XVII.

Von Bild zu Bild, von Berg zu Berg enteile
An Amors Hand ich; denn betretne Stelle
Gewährt mir keine Seligkeit hienieden.
Nur zwischen Höhn, am Bach in stiller Weile,
Im Schattenthal, an blumenreicher Quelle
Erringt die zage Seele sich den Frieden.
Wie Amor es beschieden,
Frohlockt sie bald, verzaget bald in Wehe,
Und das Gesicht, so ihr gehorcht in Liebe,
Ist heiter bald, bald trübe,
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Daß nimmer es sich gleicht; und wer es sähe
Und solches kennt, »der glühet,« würd' er sagen,
»Und weiß nicht, soll er hoffen oder zagen.«
Auf Bergeshöhn, wo Wälder finster ranken,
Nur find' ich Ruhe; feindlich meinem Herzen
Ist jede Wohnung. Allerwärts umringen,
Wo ich auch geh', stets neu mich die Gedanken
An meine Herrinn, und wandeln die Schmerzen
In Spiel oft um, die mich für sie durchdringen.
Und müßt' es auch gelingen,
Kaum ändert' ich solch bittersüßes Leben.
»Vielleicht hat Amor Bessres dir beschieden,«
Sprech' ich; »selbst unzufrieden
Mit dir, findest du Sie einst dir ergeben!«
Und seufzend frag' ich dann im Weitergehen:
»O wird es je, und wie, und wann geschehen?«
Wo sich der hohen Pinie Schatten dehnen,
Da ruh' ich, und gleich auf dem nächsten Steine
Entwerf' ihr schönes Bild ich in Gedanken.
Zu mir dann wend' ich mich und seh' von Thränen
Die Brust benetzt. »Was,« ruf' ich da und weine,
»Entrückte, Armer, dich der Wahrheit Schranken?« –
Kann aber sonder Wanken
Mein irrer Sinn am ersten Bilde hangen,
Es sehn von Selbstvergessenheit umfahen,
Erkenn' ich Amors Nahen,
Und segne froh den Wahn, der mich befangen.
So oft, so schön erscheint sie mir, daß währte
Die Täuschung nur, ich Andres nie begehrte.
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Ich sahe sie – wer glaubt, was ich verkünde? –
Wohl oft in klarem Quell, auf grünen Matten,
In Silberwölkchen, unter Buchenzweigen,
So wunderschön, daß Leda selbst gestünde,
Der Tochter Schönheit steh' vor ihr im Schatten,
Wie Sterne vor der Sonne Strahl erbleichen.
Je öder rings das Schweigen,
Je dunkler mich des Waldes Nächt' umweben,
So mehr erscheint sie mir in lichter Klarheit.
Verscheuchet dann die Wahrheit
Den süßen Irrthum, sitz' ich ohne Leben
Kalt auf lebend'gem Steine, selbst versteinet,
Gleichwie ein Mensch, der sinnet, schreibt und weinet.
Bald drängt zu einer freyern, offnern Höhe,
Welche der andern Schatten nicht erreichen,
Mich aufwärts ein gewaltiges Verlangen;
Dann mess' ich mit dem Blick mein ganzes Wehe,
Und allgemach in Thränen niedersteigen
Die trüben Nebel, die mein Herz umhangen,
Bedenk' ich unbefangen,
Wie viel der Luft mich trennet von der Süßen,
Die stets so nah und ferne meinen Sinnen.
Leis tönt es dann von innen:
»Was thust du, Armer? Dort vielleicht auch fließen
Thränen, weil du so weit dich wegbegeben!«
Und aus den Worten quillt mir neues Leben.
Dort, jenseit jener Alpen,
Canzone, wo der Himmel heitrer lächelt,
Wirst du mich wiedersehn, am Silberbache,
Wo unterm Blüthendache
Ein süßer Duft aus Lorbeerzweigen fächelt;
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Da weilt mein Herz und die es mir entwunden,
Da einzig wird mein Bild von dir gefunden.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Petrarca, Francesco. Lyrik. Canzoniere. Canzonen. 17. [Von Bild zu Bild, von Berg zu Berg enteile]. 17. [Von Bild zu Bild, von Berg zu Berg enteile]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-70D3-3