[184] Die Königswahl

Das Reich der Affen ist, wie Pohlen,
Ein Wahlreich; nur daß Kapriolen
Der Pavianen Thron verleihn.
Am Churtag ziehn die Candidaten
In einen lichten Palmenhayn.
Hier weist das Volk und die Magnaten
Den Werbern eine Cocosnuß,
Die der im Sprunge pflücken muß,
Der sich zum Rang des Autokraten
Erheben will. Vor kurzem starb
Schach Matz der vierte, groß an Thaten;
Er fraß für drey. Sogleich bewarb
Ein Trupp von sieben Exzellenzen
Mit blauem Bart und falben Schwänzen
Sich um den Thron. Zuletzt erschien
Auch noch ein achter Paladin,
An den kein Mensch im Traume dachte.
Es war ein mißgeschaffner Zwerg,
Mit einem Höcker wie ein Berg
Und einem Stelzfuß. Alles lachte:
Er lachte mit. Der Kampf begann,
Die Streiter sprangen Mann für Mann,
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Wie Flöhe nach dem schlanken Aste,
An dem der Völker Schicksal hieng.
Sie thaten Wunder; jeder faßte
Den Preis. Doch von den sieben fieng
Ihn keiner; wie ein Aal entgieng
Die Nuß, die stets zu fallen drohte,
Des Haschers ausgestreckter Pfote,
Nur eine Faser hielt sie noch,
Als der Aesop an seiner Krücke
Auf den verlaßnen Kampfplatz kroch.
Von Hoffnung und vom blinden Glücke
Beflügelt, wagt er einen Satz,
Der freylich nur die Luft bewegte!
Und doch dem schiefen Junker Matz
Das Königreich zu Füßen legte.
Man hob ihn schwebend auf den Thron
Und aus dem bunten Chor der Zünfte
Erscholl der laute Jubelton:
Es lebe König Matz, der fünfte!

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Pfeffel, Gottlieb Konrad. Gedichte. Fabeln und Erzählungen. Dritter Theil. Viertes Buch. Die Königswahl. Die Königswahl. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-728C-6