[219] 25. Am Charfreytage

Esa. 52. 53.

Auff den 51. Psalm

Herr Gott, nach deiner grossen Gütigkeit.


Merck auff, mein Knecht wird nicht mehr Elend seyn,
Er wird sein Haupt für aller Welt erhöhen,
Wird für und für in vollen Ehren stehen,
Der zwar zuvor hatt einen schlechten Schein;
Wenn mancher sich hoch ärgern über dir
Und sagen wird, daß nichts auff aller Erden
So scheußlich sey, daß gar kein Mensch allhier
Dem Ansehn nach so häßlich könne werden.
Er aber wird sich machen klar und kundt
Den Heyden selbst und seine Schönheit zeigen;
Die König' auch die sollen für ihm schweigen,
Verwundert stehn, nicht öffnen ihren Mund.
Wer sonst von ihm nie worden ist gelehrt,
Wird Freude sehn an seinen grossen Wercken:
Was niemand nicht hat für der Zeit gehört,
Das werden sie mit stillen Ohren mercken.
Wer aber ist's, der unser Wort annimpt?
Wem bleibt der Arm deß Herren unverborgen?
Er springet auff, als wie ein Kraut zu Morgen
Und schwaches Reiß auß dürrem Boden kompt.
Sein Ansehn war sehr ungestalt und arg,
Man sah' ihn fast für Qual und Pein verschmachten,
Daß auch viel Volck sein Antlitz für ihm barg
Und wolte nicht im minsten seiner achten.
Jedennoch nam er uns're Kranckheit an,
Er lud auff sich die Bürden unsrer Schmertzen;
Noch waren wir der Meynung in dem Hertzen,
Es hett' ihm Gott diß Leiden angethan.
Wir sind es selbst, was ihn verletzet hat,
Für unsre Schuld hat er die Angst empfunden,
Uns wol zu thun trug er die Missethat,
Wir sind geheilt durch seine theure Wunden.
Wir waren irr, wir lieffen her und hin,
Nach unsrer Lust, mit unbedachtem Rennen,
Wie Schaffe thun, so keinen Hirten kennen,
Doch warff der Herr die Sünden gantz auff ihn.
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Er hat sich nie geweigert seiner Pein,
Als wie man sieht ein Lamb zur Schlachtbanck kommen
Und wie ein Schaff gedültig pflegt zu seyn,
Wann etwan ihm die Wolle wird genommen.
Er aber ist errettet auß der Noth.
Wer ist der Mensch, der seine Zeit nun zehlet?
Er ward geplagt, ward für mein Volck gequelet,
Für dessen Schuld gieng er auch in den Todt.
Man übergab ihn der Gottlosen Schar,
Deß reichen Hand, der ihn hatt tödten sollen,
Weil kein Betrug in seinem Munde war,
Der Herr hat ihn mit Kranckheit martern wollen.
Nun er dann nie gedacht zu wiederstehn
Und willig sich zum Opffer hat gegeben,
So wird hernach sein Samen immer leben,
Deß Herren Werck durch seine Hände gehn.
Er wird schon sehn nach kurtzer Zeit Gedult
Die beste Lust, die Füll' in allen Sachen.
Mein Knecht der wird die andern, derer Schuld
Er auff sich nimpt, wie sich gerecht auch machen.
Drumb will ich ihn mit Herrligkeit und Pracht,
An reicher Beut' und Gaben hoch erheben,
Will grossen Raub ihm außzutheilen geben
Mit seiner Schar, die er gerecht gemacht,
Dieweil er sich dahin gelassen hat,
Ist in die Zahl der Bösen selbst getretten,
Hat sich beschwert mit frembder Missethat
Und für die Schuld der Sünder noch gebetten.

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TextGrid Repository (2012). Opitz, Martin. 25. Am Charfreytage. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-6199-2