[158] 8. Ballade

(Gemeinsam zu singen.)


Das war von der Löwenburg die hohe Frau,
Die hatt' einen einzigen Sohn;
Nur nach waidlichem Werk, mit dem Morgenthau,
Stand sein Sinn, bei des Jagdhorns Ton.
Die Gräfin dachte, wie mach' ich dich zahm,
Mein junger Falke du?
Bis daß ihr der Schalk zu Hülfe kam,
Der sprach, und sie lachte dazu.
Sie lachte, doch faßt sie sich ernsten Muth:
So sollst du mein Bote sein!
Dies Brieflein geb' ich in deine Hut,
An des Pfalzgrafen Töchterlein.
Dann auf, in den Wald, und zu wagendem Spiel
Mit Herrn Godilo, meinem Sohn!
Und kommen wir noch zu fröhlichem Ziel,
So habe der Schalk seinen Lohn!
Herr Godilo jagte durch Wald und Geheg,
Ward zornig vor Müdigkeit:
Du Schalk, hast verwirrt mir Weg und Steg!
Wär' ein Brünnlein dem Durst nur bereit! –
[159]
Das Brünnlein, da fließt gar kühl und gemach,
Und winkt uns hinunter zum Rhein,
Zum Willkomm grüßt unter'm Schattendach
Des Winzers Töchterlein.
Herr Godilo kannte kein Jagen mehr,
War am Brünnlein in jeder Früh':
Um dein nur, o Jungfrau, komm' ich daher,
Doch dankst du mir nicht die Müh'!
»Bin nichts, als des Winzers Töchterlein,
Weiß nichts, was euch lohnte den Gang!«
So sollst du im Schloß mir die Herrin sein,
Die ganz mir die Seele bezwang! –
Die Gräfin wohl auf den Söller schritt,
Der Pfalzgraf an ihrer Seit'.
Zu der Löwenburg ein Gefolge ritt,
Und sie winkten und lachten Beid'.
»Herr Godilo, daß sie des Grafen Kind,
Das schaffe dir keinen Gram!
Willkommen, mein Töchterlein hochgesinnt,
Halt' mir meinen Falken zahm!«

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TextGrid Repository (2012). Roquette, Otto. 8. Ballade. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-9D9A-0