[245] Lob-Schrift über den andern theil Arminius/ des Herrn von Lohenstein

B.N.


Der weißheit muster-platz/ das witzige Athen/
Ließ einst Minervens ruhm im tempel auffzusetzen/
Befehl an den Alcmen und Phidias ergehen:
Sie solten beyderseits ihr bild in marmel ätzen.
Die arbeit ward vollbracht; Die urtheil lieffen ein.
Und endlich ward der preiß dem ersten zugesprochen;
Weil iede linie weit schärffer ausgestochen/
Die stellung aber schien von mehrer kunst zu seyn:
Und menschen insgemein mit maulwurffs-augen schauen/
Was sie/ wie luchsen/ doch sich zu ergründen trauen.
Doch wie ein seiden-wurm in raupen sich verkehrt;
So muste ieder auch ein ander urtheil fällen;
Nachdem dem Phidias sein bitten ward gewährt/
Und man die bilder ließ auff hohe säulen stellen.
Denn nunmehr machte sich der fehler offenbar/
Und ließ die kluge welt aus allen gliedern lesen:
Daß des Alcmenens witz im maase blind gewesen/
Und Phidias sein werck von gräder theilung war.
So gar kan wissenschafft/ wie silber von der erden/
Durch eil und unverstand offt überwogen werden.
Wer der gelehrten welt in ihren tempel gehn
Und eine gleichung will mit bild und büchern machen/
Wird lernen/ daß wir noch/ nicht anders als Athen/
Durch frühes urthel offt das beste werck verlachen.
Denn wem ist wohl der streit der federn nicht bekandt;
Wer weiß nicht/ wie sich wesp' und honigseim verbinden?
Die meisten fliegen sind bey marcipan zu finden;
Die schönste stirne wird von warmer lufft verbrannt;
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So wird der besten schrifft/ nachdem sie nur gebohren/
Auch die verleumdung bald zum schatten auserkohren.
Der weise Plato ward vom schüler schon verlacht;
Der güldne Cicero vom Crispus umgetrieben.
Polybius wird noch in schulen offt veracht;
Da keiner doch so treu von Deutschen hat geschrieben.
Scioppius verwirfft den klugen Tacitus;
Weil er der laster brunn im Nero nicht verschwiegen:
Ja Strabo suchet schon im Metrodorus lügen/
Und hat an mängeln doch selbst einen überfluß.
So artig wissen wir durch urthel unsre flecken/
Wie parden ihre haut im laube/ zu verstecken.
Ein eintzig kopff gebührt offt tausendfachen streit/
Gleichwie ein finsterniß im meere tausend wellen.
Drum schilt Riccobonus der Römer lieblichkeit/
Weil ihre federn nicht nach seiner zunge quellen;
Und meynt/ daß Plinius viel worte nur geschmiert/
Der Tacitus zu rauh/ und Flor zu kurtz geschrieben;
Sveton und Spartian die sprache schlecht getrieben/
Und endlich Marcellin zu harte reden führt.
Als ob der sonnen licht die strahlung von den sternen/
Rom aber römisch noch von kindern solte lernen.
Der alten possen-spiel trifft auch die neue welt/
Nur daß person und platz im spiele sich verkehren.
Des Cominäus ruhm/ den Gallien erhält/
Sucht Mejer/ wie der blitz die cedern/ zu verzehren.
Sleidanus arbeit wird von vielen schlecht geschätzt/
Und hat/ wie Strada/ schon ihr urthel recht erlitten.
Wie hatte den Thuan Baptista nicht verschnitten?
Wie ward dem Lipsius die feder nicht gewetzt?
Und was will Cromer nicht vor fehler andern zeigen/
Die doch bey dutzenden aus seinen schrifften steigen?
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Das macht/ die meisten seyn vor grossem eyffer blind/
Und führen gall und zorn im kopffe wie sardellen:
Drum kan ihr urthel/ das von wermuth fast zerrinnt/
Wie quitten nicht zugleich mit mußcateller qvellen.
Den andern mangelt gar zuweilen der verstand/
So wie den krebsen blut/ und wilden bäumen feigen:
Ja wenn ihr geist sich soll im alterthume zeigen/
So ist den ärmsten offt das jota kaum bekandt;
Und dennoch soll ihr ruhm nach tausend klugen Griechen/
Und ihre feder/ wie Cardanus athem/ riechen.
Doch rechte weißheit bleibt so wenig unterdrückt/
Als Pyrrhus edles hertz im feuer kan verbrennen.
Denn sterne werden doch durch glaß und kunst erblickt;
Und purpur lernet man bey reinem purpur kennen:
So steigt der bücher glantz auch endlich himmel an/
Wenn ihre schrifften sich auff hohe säulen stellen.
Das ist: wenn witz und fleiß das urtheil drüber fällen/
Und der gelehrten spruch dem pöfel dargethan:
Wie wenig den Bodin ein Sergius erreichen/
Und sich Pallavicin kan einem Svavis gleichen.
Die arbeit Lohensteins hat beydes schon erlebt/
Eh noch ihr wesen recht zu leben angefangen.
Denn vielen ist der ruhm/ der ihren geist erhebt/
Nicht anders als der senff in nasen auffgegangen;
Viel haben ihren mosch mit pfeffer überstreut/
Und nur wie Araber den balsam angerochen;
Biß recht und klugheit ihr die palmen zugesprochen/
Und endlich wahr gemacht: daß eyfersucht und neid/
Wie dünste/ durch die glut der sonnen auff der erden/
Durch schrifften zwar erregt/ doch auch gebrochen werden.
Itzt tritt der andre theil in die gelehrte welt/
Sich an dem ehrenpreiß des ersten zu ergetzen/
Und will den blumen-tantz/ den jener vorgestellt/
Durch einen wunder-streit von bäumen hier ersetzen.
Vielleicht zum zeugnisse: daß rosen und jesmin/
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Doch am geruche noch dem myrrhen-saffte weichen/
Chineser äpffel mehr als liljen anmuth reichen/
Und bücher insgemein mit grosser arbeit blühn;
Im schliessen aber so wie reiffende morellen/
Auch von sich selber offt mit süssem zucker qvellen.
Und warlich allzu recht. Denn dorten blitzt der krieg/
Und läst das teutsche reich in flammen fast zerfliessen;
Hier schleußt Arminius den friedens-vollen sieg/
Und hat das vaterland der Römer macht entrissen.
Das erste haben schon die barbarn ausgedacht;
Hier aber werden viel die klugen lehren finden:
Daß/ wer den frieden will auff blosses eisen gründen/
Ihn/ wie oliven-safft in bley/ zu nichte macht/
Und fürsten rühmlicher mit schlauen crocodilen/
Durch weichen und verstand/ als scharffe waffen spielen.
Wo aber heb' ich an/ den ungemeinen geist
Des edlen Lohensteins nach würden auszudrücken?
Der/ was in andern man nur glieder-weise preist/
Hier voller wunder läst aus einem buche blicken.
Denn auch gelehrte sind mit ihrer phantasey/
Wie affen offtermahls mit honig/ nicht zu füllen;
Drum mißt Mirandula der grobheit tausend grillen/
Und Anaxagoras dem monde berge bey.
Er aber war bemüht/ wie bienen zu ergründen/
Wie man viel blumen soll in einen teig verbinden.
Der menschen erstes licht ist himmel und natur/
Wie schwefel-werck und saltz das leben dieser erden.
Ein unvernünfftig thier muß witzig durch die spur/
Die seele durch vernunfft zu einem engel werden.
Wer sieht nicht/ was sein fleiß vor proben abgelegt?
Wie er das kluge wachs der alten umgegossen/
Den geist des Socrates von neuem auffgeschlossen/
Den weisen Seneca Thusnelden eingeprägt/
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Und endlich durch sein licht im schreiben mehr erwiesen/
Als man an dem Petrarch' und Loredan gepriesen.
Die staats-kunst/ die nechst Gott des scepters auge seyn/
Und fürsten/ wie den leib der schatten soll bedecken/
Schleußt er weit lustiger in liebes-zucker ein;
Als sie Savedra weiß in bilder zu verstecken.
Der tieffe Gracian legt seinen Ferdinand/
Wie eher sich August/ vor seinem Hermann nieder.
Uns aber scheint der glantz der alten zeiten wieder;
Weil wir des letzten bild im Leopold erkannt/
Und uns ein Lohenstein in alten finsternissen
Die sonne dieser zeit so artig abgerissen.
Doch staats-gedancken sind in fürsten kinder-art/
Denn beyde pflegen sich beym feuer zu verbrennen/
So lange nicht ihr witz sich mit erfahrung paart/
Und sie ihr ungelück aus fremder angst erkennen.
Drum laufft sein eyffer auch in die vergangne welt/
Und forscht/ woher der brunn der Deutschen sey entsprungen/
Wie weit der Marobod den degen hat geschwungen/
Und das verhängniß Rom die grentzen ausgestellt?
Doch so/ daß mehrentheils gleich wie in purpur-schnecken/
Die perlen neuer zeit in alten schalen stecken.
Diß ernst-erfüllte werck mischt sein geübter geist/
Wie köche kostbar fleisch mit süssen mandel-kuchen/
Wenn er die eigenschafft der dinge besser weist/
Als Schott- und Lemnius mit vieler arbeit suchen:
Bald auch den gottesdienst der alten welt betracht/
Und seine fehler weiß im grunde vorzustellen/
Zu zeigen/ daß auch most den magen kan vergällen;
Der beste bisem offt wie knobloch eckel macht/
Und lehren/ wenn wir sie zu viel und häuffig brauchen/
Wie falscher weyrauch leicht ohn alle glut verrauchen.
Ich weiß nicht/ ob ich auch noch von der poesie/
Der feder Lohensteins soll ihren ruhm erheben?
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Denn verße kosten so/ wie blumen/ grosse müh/
Da beyde mit der zeit doch keine früchte geben.
Und hat auff erden gleich ein Constantin regiert/
Der nur in seinen rath poeten auffgenommen;
So sind doch hundert schon in seine stelle kommen/
Die dieser köpffe gold mit flecken angeschmiert/
Und eher gips und kalck/ und stumme marmel-götzen/
Als einen Sannazar/ auff ihre schrancken setzen.
Diß aber weiß ich wohl/ daß diese kluge schrifft/
So wie Erasmus werck aus krancker hand entsprossen;
Wenn nun ein Plautus ihm noch ehren-mahle stifft/
Weil ihm bey mühlen offt das beste spiel geflossen;
Ein Magius sich rühmt/ daß er ein grosses Buch/
Wie Campanella gar in fesseln hat geschrieben;
So fordert ja der geist/ der diesen kiel getrieben/
Zur dinte ceder-safft/ zur taffel purpur-tuch;
Weil unser Lohenstein bey kranckheit und bey sorgen
Ihm öffters auch die zeit zum schreiben muste borgen.
Drum splittert/ wie ihr wolt/ ihr richter kluger welt/
Und macht durch urthel euch zu grossen bücher-riesen/
Diß/ was eur unverstand an dieser schrift vergällt/
Hat/ eh' ihr sie gesehn/ schon der verstand gepriesen.
Ein buch geht wie der meth nicht allen lieblich ein;
Weil viel wie kinder sich am schatten auch ergetzen;
Die klugheit nur allein kan hohe seelen schätzen;
Und die geheimnisse noch unergründet seyn/
Warum die rosen nur den bienen geist und leben/
Den käfern aber nichts als tod und eckel geben.

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TextGrid Repository (2012). Neukirch, Benjamin. Gedichte. Gedichte. Lob-Schrift über den andern theil Arminius. Lob-Schrift über den andern theil Arminius. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-60C1-E