2.
Kein Lebenslaut stört die Natur
In ihrem herbstlich stillen Leide;
Es scheint die Sonne lässig nur
Hernieder auf die braune Haide.
Da ist kein Baum, umwebt von Moos,
Aus dessen Zweigen Vögel sängen,
Da ist kein Fels, aus dessen Schoß
Krystallne Quellen lustig sprängen!
Den Wanderer aber, den zur Stund'
Die Abendstrahlen uns hier zeigen
[109]Den kümmert nicht der öde Grund,
Des Himmels Grau, der Gegend Schweigen!
In seinem Herzen jauchzt ein Lied,
In seiner Seele springt ein Bronnen,
Seit ihn das heimische Gebiet
Aufnahm mit seinen trauten Wonnen.
Mac Dugald ist's, der rasch und leicht
Als liehe ihm die Sehnsucht Flügel
Hin durch die braune Haide streicht,
Und froh erklimmt die steilen Hügel.
Von diesen Stätten, ihm so wert,
Wie lange ist er fern geblieben!
Wie lang, wie schwer hat er entbehrt
Den teuern Anblick seiner Lieben!
Er war ein gar so junges Blut,
Als in sein Dorf die Werber kamen
Und ihn aus seiner Mutter Hut
Am nächsten Morgen mit sich nahmen.
Nun dient er an fünf Jahre schon
In Englands kriegerischem Heere,
Und, traun! es macht des Hochlands Sohn
Durch Mut und Treu dem Hochland Ehre.
Er folgte seinem Regiment
Ins Land, wo hoch die Palmen stehen,
Die Sonne heiß herniederbrennt
Auf Bombays Tempel und Moscheen,
Wo tausend Scenen bunt und wild
Den Sinn berauschen und umfloren,
Allein der fernen Heimat Bild
Blieb seiner Seele unverloren.
Und als er nun nach manchem Jahr
Der Trennung Schottlands Felsenküste,
[110]Vom Meer umbraust, umkreist vom Aar,
Mit frohem Jubel wieder grüßte,
Da schien ihm leicht das schwerste Joch,
Hell lag die Welt vor seinen Blicken,
Nur eines, eines fehlt' ihm noch:
Die Mutter an die Brust zu drücken.
Er trat vor seinen Offizier
Und bat mit raschem Herzensschlage,
Mit feuchtem Aug': »Gebt Urlaub mir
Nicht länger, Sir, als auf drei Tage.
Möcht' einmal noch die Mutter seh'n,
Die Mutter, die,« – er stammelt's leise,
Sein Blick nur unterstützt sein Fleh'n,
Stumm, doch in vielberedter Weise.
»»Du dientest brav und tüchtig stets,
Nicht will ich dir den Wunsch versagen.
Geh! aber denk' an das Gesetz,
Das Rückkehr heischet nach drei Tagen!««
»Meint ihr, daß meinen Fahneneid
Ich falschen Sinnes brechen könnte?
Seid ruhig, Sir! zur rechten Zeit
Bin ich zurück beim Regimente.« –
O wie er hastet, wie er jagt
Nicht zu verlieren eine Stunde!
Der Berg, der dunkelmächtig ragt,
Der Strom, das Moor im Haidegrunde,
Sie halten seinen Schritt nicht auf,
Ihn hemmen weder Berg noch Welle,
Bis er in nimmermüdem Lauf
Erreicht des Mutterhauses Schwelle.
Es fliegt sein Herz, wie zum Gebet
Treibt's ihn die Hände fromm zu falten,
[111]Dann tritt er näher, forschend späht
Sein Auge durch des Ladens Spalten.
Er sieht die Mutter bei dem Licht
Des Kienspans emsig dreh'n den Rocken;
O wie so bleich ist ihr Gesicht
Und wie ergraut sind ihre Locken! –
Die Liebe lehrt ihn mit Bedacht
Zu melden ihr die frohste Kunde,
Und an den Laden pocht er sacht,
Wie ein Besuch zu später Stunde.
»Wer ist's?« Als Antwort gellt ein Pfiff.
»Wer ist's?« Es schwinden ihr die Sinne,
Den Span faßt sie mit raschem Griff,
Springt auf, und hält dann zitternd inne.
O wohl hat sie den Pfiff erkannt,
Womit ihr Sohn den Falken lockte!
Sie steht, wie auf den Fleck gebannt,
Ihr ist, als ob ihr Herzblut stockte.
Jetzt tönt ihr, Wonne ihrem Ohr,
Ein liebvertrautes Lied entgegen;
Aufjauchzend rafft sie sich empor,
Durchzuckt von tiefster Freude Segen.
»Mein Dugald! o mein Sohn, mein Sohn!«
Fort stürzt sie, schneller als Gedanken,
Doch auf der Schwelle fühlt sie schon
Des Jünglings Arme sie umranken.
»So kommst du endlich, endlich doch!«
Sie ruft es, ihre Kniee beben,
Nur eines weiß und denkt sie noch:
Daß ihr der Sohn zurückgegeben.