Salomons hohes Lied

[1627.]

Das erste Lied

Die Sulamithinn.

Liebster (sagt in süssem Schmertzen
Deine Sulamithinn dir)
Komm doch, saget sie von Hertzen,
Küsse mich, o meine Zier;
Deine Huld ist zu erheben
Für deß schönsten Meines Reben.
Dein Geruch der ist viel besser
Als der feist' Olivensafft
An dem Syrischen Gewässer,
Als deß Balsams edle Krafft.
Darumb müssen auff dich schauen
Und dich lieben die Jungfrauen.
Zeuch mich hinter dir; wir kommen,
Folgen deinen Händen nach!
Nun er hat mich eingenommen,
In sein heilges Schlaffgemach,
Will mich wissen an den Enden
Wo sich meine Brunst kan wenden.
[257]
Wem darff ich am Glücke weichen,
Weil mich der so sehnlich liebt,
Dem kein Wein ist zu vergleichen
Den die beste Traube gibt?
Alle Leute welche leben
Müssen meinen Freund erheben.
Meint ihr, daß ich minder gelte,
O ihr Töchter Solyme,
Weil ich schwartz bin wie die Zelte
An der heissen Morensee?
Köndt' ich Schönheit doch noch leihen
Salomons Tapezereyen.
Daß ich braune Haut gewonnen
Seht mich darumb nicht so an;
Ich bin schwartzbraun von der Sonnen,
Ihre Brunst hat diß gethan,
Seit daß mich in Zorn und Hassen
Meiner Mutter Kinder fassen.
Ich must' ihnen stets verwachen
Ihre Berg' und ihren Wein,
Ihre Berge, welche machen
Daß ich jetzund schwartz soll seyn.
Aber mein Berg blieb nur liegen,
Weil ich muste sie vergnügen.
Sag', o Sonne meiner Seele,
Sage doch, wo weidest du?
Welchem Thale, welcher Höle
Gönnst du deine Mittagsruh?
Wo doch pflegst du jetzt zu schlaffen,
Mein gantz Ich, mit deinen Schaffen?
Soll ich dann in frembden Stellen
Irrig gehen auß und ein
Weit von deinen Mitgesellen,
So dir pflegen huld zu seyn,
Soll ich ungebührlich lauffen
Von der guten Freunde Hauffen?
Salomon.

O du schönest' aller Frauen,
Weissest du nicht, wo ich bin,
Den du wüntschest anzuschauen,
So verfüge bald dich hin
In den Fußpfadt meiner Herde,
Da ich mich befinden werde.
Treib du deine junge Ziegen,
Wo die schönen Wiesen stehn,
Wo die andern Hirten liegen
Oder in dem Grase gehn,
Wo sie ihre dicke Scharen
Lustig weiden und bewahren.
Wie für andern Wagenpferden
König Pharons seine Schlacht
Billich soll gelobet werden,
So muß ich auch deine Pracht,
Deinen güldnen Glantz erheben,
O mein Liecht, mein Trost und Leben.
Deine bräunlicht rote Wangen,
Welche meine machen bleich,
Stehen lieblich in den Spangen,
Sind durch grossen Zierath reich:
Und dein Halß trägt edle Steine,
Die er übertrifft am Scheine.
Nun wir wollen noch mehr Sachen
Bringen lassen dir zur Zier,
Und ein neues Halßbandt machen
Das für allen leuchte für:
Spangen sollen dir gefallen
Von den köstlichen Metallen.
Die Sulamithinn.

Weil der König und sein Leben
Sich gebrauchten ihrer Zeit,
Muste meine Narden geben
Den Geruch der Liebligkeit,
Muste Lufft und Ort erfüllen
Weil sie ihre Liebe stillen.
[258]
Könte mein Gemüth auch irren?
Mein Hertzliebster kompt mir für
Als ein Büschlein frischer Myrrhen
Zwischen meiner Brüste Zier,
Als die Trauben, welche stehen
Auff deß Flecken Engadts Höhen
Salomon.

Meine Schönste, meine Wonne
Deines gleichen lebet nicht;
Du bist aller Schönheit Sonne;
Deinen Augen, o mein Liecht,
Müssen Taubenaugen weichen,
Ihrem Glantz' ist nichts zu gleichen.
Die Sulamithinn.

Du bist schön' und außerlesen;
Unser Bette grünet wol;
Unser Cedern-Zimmerwesen
Und der Bau ist Schönheit voll;
Zu den Decken sind Cypressen;
Nichts ist an der Lust vergessen.

Das andere Lied

Salomon.

Wie die Rose pflegt zu stehn
In den hohen Saronswäldern,
Wie die Lilie auff zu gehn
In denselben grünen Feldern.
Wann die Sonne zeiget sich,
Also bin in gleichen ich.
Salomon.

Wie der güldnen Rosen Zier
Unter scharpffen Dörnern blühet
Und für ihnen ragt herfür;
Wie ihr schöner Glantz aussihet,
So muß meiner Liebsten Schein
Unter andern Töchtern seyn.
Die Sulamithinn.

Wie ein Oepffelbaum der Frucht
In dem reichen Herbste treget
Für den Bäumen wird gesucht
Die man ohne Nutzen heget;
So weit blickt deß Liebsten Zier
Für den andern Söhnen für.
Was ist besser, als daß ich
Wann mich brennt die Sommerhitze
Seiner Frucht gebrauche mich,
Unter seinem Schatten sitze?
Dann zu meiner Kehlen Lust
Ist mir Süssers nichts bewust.
In die Keller unterhin
Will er mich zum Weine führen;
Daß ich frey und sicher bin
Deckt er mich mit Liebspanieren,
Seine treue Liebe macht
Daß mein Sinn deß Glückes lacht.
Wo der Wein darinnen steht
Stützet mir die Legel unter,
Dann mein Hertze das vergeht.
Machet mich mit Oepffeln munter,
Liebes-Kranckheit kömpt mich an,
Daß ich nicht mein selbst seyn kan.
Er hat seine lincke Hand
Unter meinem Häupte liegen,
Als der wahren Liebe Pfandt
Und mein eusserstes Genügen;
Und umb meinen Leib und mich
Schlägt er mit der Rechten sich.
Salomon.

O ihr Töchter Solyme,
Ich beschwer' euch bey den Rehen
Die zu Feld' und auff der Höh'
In der feisten Weide gehen,
Weckt mein Lieb nicht auff mit Macht
Biß sie von sich selbst erwacht.
[259] Die Sulamithinn.

Hör' ich meinen Liebsten nicht?
Seh' ich ihn nicht zu mir dringen?
Schaue doch mein werthes Liecht
Auff den weisen Hügeln springen,
Wie ein Rehbock sich erzeigt
Und die wilde Gemse steigt.
Hat er sich doch schon allhier
Hinter unsre Wand begeben,
Sieht durchs Fensterlied herfür,
Durch das Gitter schaut mein Leben,
Singt auffs lieblichst' als er kan
Und hebt also zu mir an:
Salomon

Komm, o Schöne, wo ich bin,
Auff, Lieb, stille mein Verlangen;
Schnee und Eiß ist überhin,
Sturm und Regen sind vergangen,
Das vorhin bereiffte Land
Wird in Blumen umbgewandt.
Nichts ist traurig, was man sieht,
Freude steckt in allen Dingen,
Wald, Feld, Berg und Wiese blüht,
Die verliebten Vögel singen,
Und die Turteltaube rufft
Ihrem Buhlen auß der Lufft.
Der fast blaue Feigenbaum
Hat viel Knotten schon gewonnen,
Und der Weinstock hält sich kaum,
Krieget Augen von der Sonnen,
Sein Geruch macht sich herfür;
Komm, Lieb, Schöne, komm zu mir.
Meine Taube, die du dich
Setzest in Gebirg und Klippen,
Laß die Schönheit schauen mich,
Laß mich hören deine Lippen;
Nichts ist daß der Stimme gleicht,
Der Gestalt ein jeder weicht.
Leidet nicht die Füchse mehr,
Schlaget ihre Jungen nieder,
Die den Weinberg also sehr
Uns verwüsten hin und wider,
Dann er jetzt kaum wird gehegt,
Und noch wenig Beeren tregt.
Die Sulamithinn.

Der mich mehr noch liebt als sich,
Der nur mich liebt und sonst keine,
Der ist mein' und sein' auch ich,
Seine bin ich und er meine:
Lilien sind ihm eine Lust,
Und Violen seine Kost.
Wann der rothe Tag anbricht,
Wann der Schatten ist vergangen,
Komm alsdann und säume nicht,
Komm herwieder, mein Verlangen,
Wie ein Rehe sich erhebt,
Das auff Bethers Alpen lebt.

Das dritte Lied

Die Sulamithinn.

Nach dem ich lag in meinem öden Bette,
Sucht' ich mein edles Liecht,
Ich sucht', ob ich den Liebsten bey mir hette,
Ich fand ihn aber nicht.
[260]
Mich zwang die Brunst das Lager zu verlassen:
Ich lauffe, was ich kan
Hin durch die Statt, such' umb auff allen Gassen
Und treff' ihn doch nicht an.
Ich fragte drauff die Wächter auß Verlangen:
Wißt ihr mein Leben nicht?
Und als ich war ein wenig fortgegangen
Da fandt ich erst mein Liecht.
Ich grieff ihn an, begierig ihn zu zwingen
Zu meiner Mutter hin;
Ich must' ihn doch biß in ihr Hauß heimbringen
Und in die Kammer ziehn.
So grosse Lust ihr habt zun Reheböcken,
Ihr Töchter Solyme,
So wenig solt ihr meinen Liebsten wecken,
Biß daß er selbst auffsteh.
Salomon.

Wer ist sie doch, die ihre Schönheit zeiget,
Kömpt auß der Wusteney,
Wie Rauch empor von theuren Myrrhen steiget
Und vieler Specerey?
Die Sulamithinn.

Läst Salomon sein Bette nicht umbgeben?
Stehn sechtzig nicht allhier
Auß Israel, die Stärcksten, so da leben,
Und wachen stets darfür?
Sie alle sampt sind ritterlich geübet,
Sind ihres Königs Macht
Und schützen ihn, in dem er liegt verliebet,
Behüten ihm die Nacht.
Der Salomon ließ schönes Holtz abhauen
Vom grünen Libanon,
Vom Silber ließ er edle Säulen bauen,
An seinen Bettethron.
Die Deck ist Goldt und Purpur ist sein Küssen;
Der Grund ist Lieb' und Gunst,
Auß Solyma, von Töchtern, die wol wissen,
Zu sticken nach der Kunst.
[261]
Kompt doch herauß, kompt her doch, ihr Jungfrauen,
Ihr Töchter von Zion!
Ach säumet nicht, kompt eilends anzuschauen
Den König Salomon!
Seht auff sein Haupt, seht an die schöne Krone
Auff seine Heyrathzeit,
Die jetzund gibt die Mutter ihrem Sohne
Zu rechter Fröligkeit.

Das vierdte Lied

Salomon.

Mein Lieb, wie schöne bist doch du!
Wie zeucht mich die Gestalt herzu!
Als Taubenaugen sind die deinen,
Wann zwischen deiner Haare Zier
Ihr heller Glantz sich giebt herfür,
Und sie gleich als zwo Sonnen scheinen.
Wie ferren jenseit dem Eufrat
Hoch an den Klippen Galaad
Sich lustig macht das Heer der Ziegen,
Und wie sie springt, die geile Schar,
So sehn wir auch das güldne Haar,
Umb deine zarte Stirne fliegen.
Die Zähne geben gantz nicht nach
Den Schaffen, die erst auß der Bach
Gantz rein und weiß gewaschen kommen,
So Zwilling' haben allzumahl,
Und bringen richtig ihre Zahl,
Auch nur nicht eines außgenommen.
Noch röter ist der Lippen Schein
Als eine Rose pflegt zu seyn;
An Reden lebt nicht deines gleichen;
Ein Granatapffel, ob er wol
Ist Zierligkeit und Röte voll,
Muß deinen zarten Backen weichen.
Als wie der Thurn, den David hat
Mit einer Brustwehr in der Statt
Ierusalem hoch auffgebauet,
Dran tausend Schilde sind gemacht
Und vieler starcken Waffen Pracht,
So wird dein Hals auch angeschauet.
Als wie zur neuen Frülingszeit,
Wann alles blühet weit und breit,
Zwey junge Reh' in Rosen gehen
Die Zwilling' einer Mutter sind,
So sieht man gleichfals auch, mein Kind,
An dir die weissen Brüste stehen.
Ich will, biß daß die Hitze weicht,
Und ihre Brunst uns nicht erreicht,
Mich zu dem Myrrhenberge lenden;
Zum Weyrauchhügel will ich mich
Begeben, biß die Sonne sich
Wird unter uns zu Nachte wenden.
Gantz schöne, meine Lust, bist du,
Du bist gantz schöne, mein Ruh:
Wer ist es, der dich recht beschreibe?
Du bist die Liebe selbst, mein Liecht,
Du hast gar keine Mackel nicht,
Kein Flecken ist an deinem Leibe.
[262]
Komm mit mir von dem Libanon,
Vom Amansberge, vom Hermon
Und von deß hohen Senirs Wüsten,
Da wo man Tigerthiere findt,
Wo starcker Löwen Hölen sind
Und grimme Leoparden nisten.
Du nimpst, o Braut, mir meine Ruh,
Du reissest dir mein Hertz' herzu
Mit deiner scharffen Augen Scheine,
Und deines Halses edles Bandt
Hat mir bestricket Sinn und Hand:
Ich bin nun selber nicht mehr meine.
Wie gut pflegt deine Huldt zu seyn!
Die Brüste lieb' ich für den Wein
Der gleich am besten ist auff Erden:
Dem was Arabien uns schickt
Muß der Geruch noch vorgezückt
Von deiner theuren Salbe werden.
O Braut, die Lippen trieffen dir
Von Honigseime für und für,
Die Zung' ist milch-und honigsüsse:
Die Kleyder haben den Geschmack,
Den Libanus nicht geben mag
Auch wenn er alle Krafft außliesse.
Du kömpst mir, Schwester, liebste Zier,
Als ein verschlossner Garten für,
Als eine zugedeckte Quelle;
Du bist ein Brunnen, dessen Fluß
Man zugesiegelt halten muß,
Der nicht rinnt ausser seiner Stelle.
Es ist, du Spiegel aller Zucht,
Von Granatäpffeln deine Frucht,
Man kan bey dir viel Cypern finden,
Und Narden, Saffran, Kalmes auch,
Gewürtze, Myrrhen, Weyherauch,
Und Aloes und Zimmetrinden.
Gleich wie ein kühler Brunnen fleust,
Und in ein dürstigs Thal sich geust,
So pflegst du, o mein Quell, zu fliessen.
Du bist die unerschöpffte Bach,
So reichlich wächset nach und nach
An Libanons begrünten Füssen.
Die Sulamithinn.

Komm Nortwindt, du, o Sudt, steh' auff,
Nim durch den Garten deinen Lauff,
Laß seine Wurtzel wol durchnässen;
Mein Liebster' komm' jetzt ohn Beschwer
In diesen werthen Garten her,
Von seiner edlen Frucht zu essen.

Das fünffte Lied

Salomon.

Ich bin schon in den Garten kommen,
Ich habe Myrrhen abgenommen
Und Würtze, Schwester, meine Ruh;
Ich esse Honig, o mein Leben,
Ich trincke Safft von trucknen Reben,
Und meine süsse Milch darzu.
Nun kompt, ihr Freunde, kompt zum Essen,
Deß Leydes sey jetzt gantz vergessen,
Thut weg die bleiche Traurigkeit:
Wir wollen nur auff Freude dencken,
Nicht unterlassen einzuschencken
Biß daß ihr truncken worden seyd.
[263] Die Sulamithinn.

Ich hatte mich zwar eingerieben,
Doch war mein Hertze wachend blieben,
Ob gleich der müde Cörper schlieff;
Das Hertze wachte mit Verlangen,
Da als mein Buhle kam gegangen
Und mir mit lauter Stimme rieff.
Salomon.

Mach' auff, mein Leben, meine Freude,
Mein Trost und meiner Augen Weide,
Mach' auff doch allerliebste Braut.
Mir sind bereiffet Haar und Wangen
Weil ich zu Nacht' hieher gegangen,
Das Haupt ist gantz und gar betaut.
Die Sulamithinn.

Ich liege nackend schon darnieder,
Soll ich mich anziehn? Soll ich wieder
Die Füß' hernach erst waschen mir?
Ich Arme! Weil ich ihn ließ stehen
Ließ er die Thür und wolte gehen;
Mein Hertz' entsatzte sich darfür.
Da stundt ich auff, ihn nicht zu irren;
Die Hände troffen mir mit Myrrhen
Als ich sie leget' an das Schloß.
Was hatt' ich mich doch unterfangen?
Er war mir schon hinweg gegangen,
Und ich war seines Beyseins loß.
Folg ich? Wo ist er hin, mein Leben?
Ruff' ich? Wird er auch Antwort geben?
Mir zittert meines Hertzens Grund.
Die auff der Mauren wachen stehen
Und in den Gassen hüten gehen,
Berauben mich, und ich ward wundt.
Woferrn euch Ehrbarkeit behaget,
Ihr Töchter Solyme, so saget,
Wann euch mein Trost für Augen kömpt,
Sagt, bitt' ich, ihm, daß ich auß Liebe
Mein waises Hertze kranck betrübe
So stets mit heissem Feuer glimmt.
Die Jungfrauen.

Wer ist er, den du denckst zu schauen,
Du Schönest' unter allen Frauen?
Wer ist dein Liebster, sag' es an,
Den so dein Hertze muß begehren,
Daß es dermassen uns beschweren
Und sich selbselbsten martern kan?
Die Sulamithinn.

Mein Trost, auff den ich alles richte,
Ist weiß und roth in dem Gesichte,
Viel tausendt weichen ihm an Zier:
Sein Haupt ist Gold, sein Haar erhaben
Und auffgekräust, das auch den Raben
An Schwärtze selber gehet für.
Wie Taubenaugen sind die seinen,
So gleich als zween Sternen scheinen,
Milchweiß gewaschen an der Bach.
Den Bethen, die in Gärten stehen,
Da Blumen und Gewürtz' auffgehen
Gieb seiner Wangen Glantz nicht nach.
Wie Rosen, so mit Myrrhen fliessen,
Sind seine Lippen, die nichts wissen
Zu reden, als von Huld und Gunst;
Die Hände sind so zart und reine
Als Ring', in welche theure Steine
Gesetzet stehn durch schöne Kunst.
[264]
Sein Leib (was kan man besser zieren?
Ist Helffenbein, das mit Saffiren
Wird eingeleget und erhöht;
Und die geraden weissen Beine
Sind eine Säul' auß Marmorsteine,
So auff gantz güldnen Füssen steht.
Der Libanon kan ihm nicht gleichen,
Die edlen Cedern müssen weichen,
So tragen kan sein reicher Wald.
Ihr Töchter, süß' ist seine Kehle;
Der ists, von dem ich euch erzehle,
Er ist, mein Hort und Auffenthalt.
Die Jungfrauen.

Wo ist er dann nun hingegangen,
Auff den du stellest dein Verlangen,
Du aller Weibesbilder Zier?
In welchen Ort ist er wol kommen?
Wohin hat er den Weg genommen,
Daß wir ihn suchen neben dir?

Das sechste Lied

Die Sulamithinn.

Im Garten wird mein Trost zu finden sein,
Da samlet er die zarten Rosen ein,
Da weidet er, da pflegt er einzubinden
Das Nardenkraut, Gewürtz' und Zimmetrinden.
Er ist der mein', er ists, mein Hertz' und Sinn,
Und ich weiß auch, daß ich die seine bin,
Von dem mich nichts auff dieser Erden scheidet,
Der jetzund geht und in den Lilien weidet.
Salomon.

Ist Thirza gleich die allerschönste Statt
Von derer Schar, so stehen am Eufrat,
So bist doch du, mein Augentrost und Leben,
Für ihrer Zier gar weit noch zu erheben.
Wie Solyma in ihren Thürnen steht
Mit denen sie fast an die Wolcken geht,
So bist du auch; doch kanst du gleichfals schrecken,
Wie Kriegesvolck pflegt Furchte zu erwecken.
Ach, wende doch mit deinen Augen dich
Von meinen weg, dann sie entzünden mich;
Sie martern mich mit tausent harten Qualen
Und tausent noch der Augen heisse Stralen.
Nichts anders als der feisten Ziegen Schar
In Galaad, ist auch dein schönes Haar;
Die Zähne sind wie Schaffe, recht zu sagen,
So reine sind, und Zwilling' allzeit tragen.
[265]
Granatenfarb', ist sie gleich trefflich hoch,
So übertrifft sie doch am Glantze noch
Die grosse Zier und Schönheit deiner Wangen,
Umb welche her die güldnen Haare hangen.
Zwar sechtzig sind der Königinn allhier,
Und achtzig halt' ich Kebesweiber mir,
Die Mägdlein sind nicht alle fast zu zehlen,
Doch muß ich dich mir sonderlich erwehlen.
O meine Taub', o Hertz', o werthes Liecht,
Der Mutter Lust, dir gleicht sich keine nicht.
Es müssen ja die Töchter dich erheben
Und dir dein Lob die Königsweiber geben.
Sie fangen an: Wer muß doch diese sein,
Die lieblich ist als wie der Morgenschein,
Wie Mond' unnd Sonn'; unnd die uns mehr kan schrecken,
Als wann man sicht ein Heer die Fahn' auffstecken?
Die Sulamithinn.

Ich gieng hinab in einen Nüssewald
Und sahe zu, ob nicht der Weinstock bald
Hett' Augen kriegt und ob nicht auch zu grünen
Mit Blüte schon die Granatöpffel schienen.
Ich aber hab' es nie bey mir bedacht,
Wie ich doch wol zurücke ward gebracht,
Aminadab, auff deinem schnellen Wagen,
An welchem sie vier frische Rosse jagen.
Salomon.

Komm, Liebste, komm; was fleuchst du dann für mir,
Der ich mich doch so gantz ergebe dir?
Komm, immer komm, komm Sulamithinn, wieder.
Was schämst du dich? Schlag nit die Augen nieder.
Was seht ihr doch die Sulamithinn an,
Die mich so wol mit Liebe binden kan,
Die ähnlich sieht den Heeren, so zum Streiten,
Zu offner Schlacht und Kampffe sich bereiten?

[266] Das siebende Lied

Wie schöne Füß' und auch wie schöne Schuh
Sind deine doch, du Fürstentochter du!
Wie Spangen stehn beysammen deine Lenden,
Sehr wol gemacht von guten Meisterhänden.
Dein Nabel wie ein runder Becher steht,
Dem niemals Tranck und süsser Wein abgeht;
Der Bauch gleicht sich dem Weitzenhauffen eben,
Der rings umbher mit Rosen ist umbgeben.
Gleich wie man sicht zwey junge Rehe sich
Mit geilem Spiel' ergetzen lustiglich
Und frölich sein an einer grünen Wüste,
So stehn dir auch die rund erhabnen Brüste.
Dein weisser Hals giebt von sich solchen Schein,
Als wie ein Thurn gemacht auß Helffenbein.
Die Wangen sind wie Hesbons schöne Teiche
Am Bathrabs Thor' in Armons seinem Reiche.
Die Nas' ist dir wie Libans Thurn erhöht
Hier wo der Weg hin nach Damaseus geht:
Das Haupt sieht auß wie Karmel an dem Strande
Der Mittelsee im palestiner Lande.
Das edle Haar mit dem du, Liebste, blühst,
Hat einen Glantz wie Königs Purpur ist.
Du hast doch nichts, als lauter solche Gaben
Die manch' ihr wündscht und du kanst einig haben.
Was ist es nun, das dir an Lenge gleicht?
Ein Palmenbaum, der keiner Last nicht weicht.
Die Brüste stehn wie Trauben, die noch reiffen
Und harte sind zum ersten anzugreiffen.
Was geb' ich doch dem Säumen weiter Raum,
Und steige nicht auff meinen Palmenbaum?
Laß deine Brüst' als junge Trauben stehen,
Der Nasen Ruch für schmeckend' Oepffel gehen.
Dein zarter Schlund sey wie ein süsser Wein,
Der uns erquickt und schläfft die Sinnen ein
Und machet, daß dein Buhle Sachen saget,
Wie einer, der im Traume nach was fraget.

[267] Die Sulamithinn.


Ich bleib' und bin deß Liebsten für und für,
Dann seine Lust beruhet gantz auff mir.
Komm, Hertze, komm, laß uns zu Felde bleiben
In feister Ruh' und da die Zeit vertreiben.
Wir lassen nur der Statt nicht rechten Schein,
Ihr eitels Thun und falsche Freude sein,
Wir wolln mit dir, o Morgenröth', auffstehen
Und frölich hin in unsern Weinberg gehen.
Wir wollen sehn, ob nicht der Stock schier blüht,
Und ob er nicht mit neuen Augen sieht;
Ob dieses Jahr wird Granatöpffel tragen,
Ob ihre Haut beginnet außzuschlagen.
Alsdann will ich dir reichen meine Brust,
Und einen Kuß; will alle Feldeslust
Dich lassen sehn, dir alle Früchte geben
So ich für dich pfleg' heilig auffzuheben.

Das achte Lied

Die Sulamithinn.

Ach hettest du mit mir an einer Brust gesogen,
Daß meine Mutter dich wie mich hett' aufferzogen,
So würde mich kein Mensch, der jetzt uns neiden kan,
Verdencken, grieff' ich dich gleich offenbarlich an.
Ich wolte deinen Halß, mein Trost, auff freyer Gassen
Für aller Welt Gesicht' erwischen und umbfassen;
Ich führte, Liebster, dich in meiner Mutter Hauß
Und liesse dich hernach auch nimmer nicht herauß.
Daselbsten würdest du, mein Seelentrost, mich lehren;
Hergegen wolt' ich dir gemachten Wein verehren,
Und Granatöpffelmost. Die Lincke fügte sich
Umb mein verliebtes Haupt, die Rechte küste mich.
Salomon.

Die allerliebste schläfft: ich bitt' euch, ihr Jungfrauen,
Als wie auch zuvorhin, ihr wollet fleissig schauen
Daß ihr sie ruhen laßt; ach redet ja nicht viel
Und ruffet ihr nicht auff, biß daß sie selber will.
[268] Die Jungfrauen.

Wer ist das werthe Bild mit solchen schönen Brüsten,
Mit solcher grossen Zier, die auffsteigt auß der Wüsten,
Und lehnt so zierlich sich auff ihren Liebsten an?
Wer ist sie, welcher nichts an Gaben gleichen kan?
Salomon.

Bey einem Apffelbaum' hab' ich dich, Lieb, gefunden
Und auß der Ruh erwacht; hier, wo zu guter Stunden
Dich deine Mutter hat, mein Hertzensliecht, erzeugt
Und mir zu dieser Lust geboren und geseugt.
Setz' als ein Siegel mich dir auff dein Hertz' und Armen;
Laß deine Liebe doch bey mir so sehr erwarmen,
Daß keine Wasserflut, ob gleich sie Nacht und Tag
Sich mehr und mehr ergeust, die Brunst verleschen mag.
Für rechter Liebe kan kein Silber nicht bestehen,
Das beste feine Gold kan ihr nicht gleiche gehen,
Die über alles steigt; es ist kein edler Stein
Der ihr am minsten auch nur kan gemesse sein.
Was bringen wir hernach, was bringen wir für Sachen
Der kleinen Schwester für? was soll man mit ihr machen,
Die noch nicht Brüste hat? Was sagen wir nur wol,
Im Fall man künfftig sich mit ihr bereden soll?
Nun, ist sie eine Wand, so wollen wir auch schauen
Daß wir darauff ein Schloß unnd silbern Bollwerck bauen,
Damit sie edler sey; ist sie dann eine Thür,
Soll schönes Cedern-Holtz vermehren ihre Zier.
Die Sulamithinn.

Ich bin ein Mauerwerck, das wol gegründet stehet,
Und meine Brüste sind als zweene Thürn' erhöhet.
Willkommen, edle Ruh; ihr Waffen gute Nacht,
Ich bin nun franck und frey, der Fried ist schon gemacht.
Es pfleget Salomon an tausend Silberlingen
Für seinen grossen Berg, der guten Wein kan bringen,
Von einem jeglichen, der diesen Wein veracht,
Die Zinsen einzuziehn; den Pact hat er gemacht.
Mein Weinberg ist für mich; darauß solt du erheben
Auch tausent Silberling' und ich will gleichfals geben,
O König Salomon, den Leuten allzumal
So drinnen Hüter sind zweyhundert an der Zahl.
[269] Salomon.

Mein Hertze, welche du die stillen Gärte liebest,
Und in denselben dich mit schönen Singen übest,
Es stehen meine Freund' und Mitgesellen hier;
Laß hören, o mein Lieb, der güldnen Stimme Zier.
Die Sulamithinn.

Fleuch, mein Geliebter, fleuch, fleuch fort mit freyem Zügel,
Mein Alles und mein Ich, fleuch auff die Kräuterhügel,
Als wie ein junger Hirsch und Rehe seine Ruh
In öden Wüsten sucht und läufft den Bergen zu.

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