /
Daß andre Leute sehn / wo man bezwinglich ist.
Da geh ich nicht mehr hin.
[19]
UNWISSENHEIT.
Mein Freund laß dich umfangen /
Und sey zum letzten mahl zu dieser Lust gegangen.
VERDERBTE GESCHMACK.
Das will ich nicht / ich will / sie sollen lustig seyn.
MISBRAUCH.
Mir sind sie alle gut.
PÖBEL.
Mir auch / ich geh hinein /
Das Geld verdrießt mich nur.
VERDERBTE GESCHMACK.
Das Geld möcht alles gehen:
Allein es ist alda kein Harlekin zu sehen /
Es kömmt ja kein Hans-Wurst Scapin und Kilian /
Kein Pantalon / und wie man alles nennen kan /
Das zu der Lust gehört / man möchte drüber sterben.
UNWISSENHEIT.
Ach helfft das böse Ding viel lieber ganz verderben!
VERDERBTE GESCHMACK.
Ey was! ein lustges Stück ist aller Ehren wehrt.
Man hat es in der Welt von alters her begehrt;
Es ist nichts neues mehr / ich kan kein Schauspiel leiden /
Wenn es nicht lustig ist.
UNWISSENHEIT.
So laß dich doch bedeuten /
Sie taugen alle nichts.
MISBRAUCH.
Das kan nicht möglich seyn /
Das geh ich niemahls zu drum stell dein Tadeln ein.
8. Auftritt
Achter Auftritt
Die Schauspielkunst, Der verderbte Geschmack, Misbrauch, Unwissenheit, Pöbel.

SCHAUSPIELKUNST.
Ihr Freunde! was geht vor / was macht euch so entrüstet?
[20]
UNWISSENHEIT.
Ich weis / ihr gäbt mir Recht / wenn ihr die Sache wüstet.
SCHAUSPIELKUNST.
Ich wundre mich / daß ihr in einen Streit verfallt /
Der mit so starkem Laut in dieser Gegend schallt;
Ihr seyd dem Ansehn nach so ziemlich feine Leute:
Geht / und besänftigt euch
VERDERBTE GESCHMACK
zur Unwissenheit.
Geh du nur auf die Seite.
Die Ursach unsers Streits ist / daß ich lustig bin /
Und die Cömödjen lieb / doch dieser Eigensinn
Verwirfft und tadelt sie. Ein lustges Spiel zum Lachen
Ist alles was ich such.
MISBRAUCH.
Die Leute / die sie machen /
Bekömmt man in der Welt nur dann und wann zusehn;
Es solte gar kein Tag im Jahr vorüber gehn:
Man solte in der Nacht besondre Stücke spielen /
Wenn sie den Leuten gleich nicht allemahl gefielen.
Ich achte weder Stand / noch Geld / noch Schlaf und Wein /
Wenn ich nur immerfort könt in Cömödjen seyn.
SCHAUSPIELKUNST.
Mein Freund! du gehst zu weit / ds muß man nicht gestatten.
PÖBEL.
Da wir sonst auf dem Markt bey uns Comödien hatten /
Da war kein grosser Preis / man sah es ohne Geld;
Jetzt aber steigert sich doch alles in der Welt:
Ich bin der Sache gut /jedoch Geld / was zu kaufen /
Ist immer nöhtiger / und sonderlich zum Saufen.
SCHAUSPIELKUNST.
Ach! überlege doch die Kosten / Müh und Fleis /
Und was man alles braucht. Zehl den geringen Preis /
Den man dafür bezahlt / und denke solche Dinge
Erfordern sehr viel Geld / schätz sie nicht so geringe.
Umsonst ernehret sich kein Würmgen in der Saat /
Das / weil es sich was sucht / davon die Nahrung hat.
Wir Menschen suchen auch durch Menschen mit zu leben /
Wir müssen nützlich seyn / nach allen Pflichten streben /
[21] Daß wir dem Nechsten auch Recht und Genüge thun.
Der Kunst gehöret Lohn / auf Arbeit muß man ruhn /
Der Nutzen theilet sich bey nah in alle Stände
Das Geld vor diese Kunst kömmt in sehr viele Hände.
UNWISSENHEIT.
Hör doch / wer bist denn du?
SCHAUSPIELKUNST.
Ich bin die Schauspielkunst.
UNWISSENHEIT.
Pfuy weg! du Zaubergeist! dein giftig blauer Dunst
Hätt mich bald blind gemacht. Ach Unglück! Ach Verderben!
Ich habe dich gesehn / ach weh! nun muß ich sterben.
Bist du der Greul der Welt? Das Unkraut / das sie plagt.
Ach! die Scheinfrömmigkeit hat mir es wohl gesagt:
Ich stünde in Gefahr.
SCHAUSPIELKUNST.
Was macht dich so verstöhret?
Ach Freundin! nein / du bist wahrhaftig falsch belehret /
Ich kan dir warlich nicht den kleinsten Schaden thun.
Könt ich vor deiner Wuht bey meiner Arbeit ruhn /
Wie frölich wolt ich seyn. Ich muß mich nur beschützen /
Und mit der schwersten Müh nur stets im dunkeln sitzen /
Und komm ich an den Tag / so kömmt ein ganzes Heer
Der Bosheit gegen mich / als wenn ich schädlich wär.
UNWISSENHEIT.
Genug / du bist ein Ding / das ich beständig hasse.
MISBRAUCH.
Komm / mach mir gleich ein Stück / eh ich dich noch verlasse.
VERDERB.
GESCHMACK.
Es muß was lustges seyn.
PÖBEL.
Ich geb kein Geld dafür.
UNWISSENHEIT.
Ach! helft mir alle doch von diesem bösen Thier /
Das mir so schädlich ist.
SCHAUSPIELKUNST.
Ich kan mit allen Gründen
Bey euch gar kein Gehör / Geduld noch Einsicht finden.
[22] Ey nun / so hat die Kunst an sich selbst so viel Licht /
Daß es durch euern Haß / durch die Verfolgung bricht;
Ihr sucht mich allerseits zu stürzen / zu verderben.

Zum Pöbel

Von dir soll ich kein Geld noch Unterhalt erwerben:
Der Misbrauch machte mich recht gerne allgemein:
Und dein verderbter Sinn will immer lustig seyn.

Zur Unwissenheit

Du schmählest nur auf mich / und weist nicht was ich nütze.
Wißt ihr / wodurch ich mich nun gegen euch beschütze?
Mein Bitten rührt euch nicht / ihr bleibt auf euern Sinn /
Wenn ich gleich noch so gut und noch so redlich bin /
So fragt ihr nichts darnach. Seht / ich will euch beschämen /
Und eure Bosheit selbst zur guten Vorschrift nehmen.
Dein Misbrauch lehret mich / wie ich mit Maas und Ziel
Der Welt mein Schauspiel zeig. Wann dir nun das gefiel
So wäre dein Gemüht durch meines gleich gebessert /
Die Thorheit / die bey dir durch Possen sich vergrössert /
Soll mir ein Beyspiel seyn / daß ich / so viel ich kann /
Hans-Wurst und Harlekin von meinem Platz verbann.

Zur Unwissenheit

Dein Haß beweget mich / dich darum doch zu lieben /
Wenn du zum Guten gleich unwissend bist geblieben /
Und immer blind in Tag / und ohne Gründe schließt /
Will ich das niemahls thun / weil es ein Fehler ist;
Dann kan die Weisheit mich versorgen / schützen / lieben:
An euch hilft bessern nicht.
PÖBEL
zornig.
Was? sind wir dumm geblieben /
Bis du uns weise machst? Du bildst dir recht was ein:
Du Narr! kanst ohne mich doch nicht ernehret seyn.
MISBRAUCH.
Verdrießt dichs? daß ich gern allzeit Comödjen sehe /
Wenn sie auch närrisch sind / weil ich sie nicht verstehe.
O! So gewöhn ich mich zu andern Dingen an /
Wo ich mein Geld verthun / und alle machen kan;
So kriegst du nichts davon.
VERDERBTE GESCHMACK.
Ach! last sie doch mit frieden;
Wir sind ja ohnedem sehr leicht von ihr geschieden:
[23] Ihr traurigs Wesen macht / das gar nichts lustges zeigt /
Daß man von Herzen gern und selbsten von ihr weicht.
Sie braucht sich nicht so stolz und trotzig zu erweisen /
Wo man nicht lachen kan / soll das Comödje heisen?
Behalte dein Gehäul / dein Trauerspiel für dich /
Denn es ist ohnedem in keinem Stück vor mich.
UNWISSENHEIT.
So recht ihr Freunde! kommt / helft mir das Thier verjagen /
Wir wollen Jedermann / zu ihrem Schaden sagen /
Daß sie nichts taugt / nichts kan. Dein Eckel ist schon recht:

Zum verderbten Geschmack.

Der hindert sie genug / dabey besteht sie schlecht.
Du Misbrauch! kanst sie nicht nach deinen Willen sehen /
Du must ihr auch daher beherzt entgegen gehen.
Der Pöbel soll umsonst mit aller Uppigkeit
Vor ihren Schauplatz gehn / mit Unfug / Zank und Streit /
Umsonst / auch mit Gewalt in ihre Plätze dringen;
Dann wird das Vögelgen gewislich anders singen:
Dann muß die Obrigkeit den Dingen Einhalt thun.
SCHAUSPIELKUNST.
Ich bitte / laßt mich doch bey meiner Arbeit ruhn;
Ich schade weder dir / noch sonst jemand auf Erden:
Laßt mich doch auch mit euch zugleich ernähret werden.

Zur Unwissenheit.

Du brauchst gewis noch mehr von andern Hülf als ich /
Du schadest mir mit Fleis / und ich sorg doch für dich.
UNWISSENHEIT.
Du solst nun dennoch nicht von mir verschonet bleiben /
Ich will die Weisheit selbst bis auf das Höchste treiben;
Sie soll vor Ungeduld dich nicht vor Augen sehn:
Am Ende wird es doch nach meinem Willen gehn.
Kommt helft mir!
VERDERBTE GESCHMACK
zur Schauspielkunst.
Ja wir sind nun alle deine Feinde.
9. Auftritt
Neunter Auftritt
SCHAUSPIELKUNST.
Wenn ihr mich gleich veracht / und seyd nicht meine Freunde /
[24] Bleibt doch die Weisheit mein / ich folg / ich diene ihr;
Sie nimmt mich willig an / und wirket auch bey mir:
Sie läßt sich auch durch mich beliebt und käntlich machen.
Sie tröstet mich durch sich / und hilfft mich selbst bewachen.
Wer kömmt? Es ist mein Freund / der liebt mich ungemein /
Und ich verehr ihn hoch. Er wird beschäftigt seyn.
10. Auftritt
Zehnter Auftritt
Der erhabene Geschmack, Schauspielkunst.

SCHAUSPIELKUNST.
Er liest und geht für sich noch immer in Gedanken.
Ich schäme mich für ihm / wenn er das laute Zanken
Gehöret haben solt. Jedoch er ist mein Freund.
Erhabener Geschmack! Ders redlich mit mir meynt /
Wie find ich dich alhier in Einsamkeit und Stille?
ERHABENE GESCHMACK
lieset in dem gedruckten übersetzten Trauerspiele Mithridates / und siehet die Schauspielkunst nicht.
Was bringt ein edler Trieb / ein reiner guter Wille
Nicht für Erleuchtung / Muht / Kunst / Wissenschaft und Fleis?
Daß man die Folgen draus nicht gnug zu rühmen weis.
Man sieht in jeder Kunst fast täglich neue Proben;
Man muß der Regel nach itzt gar ein Schauspiel loben /
Das sonst verächtlich war / und keinen Nutzen bracht:
Man schämt sich nun nicht mehr / daß man ein Schauspiel macht /
Verbessert übersetzt / Der Fleis gelehrter Männer /
Der Nutzen von der Kunst / die Lust für rechte Kenner
Steigt itzt verwunderns hoch.
SCHAUSPIELKUNST.
Er ist in sich vergnügt.
ERHABENE GESCHMACK.
Es hat sich nach und nach so wunderlich gefügt /
Daß wackre Leute selbst Schau Spiele sehn und machen /
Die in der Welt geschickt in hohen Ämtern wachen /
In Ehr und Ansehn stehn. Dieß ist der Mithridat /
Den man in Strasburg jüngst wohl übersetzet hat /
[25] Und zwar mit grossen Fleis. Der Mann / den ich verehre /
Verdient das beste Lob / wenn sonst Belohnung wäre /
Den allerbesten Preis. Allein Er hat zum Lohn:
Daß man es spielt und sieht / sonst weiter nichts davon.
Und Er ist doch vergnügt.
SCHAUSPIELKUNST.
Erlaub mir / daß ich frage:
Was du so eyfrig ließt?
ERHABENE GESCHMAK.
Das Buch / von dem ich sage /
Das ist ein Trauerspiel und neulich übersetzt:
Es heiset Mithridat.
SCHAUSPIELKUNST.
Wie hast du mich ergötzt!
Was ist das für ein Glück auf Furcht / Gefahr und Schrecken!
Dadurch kanst du mich recht vom Traum zur Lust erwecken.
Du ehrest dieses Stück / ich ehr es auch mit dir /
Und bin es vorzustelln an Ort und Stelle hier.
Man soll es an dem Fest Carl Fridrichs von uns hören /
Heut wird es aufgeführt. Er schützt – –
ERHABENE GESCHMACK.
Laß dich nichts stöhren.
Du thust gedoppelt recht / ehrst dieses Dichters Fleis /
Und deinen Schutzherrn / der von deinen Regeln weis.
Und sie erkennt / belohnt / bewundert / und beschützet /
Daß deine Kunst bey Ihm ergötzt / erbaut und nützet.
O! daß nach Seiner Huld viel andre möchten gehn!
Daß man im Deutschen Reich dich könt erhalten sehn!
Die schwere tiefe Kunst an der viel Wissenschaften /
Erkäntnis / Wahrheit / Nutz / und solche Dinge haften /
Die den Vernünftigen zur größten Freude seyn.
Sie bessert auch dabey die Fehler ungemein /
Nur man belohnt sie nicht.
SCHAUSPIELKUNST.
Es fehlt noch an der Menge.
ERHABENE GESCHMACK.
Man handelt sonsten nicht beym Uberflus so strenge /
Nur hier ist man genau.
[26]
SCHAUSPIELKUNST.
Laß dieses übergehn.
Ich soll mit wenigem mich doch erhalten sehn.
Es soll mir weiter nichts / als Uberflus gebrechen /
Damit ich allemahl von Herzen könne sprechen:
Seht / was so gar an mir die höhre Macht vermag /
Die seegnet mich / die hilfft – –
ERHABENE GESCHMACK.
Indem ich dich beklag /
So zeig ich dir dabey mein redlich gut Gemühte /
Und sorge / daß ich dir den Schaden nur verhüte.
SCHAUSPIELKUNST.
Ich ehre dich dafür. Allein viel hilft es nicht /
Wenn man gleich dann und wann zu meinem Nutzen spricht.
ERHABENE GESCHMACK.
Warum?
SCHAUSPIELKUNST.
Es hassen mich so viel besondre Leute /
Und die verhindern das.
ERHABENE GESCHMACK.
Ich steh dir an der Seite.
Die Weisheit hat dich lieb / ich bin ihr nah verwandt /
Ich mache dich noch mehr bey der Vernunft bekant /
Daß du ernährt kanst seyn. Was hast du drauf zu sagen?
SCHAUSPIELKUNST.
Der Misbrauch / und noch viel / die wollen mich verklagen /
Die ich theils nennen kan / und theils nicht käntlich find.
ERHABENE GESCHMACK.
Leg nur die Furcht zurück / sey ruhig armes Kind!
Erkenne an der Last die du mit Hindrung trägest /
Daß du die Tugend doch zu diesem Schlus bewegest:
Daß sie dir günstig ist / und dich auch lieben muß /
Hast du gleich nichts zum Lohn als Schaden und Verdrus:
Die Zeit weis oftermahls in allerschwersten Sachen /
Ein Ende / das erfreut / und nützlich ist / zu machen.
[27]
11. Auftritt
Eilfter Auftritt
Der Nutzen, Der erhabene Geschmack, Die Schauspielkunst.

NUTZEN.
Find ich euch hier in Ruh? Weist du denn nichts davon /
Daß man dich hat verklagt?
SCHAUSPIELKUNST.
Ach ja / ich weis es schon.
NUTZEN.
Unwissenheit weis sich der Zeit doch zu bedienen /
Es ist mit ihr zugleich der Misbrauch da erschienen;
Der Pöbel schleichet nach / und überschreyet mich:
Ich komme darum her / mein Kind! und warne dich!
Ich hab das Meine zwar in allem vorgewendet /
Ich weis es / daß sie nichts / als blinder Argwohn blendet /
Das ihre Gründe falsch / auch ihnen schädlich seyn;
Sie dringen aber doch mit Ungestüm hinnein /
Und wollen mit Gewalt die Weisheit selber sprechen:
Ich hielte sie zurück / und kan mich nicht entbrechen /
Davon Bericht zu thun.
SCHAUSPIELKUNST.
Verhindre sie nur nicht.
Wer weis / ob nicht ihr Wort durch klagen für mich spricht.
Laß sie die Weisheit nur mit ihrem Schreyen hören /
Sie lässet sich niemahls durch falschen Schein bethören;
Ich kenne sie zu gut.
NUTZEN.
So mögen sies denn thun.

Zum Erhaben Geschmack.

Das andre wird auf dir und deinem Fleis beruhn.
Du stehst der Weisheit ja beständig an der Seiten /
Aus dem was du befiehlst / muß ich das erst bereiten
Was allen Nutzen schafft; Begleite sie dahin /
Und sprich das Wort für sie / weil ich zu wenig bin.
SCHAUSPIELKUNST
zum Nutzen.
Mein Freund! ich danke dir / den brauchst du nicht zu bitten.
Ich bin bey diesem Freund im höchsten Grad gelitten.
[28]
Stünd es in seiner Macht / ich trüg den reichsten Lohn /
Die größte Billigkeit / den größten Ruhm davon.
NUTZEN.
Hier kömmt die Weisheit selbst.
SCHAUSPIELKUNST.
Die will ich tief verehren.
12. Auftritt
Zwölfter Auftritt
Die Weisheit, Erhaben. Geschmack, Nutzen, Schauspielkunst.

WEISHEIT
im herausgehen.
Ich muß den andern Theil mit seiner Antwort hören.

Zur Schauspielkunst.

Man giebt sich viele Müh / und sucht mit aller Macht /
Wie man dich gegen mich aufs schändlichste veracht.
SCHAUSPIELKUNST.
Ich schweige / denn du kanst die Wahrheit schon ergründen /
Und wirst mein Recht zugleich in ihrer Klage finden.
WEISHEIT.
So überläßt du dich in allem meiner Macht?
SCHAUSPIELKUNST.
Steh ich darinnen fest / so hab ichs hoch gebracht;
Denn weiter wünsch ich nichts.
WEISHEIT.
Nun wohl / so sey zu frieden
Wie ich dein ganzes Werk gefunden / unterschieden /
Und auch beurtheilt hab.
SCHAUSPIELKUNST.
Ach ja von Herzen gern;
Daß ich dich auch in mir noch mehr erkennen lern /
Und dich mehr ehren kan.
WEISH.
Ich will dich selbst beschützen.

Zum Erhaben Geschmack.

Sey du ihr Beystand auch / du kanst ihr vieles nützen /
[29] Daß sie in jedem Land mit kan erhalten seyn.

Zur Schauspielkunst.

Die Beßrung deiner Kunst wird endlich allgemein /
Erkäntnis / Glück / und Lohn / und solchen Schutz erlangen /
Daß die dich sehen / auch selbst Nutz daraus ermpfangen;
Halt ihre Gegenwart und ihren Beytrag wehrt.
Dies ist was deine Pflicht und mein Befehl begehrt.
13. Auftritt
Dreyzehnter Auftritt
Erhaben. Geschmack, Nutzen, Schauspielkunst.

SCHAUSPIELKUNST.
Nun kan mich kein Verdrus und Unglücksfall mehr rühren.
Ihr beyde seyd genung mich also zu regieren /
Daß ich zufrieden seyn und ruhig leben kan;
Tref ich gleich hier und da noch viel Verhindrung an.
NUTZEN.
Das / was dich hindert / sind die unerkanten Dinge /
Man schätzt sie meistens zwar verächtlich und geringe /
Und dennoch schaden sie. Was dich zurücke schlägt /
Ist dieses: daß die Kunst so einen Namen trägt /
Dem sich ein jeder Schwarm zusammgelaufner Leute
Selbst geben darf und giebt. Man sieht auf einer Seite
Dich auch dem Namen nach für solch Gesindel an /
Das dir / sich / und der Welt viel Schaden hat gethan /
Und manchen klugen Mann so weit damit bethöret /
Daß er das schlechte Zeug vors Beste angehöret /
Daher kömmt dein Verlust. Der Spott / der dich betrift:
Das ist vor deinem Fleis der allerstärkste Gift /
Der dich und ihn verletzt / die Einsicht von dir haben /
Erkennen dieses wohl. Indeß brauch deine Gaben /
Damit du nützen kanst. Gieb jeder Wissenschaft
Die Käntnis / brauche sie mit ihrer rechten Kraft /
Und richte dich darnach so gut / als dein Vermögen
Dich dahin kommen läßt / sie recht an Tag zu legen:
[30] Daß man den Unterscheid von deiner Kunst erkennt /
Ob man euch beyde schon mit einem Namen nennt.
Man muß die Welt mit dir / und dich mit ihr vergleichen /
Es muß ein braver Mann oft einem Bösen weichen:
Es gibt auch böses Volk in ihr / als wie bey dir:
Es gehn daneben auch so schlechte Dinge für.
Sie sind einander auch zuwider und gehässig /
Faul / trotzig / boshaft / dumm / ja glaube zuverlässig:
Die Welt beklaget sich mit dir im gleichen Tohn.
Verfolget man dich nun / spricht man dir boshaft Hohn /
So sorge / daß du die Verfolgung nicht verdienest /
Und dich aus eignem Trieb zu rächen nicht erkünest!
Stößt dir ein Schaden zu / so sey dahin bedacht /
Daß keine Uppigkeit von dir den Schaden macht.
Wirst du vom sorgen matt / und von der Arbeit müde /
So suche deine Lust in Tugend / hege Friede /
Und ruh in dem Geschmack vernünftger Kenner aus /
Zieh ihren wahren Ruhm / und dir ein Vorbild draus.
Und ist dein kleiner Raum gleich ziemlich eingeschlossen /
So bleibe unverzagt! Sey fleissig unverdrossen!
Ach! sey nur nicht besorgt / daß da das Wichtigste
Auf diesem kleinen Raum / wie in der Welt gescheh.
Du must die grosse Welt durch diese käntlich machen /
Der Spiegel zeiget ihr die gut und bösen Sachen:
Der Unterschied davon fällt jedem ins Gesicht:
Dazu schenkt die Vernunft und Weisheit gern ihr Licht.
SCHAUSPIELKUNST.
Das soll mich durch die Welt / durch die Verhindrung führen.
Von deinem Unterricht will ich kein Wort verliehren.
[31]

An die Zuschauer in Lübeck

An die Zuschauer in Lübeck:

Ihr! die ihr also uns und unsre Spiele seht /

Sie liebet / untersucht / und aus dem Grund versteht /

Verwundert Euch ja nicht / daß ich Euch Nachricht gebe /

Wornach ich mich mit Fleis und aller Macht bestrebe.

Vor Euern Beytrag hab ich Dank und Schuldigkeit /

Ich ehr Euch hier so sehr als in Abwesenheit /

Und hab Euch andern schon zum Muster vorgeschrieben;

Ich bin einmahl bey Euch schon ohne Schaden blieben /

Und hoff: Ihr schenket mir auch itzund Eure Huld /

Damit ich nicht umsonst / und ohne meine Schuld

Bey euch verlieren muß. Es kan Euch wenig schaden /

Ihr könt / was ihr mir gebt / noch alle wohl entrahten /

Wenn die Gewohnheit nur die Zeit vergönnen wolt:

Genug! Daß ihr es nicht an uns bereuen solt.

Ich dank Euch / daß Ihr uns an diesem Fest wolt sehen /

Wir können es aus Pflicht nicht schweigend übergehen.

Die Ehrfurcht heisset es durch ihren edlen Trieb /

Ihr habt die Billigkeit und die Erkäntnis lieb.

Wir haben Euch zugleich dadurch mit wollen ehren /

Und SEINEN Ruhm bey Euch / bey IHM auch Euern mehren.

Ihr liebt die / so ER schützt / und nehmt sie freundlich ein /

Daß muß IHM angenehm / wie uns erfreulich seyn.

Wir wünschen IHM mit Recht ein hohes langes Leben!

Und wollen IHM und Euch Dank vor die Wohlthat geben.

[Schlußspruch]

Schweizerisch: Gedicht:

Ihr werdet alles schön und doch verschieden finden,

Und den zu reichen Schatz stets graben, nie ergründen.

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TextGrid Repository (2012). Neuber, Friederike Caroline. Dramen. Die von der Weisheit wider die Unwissenheit beschützte Schauspielkunst. Die von der Weisheit wider die Unwissenheit beschützte Schauspielkunst. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-5FDE-4