[291] An Herrn Haschka

Linz im Weinmond 1787.


Ob auch wohl Haschka's Mund noch manchmal mein erwähnt?
Ob sich im fernen Wien das Häuflein meiner andern
Geliebten in Apoll zuweilen nach mir sehnt?
Ob ich noch werth euch bin? Freund! diese Zweifel wandern
Oft bang mit mir umher, wenn ich mit irrem Fuss
Durch einsames Gesträuch im Abendglanze walle:
Doch traulich lispelt mir der holde Genius
Der Freundschaft in das Ohr: sie lieben dich noch alle.
Sie lieben, wiederholt, des Herzens Lustgefühl
Verkündigend, mein Mund, sie lieben dich noch immer,
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Und rasch ergreif' ich dann den trägen Dichterkiel,
Um euch auch meinerseits, dass eher Titans Schimmer,
Als meiner Liebe Glut, für euch erlöschen soll,
So gut ich's noch vermag, in Reimen zu betheuern:
Doch spröde weigert sich der Versegott Apoll,
Vom Aktenstaub verscheucht, mich Armen zu befeuern,
Und fühl' ich manchmal auch den Einfluss seiner Macht,
So sträubt die Sprache sich. Statt munterer Trochäen
Naht meinem Pulte sich phlegmatisch, voll Bedacht,
Ein gravitätisch Paar schwerfälliger Spondäen:
Statt eines Anapästs hinkt langsam, wie ein Dachs,
Mit seinem dicken Wanst mir ein Moloss entgegen,
Und flüchtig, wie ein Reh, hüpft statt des Amphybrachs
Ein Daktylus herbey, und machet mich verlegen.
Kurz, Klio hält nicht mehr mich eines Blickes werth,
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Und wag' ich's, ohne sie ein Lied euch darzubringen,
So widersetzet sich das stolze Flügelpferd,
Sich mit der schlechten Fracht zu euch hinabzuschwingen.
Missmüthig wünsch' ich dann das leidige Geschäft,
Vergeblich stundenlang mit Sylben mich zu balgen,
Samt der erlauchten Schaar der Musen, die mich äfft,
(Apoll vergebe mir die Lästrung!) an den Galgen,
Vernichte, was ich erst mit Müh und Schweiss ersann,
Und wünsche sehnsuchtsvoll mir bald Medeens Drachen,
Mit denen sie Korinths verhasster Burg entrann,
Bald Dädals Fittige, bald Blanchards Zaubernachen,
Der dreist den Ocean des Äthers rings durchkreutzt,
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Um plötzlich über Berg' und Hügel fern von hinnen,
Wo keines Freundes Lied mich zu Gesängen reitzt,
Zu euch, ihr Günstlinge der Dichtkunst, zu entrinnen,
Zu euch, in deren Kreis auch ich den süssen Hang
Zu Musenkünsten einst in mir sich regen fühlte,
Durch deren Zuspruch es mir Blöden oft gelang,
Dass Klio's Schwesternschaar huldlächelnd nach mir schielte.
O Freund, um dessen Haupt die Hand Kalliopens
Den grünen Lorber flocht, mein Haschka! wann erscheinet
Der feyerliche Tag, der Tag des Wiedersehns,
Der wieder mich mit euch, ihr Lieben! einst vereinet,
An dem ich, aus dem Grün des Wienerwalds hervor
Mich windend, allgemach des Domes Thurm erspähe,
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Und freudig wie Ulyss zum Wolkensaum empor
Rings meiner Vaterstadt Schorsteine qualmen sehe?
Wann werd' ich euerm Kreis von neuem einverleibt?
Wie? oder kehr' ich nie vielleicht zu euch, so brünstig
Mein Herz es wünscht, zurück? Im schlimmsten Falle bleibt
Auch dem entfernten Freund, ihr Theuern, hold und günstig!

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TextGrid Repository (2012). Ratschky, Joseph Franz. Gedichte. Gedichte. An Herrn Haschka. An Herrn Haschka. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-8D34-2