[144] An meinen Freund Alxinger

Pressburg im Heumond 1784.


Du, dessen Kopf, gleich andern unerfahrnen
Selbstdenkern, zwar in Satans Netz gerieth,
Doch dessen Herz so warm für Tugend glüht,
O Theuerster! lass dich vor Unheil warnen!
Lies dieses Blatt! es ist kein Traumgesicht:
Lies es, o Freund! und wundere dich nicht,
Dass ich so schnell, als folgten schon die Schaaren
Beelzebubs mir rücklings auf dem Fuss,
Zum Flüchtling ward, und ohne Gruss und Kuss
Mich in das Land schnurbärtiger Madjaren,
Wo man noch gern nach Amuleten greift,
Und Gold dafür in Bonzensäcke häuft,
Wo noch bis itzt die leidige, verruchte
Philosophie, die Seuche dieser Zeit,
[145]
Ihr Unkraut nur verstohlen ausgestreut,
Incognito hieher zu retten suchte.
Denn horch! als jüngst Gott Morpheus (der bisher
Mich nie verwaist', und oft nur allzusehr
Ob meinem Haupt sein Mohnsaftschälchen leerte)
Zurückgescheucht vom Hundsstern, dem der Süd
Glutathmend stäts dicht an der Seite zieht,
Hartnäckig mir den spröden Rücken kehrte,
Las ich mit Graun Sankt Johanns Vision
Vom Sündenmass der Hure Babylon
Und ihrem Fall in der Apokalypse.
Sieh! da erschien, ein Stückchen Feuerbrand
In seinem Mund, ein Schwert in seiner Hand,
Bald blendendweiss, als wär' er ganz von Gypse,
Bald scharlachroth vom Kopfe bis zum Knie,
Itzt riesengross, nun wie ein Kolibri,
Ein Cherub mir an meinem keuschen Bette.
Weh, rief er aus, dir, Kaiserstadt! es ist
Schon ausgestreckt das Rachschwert! denn du bist
Der Ketzer Sitz, der Heiden Zufluchtstätte.
[146]
Abtrünnige! verhärtet ist dein Sinn;
Du opferst nicht, raubst des Altars Gewinn
Der Priesterschaft, lachst, wenn Prophetenlippen
Dir Unheil drohn, siehst, voll von eitlem Wahn,
Den Thaumaturg für einen Heuchler an,
Und beugst kein Knie vor heiligen Gerippen.
Dein freches Volk kunstrichtert Gottes Wort,
Stürmt Bilder, glaubt an keinen Gnadenort,
Und scheut sich nicht, auf Bullen selbst zu schelten.
Dein Mass ist voll: gezählt ist Gräul für Gräul:
Der Rächende, mit Blitz und Donnerkeil
Bewaffnet, naht, dir bitter zu vergelten.
Wie Sodom einst bis auf den Grund ein Raub
Der Flamme ward, so sollst auch du zu Staub,
O Kaiserstadt! dich bald verwandelt sehen.
Kein Menschenohr vernehme mehr hinfür
Der Harfe Klang, der Geige Laut in dir!
Es soll kein Stein mehr auf dem andern stehen.
Der Engel schwieg, und blitzschnell flog er fort,
So wie er kam. Sein grauenvolles Wort
[147]
Betäubte mich. Was konnt' ich thun, als fliehen?
Denn ach! ich roch den Schwefelregen schon,
Und sah im Geist das neue Babylon
Schon um und um gleich einem Ofen glühen.
Erst griff die Glut die zügellose Schaar
Broschüren an, die nun schon manches Jahr
Der Himmel uns statt Landesplagen sandte,
Und die, weil sie, wie männiglich bekannt,
Aus trocknem Stoff und wenig Saft bestand,
Im Augenblick, wie dürres Stroh, verbrannte.
Doch helft! ach helft! nun dränget fürchterlich
Des Feuers Grimm zu edlern Werken sich,
Woran sich noch die spätsten Enkel freuten.
Ach! rettet mir die Monachologie!
Schon schrumpfen sich die Blätter: rettet sie!
Umsonst! umsonst! sie brennt von allen Seiten.
Hier wird ein Blatt, das Sonnenfelsens Muth
Verewigte, das Opfer wilder Glut:
Sieh! wie der Neid vor Schadenfreude tanzet!
Dort prasselt Prinz Äneas, dessen Haupt
Blumauer jüngst des Heldenschmucks beraubt,
[148]
Und säuberlich mit Mambrins Helm bepflanzet.
Hier wirbelt sich ein kühnes Meteor
Aus Haschka's Kiel, schon halb verbrannt, empor:
Welch ein Triumph für Wiens Inquisitoren!
Dort sieht mein Blick vom redlichen Faustin
Die Katastroph' in heller Lohe glühn:
Hier glimmt ein Stück der Predigercensoren,
Und ach! nun fällt der wüthende Vulkan
Das Manuskript von deinen Liedern an.
Was half's, o Freund! dass du sie mühsam feiltest,
Und den Gewinn, von freudigem Gefühl
Durchglüht, im Geist schon unter das Gewühl
Nothleidender mit milder Hand vertheiltest?
Dem Landmann gleich, der ängstlich Rettung sucht,
Wenn Schlossen ihm des Halmes reife Frucht,
Da ihrer schon die Sichel harrt, zerknicken,
Steht trostlos rund um deines Hauses Brand
Der Armen Schaar, und ringt die starre Hand
Mit stummem Schmerz und thränenvollen Blicken
Die Feuerwach' eilt fruchtlos rings herbey;
Am jüngsten Tag nützt keine Polizey.
[149]
Wohl mir, dass ich der grässlichen Verheerung
Mit heiler Haut, Gottlob! entronnen bin!
Verlass auch du das ketzerische Wien!
Noch ist es Zeit zur reuigen Bekehrung.
Nimm deinen Stab! komm! Ungarns Töchter sind
Nicht männerscheu, und sieh! in Strömen rinnt
Tockayer hier von orthodoxer Währung.
Lass uns, o Freund! fern von der bösen Stadt,
Uns gütlich thun, wie Vater Loth einst that.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Ratschky, Joseph Franz. Gedichte. Gedichte. An meinen Freund Alxinger. An meinen Freund Alxinger. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-8C56-D