16. Am Sontage Sexagesimä

2. Corinth. 2.

Auff den 2. Psalm

Worauff ist doch der Heyden Thun gestellt.


Weil ihr seyd klug, ihr Brüder, und bedacht,
So duldet ihr gar weißlich auch die Thoren;
Wenn jemand schon euch gar zu Knechten macht,
So hört ihr ihn mit nicht erzürnten Ohren.
Ihr leidet Geitz und Diebstal, ihr vertraget,
Trotzt einer euch, schlägt euch ins Angesicht.
Diß red' ich so, als wie die Welt zwar saget,
Die nach dem Schein' ihr Urtheil von uns spricht.
Wo je ein Mensch was Rühmlichs an sich find,
So trotz' ich auch auff meinen guten Namen;
Ich bin so wol, wie sie Ebreer sind,
Auß Israel und Abrahams sein Samen.
Und sind sie gleich auch Diener Christ deß Herren,
So bin ich mehr. Gefängniß, Schläge, Noth,
Viel Müh hab' ich erlitten weit und ferren,
Hab' offt gesehn vor Augen meinen Todt.
[212]
Wol viertzig Streich' ohn einen an der Zahl
Hab' ich fünff mal vom Jüdenvolck ertragen;
Ich bin darzu gesteinigt auch ein mal,
Man hat drey mal mit Ruten mich geschlagen.
Ja Schiffbruch hab' ich drey mal auch erlitten,
Hab' umb mich her gesehn das wilde Meer,
Mit Wellen, Sturm' und rauer Lufft gestritten,
Hab' offt und viel gereiset hin und her.
Ich muß viel Noth umb Stätte, Pusch' und Flut,
Muß Fehrligkeit bey Mördern, Jüden, Heyden,
Müh, Hitze, Frost, Durst, Hunger, Schweiß und Blut,
Groß Wachen, List und falsche Brüder leiden.
Zu diesem werd ich täglich angelauffen,
Es dringet gantz mir die Gemeine zu,
Ich bin bemüht für ihren grossen Hauffen,
Ihr wol zu seyn verlier' ich meine Ruh'.
Wer ist nun schwach? Ich werd' es aber nicht;
Wer ärgert sich? Ich pflege nicht zu brennen.
Wo jemand mir den Ruhm für billich spricht,
So will ich nichts als meine Schwachheit nennen.
Der alles weiß, weiß, daß ich nicht will liegen.
Es wolte mich in der Damasker Statt
Deß Königes Areten Landvogt kriegen,
Als wie er denn mich fast ergriffen hatt;
Da ließ man mich zur Mauren abwärtshin
In einem Korb', auff daß ich so entgangen
Und auß Gefahr vom Feinde kommen bin,
Daß seine List mich nicht hat können fangen.
Mein grosser Ruhm, wiewol ich nichts erdichte,
Der nützet zwar mir gantz nicht in der That,
Doch will ich noch erzehlen ein Gesichte,
Das mir der Herr geoffenbahret hat.
Es ist ein Mensch in Christo mir bekandt,
Ob dieser auch vor zwey mal sieben Jahren
Zu einer Zeit im Leibe sich befand,
Das weiß nur Gott, ich hab es nie erfahren,
Ich weiß es nicht, ob er auch war darinnen.
Er ward entzuckt in dritten Himmel hin,
Ich kenn' ihn zwar; was wir nicht wissen können,
Das weiß nur Gott, denn ich zu wenig bin.
[213]
Er war entzuckt biß in das Paradeiß,
Wohin niemand vor seinem Tod' ist kommen,
Da hat er was, darvon kein Mensch nicht weiß,
Noch wissen kan und können soll, vernommen.
Was diß belangt, so kan ich wol mich wagen
Zu rühmen das, so mir gezeiget ward.
Im übrigen vermag ich nichts zu sagen,
Als einig nur von meiner schwachen Art.
Drey mal bat' ich: O Herr, nim ihn doch hin;
Er aber sprach: Laß dir daran genügen,
Daß ich so gut, so mild und gnädig bin;
Ich mache starck die, welche niederliegen.
Drumb will ich auch mich rühmen keiner Sachen
Und sage nur: Ich habe nichts gethan,
Daß Christus Krafft hier ihre Wohnung machen
Und ihren Sitz in mir behalten kan.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Opitz, Martin. Gedichte. Geistliche Dichtungen. Die Episteln der Sontage und fürnembsten Fest deß gantzen Jahrs. 16. Am Sontage Sexagesimä. 16. Am Sontage Sexagesimä. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-6379-9