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An Herrn Esaias Sperern

Vier mal ist der Frühling kommen;
Vier mal hat die Winterszeit
Von den Wäldern abgenommen
Ihr begrüntes Sommerkleid,
Seit daß wir gebracht sind worden
In der treuen Freundschaft Orden.
Wie viel Tage sind verflossen
Inner Freud' und guter Lust,
Wann wir uns den Sinn begossen
Mit Lyäus seiner Kost;
Doch nicht wie die rauhen Scythen,
Die den ganzen Wanst voll schütten.
Wie ein Schiffer an dem Rande
Seinen krummen Nachen führt
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Und sich nicht weit helt vom Lande,
Wann er starke Wellen spürt,
So auch muß es sein im Trinken,
Wollen wir nicht untersinken.
Sehn wir in der Schale springen,
Ungern, deinen klaren Wein,
Können wir uns auch bezwingen,
Daß wir lange nüchtern sein?
Es muß alles, was uns kränket,
In das Weinfaß sein versenket.
Wann wir dann so viel genommen,
Daß der angenehme Saft
Etwas in die Stirn' ist kommen,
Da kriegt Herz und Zunge Kraft,
Da wird alles ausgelassen,
Was uns taug und was wir hassen.
Warum dieses sei zu meiden,
Warum das nicht könne sein,
Warum der und der uns neiden,
Jener auch nur falschen Schein
Des Gemüthes von sich gibet,
Herzlich haßt und mündlich liebet.
O ihr Matten, o ihr Wiesen,
Du Gebirge, welches wir
Nennen von den alten Riesen,
O ihr warmen Bäder ihr,
Ihr Napäen habt vernommen,
Was uns oftmals ein ist kommen.
So ergetzt uns hier auf Erden
Ein schön Glas und ein schön Buch,
Biß wir eingehüllet werden
In ein Stücke leinen Tuch.
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Weil wir mehr nicht mit uns nehmen,
Sollen wir uns dann viel grämen?
Werden wir auch sonst nichts lassen,
(Dann sich um das Eigenthum
Niemand schlagen wird und hassen)
So bleibt doch ein guter Ruhm,
Den der Tod uns nicht kan sterben
Und kein Mensch mit Geld erwerben.
Du durchrennst mit freiem Zügel
Des geehrten Lobes Pfad
Durch des hohen Adlers Flügel,
Welcher dich zu Diensten hat
Und auch mich wil höher heben,
Mir Helm, Schild und Adel geben.
Dieses sind die Gift und Gaben,
Die uns über allen Neid,
Wann wir lange sind vergraben,
Heben sollen jederzeit;
Diese Schätz' und Güter machen,
Daß wir Hohn und Haß verlachen.
Wann die Mißgunst tausend Zungen
Hette feindlich ausgestreckt
Und käm' auf uns zu gedrungen,
Doch so bleiben wir verdeckt
In der Treu und Tugend Schatten,
Da kein Neid kan hingerathen.
Nun wolan, mit dem Bedinge
Laß uns bleiben, wie wir sein!
Da ich dann darauf dir bringe
Dieses große Schiff voll Wein,
Daß dich wol nicht mehr sol dürsten,
Auf Gesundheit unsers Fürsten.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Opitz, Martin. Gedichte. Weltliche Dichtungen. Oden oder Gesänge. [21.] [Vier mal ist der Frühling kommen]. [21.] [Vier mal ist der Frühling kommen]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-6308-5