An Melinden

B.N.


Schönste der seelen/ ich muß es bekennen:
Daß mich dein augen-blitz endlich besiegt/
Daß ich vor liebe wie feuer muß brennen;
Weil mir mein hertze selbst wunden zufügt;
Und wieder mich kriegt.
Drum setze mir/ o meine zier!
Die schaalen der himmlischen lebens-krafft für/
Und laß mir die morgen
Der traurigen sorgen/
Die täglich in meinen gedancken entstehn/
Mit rosen auffgehn.
Zwar ich betadle mein kühnes verlangen;
Denn ich bin gegen dir freylich zu schwach:
Aber der purpur der lachenden wangen
Mehret mein winseln und seuffzendes ach/
Und zieht mich dir nach.
Stürtzt nun dein schertz mein treues hertz/
[460]
Wie flammen die motten in tödlichen schmertz;
Wie hast du Melinde/
Denn was ich empfinde/
Und was mich noch täglich mit dornen verletzt/
So gringe geschätzt?
Schau/ wie ich armer in thränen zerfliesse/
Wie mir mein hertze vor trauren verschmacht;
Weilen dein safftiger balsam der küsse/
Andern die lippen zu nectar-thau macht/
Mich aber veracht.
Doch schmertz und leid wird mit der zeit
Nicht anders als nebel durch sonnen zerstreut;
Drum hoff ich auff lachen
Auch mitten im krachen/
Wie lächzende muscheln in wäßriger grufft/
Auff morgen und lufft.
Nun ach! mein engel/ du kanst mich erretten;
Höre doch endlich mein liebes-geschrey!
Trenne die stricke/ zermalme die ketten/
Reiß die beschwerlichen fessel entzwey/
Und mache mich frey.
Du hast gesiegt. Ich bin bekriegt.
Schau/ wie dir dein diener zun füssen hier liegt.
Ach laß dich des armen
Doch endlich erbarmen/
Und kühle durch qvellen bezuckerter flut
Die traurige glut.
Wilst du denn lebenslang eisern verbleiben?
Ist denn dein hertze von stahl oder stein?
Soll ich mich ewig zum sclaven verschreiben?
Oder soll diese verbitterte pein
Mein liebes-lohn seyn?
Ich liebe dich! du hassest mich!
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Doch deine gedancken verfinsteren sich/
Und werden von fernen/
Noch endlich erlernen/
Daß du mich unschuldig zum tode verdammt/
Da du mich entflammt.
Kanst du dich aber nicht meiner erbarmen/
Wilst du gleich ärger als tiegerthier seyn;
So reist dein grausam-seyn dennoch mir armen/
Durch die mit unglück erfüllete pein/
Das hertze nicht ein.
Ich bin getreu/ und schwere frey:
Daß niemand an liebe beständiger sey.
Du hast mich betrübet/
Weil ich dich geliebet.
Ich aber muß/ weil ich dich/ schönste/ gesehn
In flammen vergehn.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Neukirch, Benjamin. Gedichte. Gedichte. An Melinden. An Melinden. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-6014-1