[20] 10.

Ich kan mich zwar zu dir begeben
Jetzt wann ich wil, mein Vatterland,
Nun ich befreyt bin von dem Leben,
Bey dem kein Glück ist und Bestand;
Doch helt mich noch der Liebe Band,
Der ich zu schwach zu widerstreben.
Vor hab' ich mich zu dir gewendet,
Kein Ort gefiel mir besser nicht;
Nun hat sich alle Lust geendet,
Nach dem ich meines Hertzens Liecht,
Was jederman darwider spricht,
Mit seiner Anmuth gantz verblendet.
Vor wann die Morgenröhte lachte
Und ließ sich sehen auff ihrer Bahn,
So grüßt' ich sie, wann ich erwachte;
Jetzt ist es alles nun gethan,
Weil ich mein Lieb nur preisen kan
Und allzeit ihre Ziehr betrachte.
Vor hab' ich zu den kühlen Flüssen
Und klaren Brunnen mich gesellt;
Die Rosen, Lilien und Narcissen
Liebt' ich für alles auff der Welt;
Jetzt weiß ich viel ein schöner Feldt,
Und hoffe sein noch zu geniessen.
Ihr Bircken und ihr hohen Linden,
Ihr Wüsten und du stiller Waldt,
Lebt wol mit euren tieffen Gründen
Und grünen Wiesen mannigfalt;
Mein Trost und bester Auffenthalt
Ist sonstwo als bey euch zu finden.

Notes
Erstdruck in: Martini Opitii Acht Bücher Deutscher Poematum, durch ihn selbst herausgegeben, Breslau (David Müller) 1625.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Opitz, Martin. 10. [Ich kan mich zwar zu dir begeben]. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-63C0-5