Vorrede

Als mich im Jahr 1783. ein unbefugter Sammler zur Herausgabe meiner zerstreuten Fabeln veranlaßte, war ich weit entfernt, den Beyfall zu ahnen, womit diese Proben aufgenommen wurden. Ich muß glauben daß er nicht sowohl durch das kritische Gefühl, als durch ein sanftes Wohlwollen gegen den Verfasser, erzeugt ward. Aber eben dieses liebreiche Zunicken der Seele ist für sein Herz mehr als die Krone des Genie's, auf die er ohnehin nie Anspruch machte.

Durch so viele Stimmen bekannter und unbekannter Freunde aufgemuntert, vermehrte ich die zweyte Auflage dieser Sammlung mit einem neuen Bande, theils ungedruckter, [5] theils verbesserter alter Stücke, worauf im Jahr 1790. ein dritter Theil vermischter Gedichte folgte, mit welchem ich, nach meiner damaligen Aeusserung, meine poetische Laufbahn beschlossen haben würde, wenn nicht der Revolutionskrieg mich genöthigt hätte, wichtigern Arbeiten zu entsagen, die in einem Zeitraum von 20 Jahren beynahe alle meine Stunden ausgefüllt hatten.

Diese eben so unerwartete als ungewünschte Muße führte mich zur Poesie zurück, und die schrecklichen Auftritte, die in den folgenden Jahren mein Vaterland zerrütteten, veranlaßten mich, in dem Umgange mit Thieren eine Zerstreuung gegen die Greuel zu suchen, welche damals die Menschheit entehrten.

Die Fabeln des liebenswürdigen Florian waren eben erschienen, ich versuchte es, die vornehmsten derselben auf deutschen Boden zu verpflanzen, und in der Folge dehnte ich diese [6] Arbeit auch auf andere französische Fabeldichter aus, darunter ich nur La Motte, Desbillons, Aubert, Imbert, Dorat, Vitalis und Nivernois nenne, weil die Uebrigen, wie CazotteBelloy u.s.w. mir nur wenig Materialien geliefert haben.

Diese Nachahmungen und meine eigenen Versuche setzten mich schon vor vier Jahren in den Stand, eine neue um das gedoppelte vermehrte Auflage meiner Gedichte anzukündigen, deren Erscheinung aber, durch den fortdaurenden Krieg und durch andere unüberwindliche Hinderniße, bis jetzt verzögert wurde. Ich habe Ursache zu glauben, daß die Leser durch diesen Aufschub nichts verloren haben. Ich gewann dadurch Zeit, dieser Ausgabe alle Vollendung zu geben, die meine Kräfte mir erlaubten, und das Zutrauen so vieler Freunde meiner Muse mir zur Pflicht machte.

[7] Da die drey ersten Theile in verschiedenen Epochen ans Licht traten, und jeder eine Nachlese älterer Stücke enthielt, so habe ich diese nun alle in den ersten Theil vereinigt, und ihre Zahl mit einigen, noch nicht gesammelten, Stücken vermehrt. Ungeachtet ich sie zuvor unter die Feile nahm, so fürchte ich doch, daß einige darunter die strengere Prüfung der Kritik nicht aushalten mögen. Diese Jugendproben werden aber allemal dazu dienen, die verschiedenen Stufenjahre meiner Laufbahn zu bezeichnen, und in dieser Rücksicht darf ich ihnen vielleicht die Nachsicht der Leser versprechen.

Auch in den übrigen Theilen habe ich die chronologische Ordnung, mit der Abwechslung des Sylbenmaaßes und der Materien, so viel möglich zu vereinigen gesucht, um der Ermüdung vorzubeugen, welche eine ununterbrochene Reihe ähnlicher Dichtarten, in einer [8] Folge von mehreren Bänden, hätte erzeugen müssen.

Unter den Uebersetzungen und Nachahmungen befinden sich einige wenige, die schon vor mir, und gröstentheils ohne mein Wissen, von andern Dichtern bearbeitet wurden. Ich habe sie beybehalten, weil sie entweder in den vorigen Ausgaben standen, oder in einem andern Gewande erscheinen als ihre Vorgänger, ohne die Anmaßung zu haben, ihnen in den Weg zu treten.

Ich hätte diese Sammlung mit verschiedenen, durch die Zeitläufte veranlaßten, Gedichten vermehren können, da sie aber größtentheils nicht mehr an der Tagesordnung sind, so glaubte ich nur diejenigen aufnehmen zu dürfen, die noch jetzt, entweder in Rücksicht auf ihre Veranlassung oder auf ihren Verfasser, einiges Interesse haben.

Wenn übrigens zu der gegenwärtigen Ausgabe [9] ein größeres Format und eine grössere Schrift gewählt wurden, als die Ankündigung versprach, so geschah es, um dem ziemlich allgemeinen Wunsche der Subscribenten zu entsprechen, die Dankbarkeit mir zum Gesetze machte.

Da der sechste Theil dieser Sammlung meinen Vorrath nicht ganz erschöpfen dürfte, so ist es wahrscheinlich, daß ich sie fortsetzen, gewiß ist es aber, daß ich von der Autorscene abtreten werde, sobald die Kritik mir ihr ehrfurchtgebietendes ohe, jam satis est! zurufen wird.

Colmar im April 1802.


Der Verfasser. [10]

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TextGrid Repository (2012). Pfeffel, Gottlieb Konrad. Gedichte. Fabeln und Erzählungen. Erster Teil. Vorrede. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-739C-9