5. An eine Jungfrau

Umb alles Gut unnd Geldt in diesem gantzen Lande
Erzehl' ich weder euch noch andern was zu Schande
Und weiß gewißlich auch, daß niemand sprechen kan,
Ich hab auß Feindschafft ihm was Leides angethan.
Ihr möget aber doch darneben kühnlich gleuben,
Daß ich ohn euch, Gott Lob, wol werd' im Leben bleiben,
Wil derenthalben auch mich nimmer unterstehn
Von wegen eurer Gunst mit Lügen umbzugehn.
Diß alles laß ich euch die Hofeleut' erzeigen,
Die prächtig Berg hinan mit Reden können steigen
Und jedes Wort auffziehn nicht ohne grossen Schein,
Auff daß sie so bey euch in Gnaden mögen seyn.
Sie thun wol einen Eyd, nicht dennoch ohne Lachen,
Daß euer' Augen auch die Sternen finster machen
Und daß sie heller sind denn alles Firmament,
Ja, daß die Sonne selbst auch nicht so hefftig brent.
Sie schweren hoch und sehr, daß Gott euch außerlesen
Vor aller Zierligkeit und allen schönen Wesen,
Und sagen, selig sey das Jahr und denn die Zeit,
In der ihr grosse Ziehr der Welt geboren seydt.
Sie sprechen wol darbey, daß ihr mit euren Blicken
Ein härter Hertz als Stein vermöget zu entzücken,
Daß auß America die beste Specerey
Mit eurem Athem weit nicht zu vergleichen sey,
Daß solche Hände nicht gemahlet werden köndten,
Daß gegen ihnen Schnee zu gleichen sey der Tinten,
Daß jedes Zähnlein sey ein köstlicher Demant,
An welches die Natur all' ihre Kunst gewandt,
Und daß die Lippen auch, so mehr als Rosen blühen,
Weit, weit den edelsten Corallen vorzüziehen:
Daß Haar (ich glaube nicht, daß es von Hertzen kömpt)
Ein jeglicher vor Gold und beste Perlen nimpt.
Sie setzen wohl hinzu, wenn sie euch reden hören,
Daß auch ein jedes Wort starck sey, sie zu versehren,
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Und daß der starcke Mars durch eurer Zungen Schein
Die Waffen abzuthun bereitet würde seyn.
Geliebet euch hernach von Venus was zu singen,
Die Winde könnet ihr mit eurer Stimme zwingen,
Und wenn ihr weiter auch euch zu der Lauten findt,
Ist Orpheus ungelehrt und gegen euch ein Kindt.
Wann ihr zu Felde kompt, wohin man euch sieht gehen,
Da sieht man alsobald die schönsten Blumen stehen;
In Summa, die Natur hat diß an euch gethan,
Daß eure Treffligkeit kein Mensch beschreiben kan.
Wie möcht' ich aber wol so falsch Erdachtes sagen,
Und groß' Auffschneyderey mit Langmut nur ertragen?
Ich glaube, welcher sich nimpt solcher Lügen an,
Er Feder und Pappier auch schamroth machen kan.
Und was dann mich belangt, bin ich gar nicht der Sinnen,
Daß ich also die Gunst verhoffe zu gewinnen,
So hat mein Hertze noch anjetzt ein solches Ziel,
Daß ich ihm ohne Kunst kan wehren, wann ich wil.
Ich sage freylich wol und weiß es war zu machen,
Daß ihr gar rein' und steiff bewahret eure Sachen,
Und daß auch sehr viel sindt voll Hoffart, Stoltz und Pracht
Die ihr gar weißlich doch nicht sonders habt in Acht.
Daß ich euch aber auch für göttlich solt' erkennen,
Man möcht' es, fürcht' ich nur, wol Träum' und Lügen nennen:
In eurem Leichnam ist zwar alle Zierligkeit,
Doch auch nicht wenig steht vom Himmel trefflich weit.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Opitz, Martin. Gedichte. Weltliche Dichtungen. Vermischte Jugendgedichte. 5. An eine Jungfrau. 5. An eine Jungfrau. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-6277-6