XVI.

Zwar, mein Italien, bleiben, was wir sagen,
Die Todeswunden offen,
So ich an deinem schönen Leib' ersehe,
Doch mindest will, wie Tiber, Arno hoffen,
Wie Po es wünscht, ich klagen,
Bey dem ich schmerzensvoll und jammernd stehe. –
O Himmelsfürst, ich flehe,
Daß, wie dich Mitleid einst zur Erde sandte,
Es jetzo in dein theures Land dich lade.
Da sieh, o Herr voll Gnade,
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Wie wilder Streit erwuchs aus kleinem Brande.
Die Herzen schlug in Bande
Mars, stolz und wild, die blinden;
O Vater, löse sie, dem Hochmuth wehre!
Laß meine Zunge künden,
Wer ich auch seyn mag, deiner Wahrheit Lehre!
Ihr, die ihr in der Herrscherhand den Zügel
Der schönen Länder haltet,
Von denen euer Herz sich abgewendet,
Was hat die fremden Schwerter hier entfaltet?
Was hat die grünen Hügel
Mit der Barbaren Blute rings geschändet?
Von eitlem Wahn geblendet
Seht wenig ihr, und meynet viel zu sehen,
In feilem Herzen suchend Treu' und Ehre.
Je mehr der Söldnerspeere,
Je leichter wirds dem Feind, euch zu bestehen.
O Fluth, die fremde Höhen
Und Wüsteney'n uns senden,
Um unsre holden Fluren zu verheeren!
Wenn von den eignen Händen
Uns solches kommt, wer soll uns Heil gewähren?
Wohl zeigte die Natur sich uns gewogen,
Ließ schirmend sich erheben
Die Alpen zwischen uns und Deutscher Strenge.
Doch täuschte sich ein heillos blindes Streben;
Der starke Leib, umzogen
Von Beul' an Beul', erkrankte in der Länge.
In eines Käfigs Enge
Stehn wild' und zahme Thier' itzt als Genossen,
So daß die Bessern immerdar verzagen,
[64]
Und – was noch mehr zu klagen. –
Von einem rohen Volke jen' entsprossen,
Dem so die Seit' erschlossen
Einst Marius, wie wir lesen,
Daß – noch ist's dem Gedächtniß nicht entsunken –
Um Durstes zu genesen,
Er Blut und Wasser aus dem Strom getrunken.
Von Cäsar schweig' ich, der auf jedem Pfade
Mit Blut die Halme tränkte,
Das unter unserm Schwerte sie vergossen.
Ein feindliches Gestirn, so scheint es, lenkte
Von uns des Himmels Gnade.
Seht da den Lohn, so eurer That entsprossen!
Was ihr getheilt beschlossen,
Es muß der Erde schönstes Land verderben.
Ha, welche Schmach! o Sünde, kaum zu fassen!
Armen Nachbar zu hassen!
Auf seiner kleinen Habe letzte Scherben
Zu lauern! dann zu werben
Um Fremder Gunst und Neigung,
Die ihre feile Seel' um Gold verdingen!
Ich sprech' aus Ueberzeugung
Nicht, weil Verachtung oder Haß mich zwingen.
Gewahrt ihr nicht, was sich so oft erwiesen,
Des Baiern List und Ränke,
Der mit dem Tode scherzet, wenn er schwöret?
Herber ist Schmach, als Schaden, wie ich denke.
Doch mehr des Bluts wird fließen,
Wenn gegen euch ein andrer Zorn sich kehret.
Von früh bis Mittag höret
Auf euch, und seht, wie wenig Andre schätze,
[65]
Wer sich um Gold geringer hält und kleiner.
O Blut du der Lateiner,
Daß solche Schmach nicht länger dich verletze!
Kein Nahme sey dein Götze,
Der inhaltleer erfunden!
Daß uns die Wuth der heimathlosen Horden
Am Geiste überwunden
Ist lediglich durch unsre Schuld uns worden!
Ist dies das Land nicht, das zuerst ich schaute?
Das Nestlein, so mich hegte,
Um süße Kost dem Hungrigen zu reichen?
Ist's nicht die Mutter, die mich sorgsam pflegte?
Der liebend ich vertraute,
Die zärtlich hüllt der Aeltern theure Leichen?
O könnt' ich euch erweichen!
Daß ihr des armen Volkes Thränen sähet,
Des jammerreichen, mit gerührtem Herzen,
Da Lind'rung seiner Schmerzen
Nächst Gott von euch allein es hofft! O stehet
Nicht kalt und unerflehet!
Und gegen Wuth wird Tugend
Sich rüsten, bald der Kampf zum Ziel gelangen;
Ist in Italiens Jugend
Ja noch der alte Muth nicht untergangen.
Ihr Edeln sehet, wie die Tag' entfliegen,
Wie schnell die Jahr' entgleiten,
Und wie der Tod uns nacheilt auf den Füßen!
Noch seyd ihr hier; denkt an die Reis' in Zeiten!
Es muß die dunkeln Stiegen
Die Seel' entkleidet und allein begrüßen.
Haß, Zwietracht sey verwiesen!
[66]
Nicht dürfen euch in diesem Thale schänden
Die Stürme, so des Lebens Heitre schwärzen. –
Die Zeit, zu Andrer Schmerzen
Verwandt, mögt ihr auf bessre Thaten wenden!
So mit Verstand als Händen
Sucht Schönes zu vollbringen,
Ergebt euch einem ehrenvollen Streben!
Das wird euch Freude bringen
Und macht den Himmelspfad euch leicht und eben. –
Ich rathe dir, Canzone,
Sag' höflich deine Meinung; denn zu Leuten,
Die stolz und übermüthig, geht die Reise,
Die sich nach alter Weise
Und bösem Brauche immerfort bereiten,
Die Wahrheit zu bestreiten.
Doch besser wirst du fahren
Bey wenig Edeln, die des Bösen müde. –
»Wer wird, sprich da, mich wahren? –
Ich geh' und rufe: Friede, Friede, Friede!«

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Petrarca, Francesco. Lyrik. Canzoniere. Canzonen. 16. [Zwar, mein Italien, bleiben, was wir sagen]. 16. [Zwar, mein Italien, bleiben, was wir sagen]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-707A-F