[114] Der feste Vorsatz

Wien im Weinmond 1782.


Gott Amor, der du unverhofft
Den Schwärmer Treue lehrest,
Und einen weisen Graubart oft
In einen Faun verkehrest!
Dich ehret man, o Cypripor!
In Hütten und in Hallen,
Und sieh! der Weise wie der Thor
Sind deiner Macht Vasallen.
Es küssen deinen Zepterstab
Der wildsten Völker Rotten
Vom kalten Lappen bis hinab
Zum braunen Hottentotten.
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Dir huldigen in Hindostan
Die finsteren Braminen,
Dir muss der ernste Grosssultan,
So wie sein Sklave, dienen.
Man kennet deine Macht nicht nur
Bey ungeweihten Layen:
Man ehrt dich auch, trotz Eid und Schwur,
In Klöstern und Abteyen.
Zwar wähnen, durch Kasteyn gestärkt,
Die Bonzen dich zu zwingen,
Doch weiss man, dass sie unbemerkt
Dir manches Opfer bringen.
Du darfst nur winken, so befällt
Den klügsten Kopf der Schwindel,
Und Herkules, der stolze Held,
Erniedrigt sich zur Spindel.
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Doch, Gott der Liebe! deine Macht
Mag auch noch weiter reichen,
Ich bin es müde, Tag und Nacht
An deinem Joch zu keichen.
Unzählbar, wie der Sand am Meer,
Unzählbar sind die Plagen,
Die ich in deinem Dienst bisher
Bey Tag und Nacht ertragen.
Zwangst du nicht nachts, wenn alles ruht,
Mich stundenweit zu laufen,
Und in des Mittags strenger Glut
Nach Athem oft zu schnaufen?
Und triebst du mich nicht hundertmal
Des losen Mädchens wegen,
Das mir Vernunft und Freyheit stahl,
Durch Sturmwind, Frost und Regen?
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Sonst pries man als ein Muster mich:
Mein Ruf war ohne Makel,
Und ach! nun dien' ich rings durch dich
Dem Volke zum Spektakel.
Ich bin es satt, ein Thor zu seyn.
Du magst mit deinen Pfeilen
Und deinem bunten Köcherlein
Nun in das Rüsthaus eilen.
So rief ich auf. Da kam, o weh!
Mit frischen Rosenwangen
Und einem Busen, weiss wie Schnee,
Ein schönes Kind gegangen.
Dionen glich es an Gestalt.
Wie sollt' ich widerstehen?
Wie konnt' ich ungerührt und kalt
So viele Reitze sehen?
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Es schlang den weichen sammtnen Arm
Mir lächelnd um den Nacken,
Und sieh! mein Blut ward brennendwarm,
Es glühten meine Backen.
Ich überliess mich taumelblind
Dem mächtigsten der Triebe,
Und fand, dass Ketten süsser sind,
Als Freyheit ohne Liebe.
Mag jeder, den diess Schwachheit däucht,
Mich auch der Thorheit zeihen;
Wenn jede Schwachheit dieser gleicht,
So soll mich keine reuen.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Ratschky, Joseph Franz. Der feste Vorsatz. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-8CAE-B