Nr. 186. Von einer Gastwirtsfrau, die nicht treu gehandelt hat.

Eine Gastwirtsfrau in Lerbach hat die Leute betrogen mit Gewicht und Gemäß, hat Wasser zwischen die Milch gethan und überhaupt nicht richtig gehandelt. Einstmals ging sie in den Keller und wollte einem Reisenden ein Glas Bier holen. Als sie bei dem Bierfaß stand, so kam mit einem male der Keller niedergestürzet, und fiel die alte Frau tot, und haben die Angehörigen drei Tage müssen arbeiten, ehe sie die Frau gefunden haben, und da ist sie gehörig beerdiget. Aber von der Zeit an ist sie spuken gegangen. Wenn die Leute des [182] abends noch in den Stall gewollt haben, hat sie bei der Kuh gesessen, oder haben sie in den Keller gewollt, so hat sie vor dem Bierfasse gesessen, oder wenn sie des morgens haben einheizen wollen, so hat sie vor dem Ofenloche gesessen; dann haben die Leute ihr erst jedesmal einen Schlag geben müssen, ehe sie fortgegangen ist. Die Leute wußten sich zuletzt nicht mehr zu helfen und erzähleten es einem alten Manne, der sagte: »Ach, Lühe, jie möttet den Pastor un einen Pater or einen Kapziener kohm laten, dat jöck dei dat ole Speukedink in dat Möhlendahl verwiesen kann.« Also kamen die Verweiser an und forderten das alte Spukeding hervor. Als sie nun kam, so sagte der Pater: »Hanne Charlotte, du sollst in das Mühlenthal verwiesen werden.« Da sagte das alte Spukeding: »Ach, ne, ne, ek kann nich ut mienen Krauge ruter gahn, dat is et Mienige, et is et Mienige.« Der Pater ließ nicht nach und verwies sie in das Mühlenthal. Aber das Gespenst war immer wieder in dem Gasthause gesehen und auch in dem Mühlenthale. Einen Abend kam sie einmal zwischen elf und zwölf Uhr wieder und bettelte, daß sie doch nur möchte unter der Treppe eine kleine Stelle haben, aber da kam der alte Wirt und sagte zu der Verwiesenen: »Du hest nu diene Stehe in den Möhlendahle, da geist du ok weer hen oder ek will dek Beine maken.« Da schrie sie noch einmal: »Ek sal ut mienen Krauge gahn, dat is et Mienige, et is et Mienige.« Da ward auf einmal ein Sausen und Brausen in dem Gasthause, daß einem jeden angst und bange ward und da war das alte Gespenst auf einmal fort und ist nun bloß noch in dem Mühlenthale spuken gegangen, und da hat sich kein Mensch dürfen hinwagen vor ihm. Also dieser Wirt hat einstmals in diesem Thale Feuerholz gehabt und hat da mehrere Frauen genommen, die das Holz tragen sollten. So gingen sie denn hin und trugen an dem Feuerholze. Als das eine Mädchen sein Bund aufgehucket hatte, kam das alte Gespenst und setzte sich auf das Holz hinten drauf. Da konnte das Mädchen nicht aufstehen. Da warf das Mädchen das Bund Holz ab und lief nach Lerbach. So ist es vielen Mädchen beim Holzholen im Mühlenthale ergangen.

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TextGrid Repository (2012). Pröhle, Heinrich. Sagen. Harzsagen. Lerbacher Sagen. 186. Von einer Gastwirtsfrau, die nicht treu gehandelt hat. 186. Von einer Gastwirtsfrau, die nicht treu gehandelt hat. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-87AA-6