[138] 2.
Der Aufstand

Oed' liegt das Land, denn unbestellt
Blieb Wiese, Flur und Ackerfeld.
Der frühlingsmilde Morgenwind
Macht keine grünen Halme wogen;
Die Dörfer stehen leer, es sind
Die Männer in den Kampf gezogen. –
Als von Paris die Kunde kam
Des Endes, das der König nahm,
Als man's versucht, dem Volk den Glauben,
Den Seelen ihren Hort zu rauben,
Da hat, im Teuersten verletzt,
Sich die Vendée zur Wehr gesetzt.
Cathelineau, der schlichte Mann,
Aus seinen stillen Einsamkeiten
Gerissen von dem Sturm der Zeiten
Zerbrach zuerst den dumpfen Bann.
Durchglüht von einem tiefen Schmerz,
Verschmähte Trauer er und Klagen;
Nach frischer That, nach kühnem Wagen
Verlangte sein gewaltig Herz.
Zum Aufstand rief er, und in Haufen
Kam jung und alt ihm zugelaufen,
Denn durch sein Wort ward jede Brust
Des eig'nen Dranges sich bewußt.
Nach ihren Jagdgewehren griffen
Sie raschen Muts, nach Spieß und Speer,
Die Beile wurden zugeschliffen,
Der Knittel selber ward zur Wehr,
Und, ungesäumt, in Feindesmitten,
Ward zu des Plans Vollzug geschritten.
Die Schergen der verhaßten Macht,
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Die, vom Convent hieher gesandt,
Dem Lande maßlos Weh gebracht,
Schlug und vertrieb der Bauern Hand.
Jetzt stand ein blut'ger Weg nur offen,
Und Heil war nur vom Kampf zu hoffen!
Drum that es not, für ihr Beginnen
Erprobte Führer zu gewinnen,
Die, schlachtenkundig und erfahren,
Befehligten die wirren Scharen.
Die aufzufinden war nicht schwer!
Auf allen Schlössern ringsumher,
So weit des Himmels Wölbung blaut,
Ringsum auf allen Adelssitzen
Hat die Erhebung sich're Stützen,
Mit Krieg und Waffenwerk vertraut.
Es traten zum ersehnten Streite
Die Herren auf der Bauern Seite,
Wie, von der Lüfte Zug bewegt,
In's Flammenmeer die Flamme schlägt!
Ein großer Brüderbund erstand
Zum Dienste der gemeinen Sache;
Derselben Liebe starkes Band,
Derselbe heiße Durst nach Rache
Vereinigt Edelmann und Knecht.
Einstehend für das alte Recht
Sind alle gleich bereit, ihr Leben
Als Kaufpreis für den Sieg zu geben. –
Vertrauend auf ihr Waffenglück
Entbeut ein Heer die Republik.
Ein Heer von solcher Uebermacht,
Daß es in einer off'nen Schlacht
Den Aufstand, wie er keck sich rüste,
Mit einem Schlag zermalmen müßte.
Das wissen die Vendéer auch,
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Verteilt im waldigen Gebiet;
Wie Truppen nicht, in Reih' und Glied,
Sie kämpfen nach Guerillabrauch.
In Schluchten, ihnen nur bekannt,
Und in dem Schatten dichter Hecken
Verborgen, zielen sie und strecken
Die Blauen nieder auf den Sand.
Ein Irrlicht, welches dort und hie
Auftaucht, doch zu erreichen nie,
Verlocken sie den Feind mit List,
Sein Heer in Haufen zu zersplittern,
Und, wenn der Plan gelungen ist,
Dann stürzen sie, gleich Ungewittern,
Eh' noch die Gegner sich besonnen,
Sich auf die einzelnen Kolonnen. –
Von Tag zu Tag wächst ihre Schar
An Zahl und Stärke, immerdar
Zum Marsch bereit, zum Angriff fertig,
Des Rufs der Führer stets gewärtig,
So stürmisch und so kühn im Wagen,
Wie fest und standhaft im Ertragen.
Zu ihnen steht ihr Heimatland
Mit vollem Herzen, off'ner Hand!
Ein jeder wirkt und sorgt und schafft
Für sie, nach seiner Art und Kraft.
Ob auch die Republik mit Tod
Den Frauen selbst und Kindern droht,
Die Beistand den Brigands zu leisten,
Verweg'nen Sinnes, sich erdreisten,
Das furchtbar nahe Strafgericht
Schreckt die entbrannten Seelen nicht!
Sie beten selbst noch unterm Beil
Für ihrer Sache Sieg und Heil!

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Paoli, Betty. Gedichte. Neueste Gedichte. Bilder aus der Vendée. 2. Der Aufstand. 2. Der Aufstand. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-67BE-F