XVIII.

Je seltsamer gestaltet
Ein Wesen fremden Zonen wohnet inne,
Vor unbefangnem Sinne
Gleicht's mir; so weit ach! hab' ich mich verloren! –
Dort an des Morgens Thoren
Ein Vogel fleugt, der, ferne von Genossen,
Aus Tode, frey beschlossen,
Zum Leben neugeboren sich entfaltet.
So abgeschieden waltet,
Wie er, mein Will', und hebt sich von der Zinne
Erhabener Gedanken auf zur Sonnen,
Daß er, in Staub zerronnen,
Das alte Seyn, dem Phönix gleich, gewinne;
Er brennt und stirbt, regt munter sein Gefieder,
Bis er dann wieder jenem gleich veraltet.
Ein Fels soll sich erheben
In Indiens Meer, der von Gelüst entzündet,
Das Eisen oft entwindet
Den Schiffen, daß zertheilt sie untergehen.
So ist auch mir geschehen
Auf bittrer Thränen Fluth; mit stolzem Zwange
Zu sicherm Untergange
Hat ach! ein schöner Fels geführt mein Leben.
Ihm ward zum Raub gegeben
Mein Herz, das mich, sonst fest und stark begründet,
Beysammenhielt, und nun durch ihn entfliehet,
Der Fleisch mehr an sich ziehet
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Als Stahl. O herbes Schicksal, unergründet!
Daß ich bereits in Fleischeshülle sehe
So süßem Wehe mich dahingegeben!
In Westens fernsten Auen
Da soll ein zahmes Wild und sanftes weiden
Wie keines sonst; doch Leiden
Und Schmach und Tod ihm in den Augen wohnen
Nur den mag es verschonen,
Der seinen Blick, vom Auge abgewendet,
Mit Vorsicht nach ihm sendet:
Das Andere doch kann man fahrlos schauen.
Ich Armer voll Vertrauen
Renn' in mein Weh', obwohl ich weiß von beyden,
Von dem, was ist und seyn wird; aber gierig
Und blind und taub nun spür' ich,
Daß, weil ich nicht den heil'gen Blick kann meiden,
Mir Untergang und Tod von ihm muß kommen,
Vom Wild, dem frommen, Engeln gleich zu schauen.
An wunderbarer Stelle,
Fern an des Mittags Gränzen, quillt ein Bronnen,
Sein Nahm' ist: Quell der Sonnen.
Zur Nachtzeit siedend ist er kalt bey Tage,
Und – also geht die Sage –
Wird, wie die Sonne steigt, gemach zu Eise.
Das ist auch meine Weise,
Der ich der Thränen Sammelort und Quelle.
Entflieht des Lichtes Helle,
So meine Sonne ist, dann weint umsponnen
Der Blick des Glühenden von nächt'gem Dunkel;
Doch kann ich im Gefunkel
Und Golde des lebend'gen Lichts mich sonnen,
[71]
Fühl' Alles ich von außen und von innen
Zu Eis gerinnen, gleich der Wunderwelle.
Auch an Epirus Strande
Vergleicht ein kalter Quell sich meinem Herzen,
Der die erloschnen Kerzen
Entflammt, und auslöscht, die er brennend findet.
So ich, der nie entzündet
Zuvor mich fühlte von der Liebe Walten,
Mich nahend jener Kalten,
Nach der ich seufzend immerdar mich wandte,
Stand gleich in vollem Brande.
Nicht Sonne je und Stern sah solche Schmerzen,
Der Jammer hätt' ein Herz von Stein erbarmet;
Doch kaum daß ich erwarmet,
Beschwor Vernunft die heiße Flamm' im Herzen.
So geh von Gluth ich stets zu Kälte über, –
Ich fühl's, und drüber zürn' ich meinem Stande.
In fernem Meere baute
Natur Fortunens Inselreich; da fließen
Zwey Quellen. Lachend grüßen
Den Tod die, so die eine tränkt; daneben
Quillt aus der andern Leben.
So mein Geschick; denn lachend könnt' ich scheiden
Im Uebermaß der Freuden,
Mäßigten sie nicht bittre Wehelaute.
O Liebe du, Vertraute,
Die mich zu dunkelm Ruhme hingewiesen,
Kein Wort von jenem Quell, dem ewig vollen,
Dem reich're Adern rollen,
Tritt in den Stier die Sonne. So ergießen
[72]
Sich meine Thränen und entquellen stärker
Zur Zeit dem Kerker, wo ich Laura schaute.
Fragt wer, was ich beginne,
Canzone, sprich, dort weilt er unterm Steine
Verschloss'nen Thals, dem sich die Sorge entwindet,
Wo Amor nur ihn findet,
Der keinen Augenblick ihn läßt alleine,
Und Jener Bild, die ihn mit Weh umnachtet,
Daß er verachtet jede andre Minne.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Petrarca, Francesco. Lyrik. Canzoniere. Canzonen. 18. [Je seltsamer gestaltet]. 18. [Je seltsamer gestaltet]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-6CE8-1