XII.

Ein Weib, der Sonn' an Alter gleich zu achten,
Doch schöner weit und glänzender zu preisen,
In hoher Schönheit Gleisen
Zog mich, kaum aufgeblüht, zu ihren Scharen.
Die war bey allem Dichten, allem Trachten,
Als eins der Dinge, die da selten heißen,
Auf vielen tausend Gleisen
Mir stets voran, stolz, flüchtig, zu gewahren.
Für sie nur ließ ich, was ich liebte, fahren,
Seit ich ihr Aug' empfunden mir zur Seiten
Für sie nur hab' in Zeiten
Ich so mühsel'gem Treiben mich ergeben,
So daß, komm' ich zum Hafen, dem ersehnten,
Durch sie noch lang zu leben
Ich hoffe, wenn längst Andre todt mich wähnten.
Die Herrinn führte mich viel Jahr' am Bande
Von jugendlicher Sehnsucht hell entzunden,
Wie ich's nun wohl empfunden,
Zu stellen auf die Probe nur mein Sinnen,
[51]
Nur Schatten zeigend, Schleyer und Gewande
Manchmahl von sich, das Antlitz stets umwunden;
Und ach! die Jugendstunden,
Meynend, genug zu sehn, ließ ich entrinnen
Zufrieden, und noch jetzt freu' ich mich innen,
Da Einiges von ihr ich näher sehe.
Ich sage, daß nur ehe,
Wie bis dahin ich sie gesehen nimmer,
Sie mir sich wies, wodurch mir Eis gekommen,
In's Herz, das da noch immer,
Und seyn wird, bis in Arm sie mich genommen.
Doch konnte Furcht und Frost nicht ab mich halten,
Mit freudig kühnem Herzen mich trotz diesen
Zu drängen ihr zu Füßen,
Mehr Süßigkeit zu ziehn aus ihrem Blicke.
Und sie, die schon gelüpft des Schleyers Falten
Vor meinem, sprach: »Nun kannst, o Freund, du schließen,
Wie schön ich, und erkiesen,
Was sich für deine Jahre ziem' und schicke.«
»Herrinn,« sprach ich, »schon lange Zeit ich blicke
Auf euch mit Liebe, die nun ward zum Brande,
Drob ich in diesem Stande
Auf alles andre Wollen sonst verzichte.«
Drauf sprach sie Worte, die gar lieblich klangen,
Mit einem Angesichte,
Das stets mich hoffen lassen wird und bangen:
»Nicht Viele sind auf Erden, die gehöret,
Wie ich mit Kraft und Stärke hoch gezieret,
Und drinnen nicht gespüret
[52]
Ein Glühen, mindest kurze Weil' entzündet;
Doch meine Feindinn, die das Gute störet,
Verlöscht es bald, die Tugend sich verlieret,
Und andrer Herr regieret,
Der ruhigeres Leben euch verkündet.
Amor, der dein Gemüth zuerst ergründet,
Sagt wahrhaft Dinge mir von ihm, aus denen
Ich seh', daß großes Sehnen
Dir Anspruch gibt auf ein ruhmvolles Ende,
Und eine Herrinn sollst du bald erblicken,
Als seltner Freundschaft Spende,
Die ungleich mehr dein Auge wird beglücken.« –
»Das ist unmöglich!« wollt' ich eben sagen;
Sie aber sprach: »Blick auf, so wirst du sehen
In mehr verborgnen Höhen
Eine Herrinn, die Wen'gen sich gezeiget.«
Schnell mußt' beschämt das Aug' ich niederschlagen.
Drin fühlend neue, größre Flammen wehen.
Wie Scherz ließ sie's geschehen
Und sprach: »Ich weiß, wohin dein Blick sich neiget!
Wie jeden Stern die Sonne schnell verscheuchet
Mit ihrer Strahlen mächtigen Gefunkel,
So tritt zurück in's Dunkel
Mein Antlitz auch, seit stärk're Lichter kamen.
Allein den Meinen bleibt drob meine Neigung;
Denn Beyd' aus einem Samen,
Sie erst, mich drauf erschuf dieselbe Zeugung.« –
Derweil zerriß der Knoten der Unehre,
Der damahls meine Zunge fest umstrickte,
Als ich mich so erblickte
Von ihr durchschaut zur Zeit der ersten Schande.
[53]
Und ich begann: »Ist Wahrheit, was ich höre,
Gesegnet sey der Vater, hochbeglücket
Der Tag, der mit euch hat die Welt geschmücket,
Die Zeit auch, die ich euch zu sehn verwandte!
Und lenkt' ich je von graden Weges Rande,
Bereu' ich's mehr, als außen ihr mögt lesen;
Doch wenn von eurem Wesen
Ich mehr zu hören werth, möcht' ich's wohl gerne.« –
Sinnend sprach sie und unverwandt sie lenkte
Nach mir die süßen Sterne,
Daß Wort und Antlitz sich in's Herz mir senkte:
»Wie unserm ew'gen Vater es gefallen,
Wir Beyde gleich Unsterblichkeit empfingen.
Euch kann's nicht Vortheil bringen!
Besser für euch, wir müßten deß entbehren.
Zwey Mägdlein, artig, schön, geliebt von Allen
Waren wir einst; die Zeiten ach! vergingen!
Und jene schlägt die Schwingen,
Zu ihrer alten Wohnung heimzukehren.
Ich bin ein Schatten nur. Du wolltest's hören,
Und weißt, was du jetzt fähig, zu verstehen.« –
Als sie bereit zu gehen,
Sprach sie: »Nicht fürchte, daß ich gänzlich scheide!«
Und einen Kranz von grünem Lorbeer pflückte
Sie, den zum Festgeschmeide
Sie gütig mir auf meine Schläfe drückte.
Canzone, wer dich dunkel nennen sollte,
Dem sag': »Ich sorge nicht, weil bald die Wahrheit
In allverstandner Klarheit
Kund werden wird von einem andern Bothen.
Bloß zu erwecken, bin ich ausgezogen,
[54]
Wenn, der mir dies gebothen,
Mich, als ich von ihm schied, nicht hat betrogen.«

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Petrarca, Francesco. Lyrik. Canzoniere. Canzonen. 12. [Ein Weib, der Sonn' an Alter gleich zu achten]. 12. [Ein Weib, der Sonn' an Alter gleich zu achten]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-6E3F-F