Nr. 199. Die unschuldig Hingerichtete.

Zu Osterode diente in einem Hause eine Magd, die war bisher ganz redlich gewesen, und der Eigentümer des Hauses beschuldigte sie eines Diebstahles, sie sollte nämlich einen Ring gestohlen haben. Die Magd beteuerte zwar lange ihre Unschuld, aber es half nichts, sie wurde ins Gefängnis gebracht. Damals galt aber das Gesetz: daß wer fünf Thaler an Wert gestohlen hätte, den Galgen bekleiden müßte, und deshalb wurde die Magd auch nach dem Ührderberge unweit Osterode zum Galgen geführet.

Es begleitete sie aber dahin ein frommer Pfarrer, der sie tröstete und zur Beichte aufforderte; sie beteuerte ihre Unschuld, und dem Pfarrer wurde zuletzt doch schwül ums Herz. Sie gab ihm die Versicherung, daß sie durch zwei Tauben, die ihm in sein Haus fliegen sollten, ihre Unschuld zeigen wollte. Nicht lange danach, daß sie gerichtet war, kamen auch wirklich die zwei weißen Tauben und flogen in das Zimmer des Pfarrers. Da trug der Pfarrer darauf an, daß der Galgen abgerissen wurde, was auch geschah, und es ist nach der Zeit keiner wieder so leicht hingerichtet worden.

Andere sagen, es sei um 1770 gewesen, daß die Magd in Osterode unschuldig hingerichtet sei, und sie habe vor dem Galgen, der auf dem Ührderberge bei Osterode stand, gesagt: sie würde so lange in Schafsgestalt nach ihrem Tode spuken gehen, bis ihre Unschuld an den Tag käme. Wie sie nun gehänget war, da konnten die Leute vierzehn Tage lang nicht [196] schlafen vor allem Schafblöken, bis es sich fand, daß eine Elster den Ring gestohlen hatte.

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TextGrid Repository (2012). Pröhle, Heinrich. Sagen. Harzsagen. Sagen der osteröder Gegend. 199. Die unschuldig Hingerichtete. 199. Die unschuldig Hingerichtete. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-86F9-B