[7] Vorrede zur Ersten Auflage

Wenn jemand unser Zimmer betritt mit der Entschuldigung, daß er so frei sei – und dasselbe verläßt mit der Entschuldigung, daß er so frei gewesen sei –, so mag das immerhin ein Zeugnis für seine gute Lebensart abgeben, unterhaltend wird man es aber nicht finden. So müßte eigentlich ich meinen Lesern gegenüber mich benehmen, ich müßte mich entschuldigen und wieder entschuldigen wegen der Unbedeutendheit meines Stoffes, wegen der Mangelhaftigkeit der Form und, was sonst kein Schriftsteller nötig hat, auch noch wegen der Unbeholfenheit der Sprache. Dies alles würde aber etwas langweilig ausfallen, und wie gescheut ich auch meine Verteidigung führen möchte, man würde mich doch höchstens nur von der Instanz absolvieren und meine Verbrechen gegen den guten Geschmack nur für den Augenblick mit Stillschweigen übergehen. Meine Gedichte sind nicht wie vornehmer Leute Kinder mit kleinen Ohren und aristokratischen Händen, geschnürter Taille und zartem Teint in die Welt gesendet worden, die allenthalben rücksichtsvolle Aufnahme finden und sich dafür mit gesetzten, zierlichen Worten bedanken. Nein! sie sind oder sollen sein eine Kongregation kleiner Straßenjungen, die in »roher Gesundheit« lustig übereinander [8] purzeln, unbekümmert um ästhetische Situationen, die fröhlichen Angesichts unter Flachshaaren hervorlachen und sich zuweilen mit der Torheit der Welt einen Scherz erlauben. Der Schauplatz ihrer Lust ist nicht das gebohnte Parkett fürstlicher Salons; nicht der farbenglühende Teppich zierlicher Boudoirs; ihre Welt ist der offene Markt, die staubige Heerstraße des Lebens, dort treiben sie sich umher, jagen und haschen sich, treten ernst umherstolzierenden Leuten auf die Zehen, rufen dem heimwärtsziehenden Bauern ein Scherzwort zu, verspotten den Büttel, ziehen dem Herrn Amtmann ein schiefes Maul und vergessen die Mütze vor dem Herrn Pastor zu ziehen. Ja, springt und lärmt nur, ihr armen Schelme! Bald wird es aus sein mit eurer Lust, und wenn ihr unter fremde Leute kommt, wird man euch ziehen und zerren, euch richten und hobeln, man wird eure Ausgelassenheit züchtigen; was ihr in aller Unschuld und Natürlichkeit für Scherz hieltet, wird man euch als Grobheit und Roheit in Anrechnung bringen, und selten werdet ihr jemand finden, der eure Fehler entschuldigt und eure Blöße bedeckt.

Dort kommt die Frau von Hohendunst. – »Ruhig, ihr Jungen!« – Frau von Hohendunst betrachtet meine liebe Jugend von ferne mit ihrem Augenglase und wendet sich mit Widerwillen ab: »Pfui! wie garstig! Kein einziger auf Höheres deutender Zug, keine auch noch so entfernte Spur von Romantik in den Physiognomien dieser Kanaille.« – Herr Blauendunst, magister artium und professor eloquentiae: »Ihr ewigen Götter und du, schützende Pallas Athene! Böotischer Brut zahnbrechenden Laut vernehm' ich und dorische Klänge.« – Herr pastor primarius Trübendunst: »Durchbruch nur im äußern Menschen, im Innern eitel Weltlust.«

So werden denn nun wohl die Urteile der Welt alias Rezensionen ausfallen; ich bin darauf gefaßt und sitze, wie der Perser sagt, auf dem Sofa der Geduld und rauche die Pfeife der Erwartung; und nur ein Fall könnte auf meine Ruhe sehr störend wirken, wenn es nämlich dem Bauern Jochen Päsel [8] plötzlich in den Sinn käme, mir mit seinem Spazierstocke von Kreuzdorn einen Besuch abzustatten und von mir über die Mitteilung einzelner Vorfälle seines Lebens Rechenschaft zu verlangen; wenn er sich so recht breitspurig und mit Hinweisung auf seinen braunen Begleiter vor mich hinstellte und fragte: »Herr, wat hewwen Sei mit mi un min Fru tau dauhn?« Das, gestehe ich, würde mir unangenehm sein, und um dieser oder ähnlichen Unannehmlichkeiten aus dem Wege zu gehn, erkläre ich, daß ich weder den Bauer Päsel, noch Schulze, Müller, Schmidt, Schröder, noch irgend eine unter meinen kleinen Straßenjungen vorkommende Person gemeint habe und daß das, was von Lübz erzählt ist, von Teterow gilt und das aus Teterow Berichtete von Güstrow und so weiter.

Allen meinen guten Freunden einen herzlichen Gruß!

Treptow an der Tollense, den 18. Okt. 1853


F. Reuter

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Reuter, Fritz. Gedichte. Läuschen un Rimels. Erste Folge. Vorrede zur Ersten Auflage. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-8E5C-4