[90] Der Marder

Einst ließ der Thiere Großsultan,
Wie es schon oft sich zugetragen,
Durch das Geschrey von einem Hahn,
Sich wie ein feiger Hase jagen.
Die Thiere, die ihn laufen sahn,
Verhöhnten ihn. Um diesen Flecken
Auf eine schickliche Manier
Vor seinem Volke zu verstecken,
Befahl der König jedem Thier,
Beym Krähen eines Hahns zu fliehen.
Es zeigt, sprach er, ein Unglück an,
Das nur die Flucht vermeiden kann.
Sir, rief der Marder auf den Knieen,
Wie kann ich dein Gebot vollziehen?
Die Hüner sind mein täglich Brod;
Und statt mich durch sein Krähn zu schrecken,
Läßt mich der Hahn ihr Nest entdecken.
»Rebell, erwiedert der Despot,
Mit einem Blick, der Flammen spritzet,
Fleuch vor dem Hahn! Brod hin! Brod her!« –
Weh dem, der eine Tugend mehr
Als sein durchlauchter Fürst besitzet!

Notes
Entstanden 1786.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Pfeffel, Gottlieb Konrad. Der Marder. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-73B0-A