[100] Lantsknechtspiegel

Des kriegs art, frucht und lon magst du hierin verston.


Als ich vor dreißig jaren,
noch jung und unerfaren,
oft höret vom krieg sagen,
und mir auch hart anlagen
mein gsellen, das ich hin
solt in den krieg mit in,
auch etwas zu erfaren,
das ich in alten jaren
darvon zu sagen west,
fürsagten mir das best,
das ich ein lust gewun
zum krieg, und dem nachsun,
wie noch manch junges blut
aus unwißenheit tut.
nun, eins nachts gegen tag,
als ich frei munter lag,
erschin mir hell und pur
der groß got der natur,
Genius, sprach zu mir:
wolauf, gsell, das ich dir
den krieg tu zeigen on,
sein art, frucht und sein lon!
wenn ich dir den fürstel,
nach dem dir auserwel,
in disen krieg zu ziehen,
oder in gar zu fliehen.
nach dem da nam er mich,
fürt mich hoch über sich
hindurch den klaren luft,
und auf der erden gruft
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mir zeigt ein weites tal,
verwüstet überal;
verhauen warn die welder,
zertreten die baufelder,
würz, kraut, blü, laub und gras
als abgefretzet was
samt allerlei getreid
und aller wunn und weid;
auch die edlen weinreben,
all fruchtbar beum darneben
waren all abgehauen,
die ecker ungebauen,
auch stunden die weier
von fisch und waßer ler;
auch zeigt er mir darum
ein übergroße sum,
lang und breit etlich meiler,
dörfer und kleine weiler,
die brunnen hoch und glo,
eins teils die lagen do
in der aschen und rochen;
zeigt mir, wie sich verkrochen
die bauren in den welden,
in heckn und finstren helden,
der ich doch vil sach schetzn,
fahen, martren und pfetzn,
auch wie da an den straßen
vor den dörferen saßen
weib und die kleinen kinder.
hin war ros, schaf und rinder;
auch ir bar gelt eingraben
war hin von den kriegsknaben
samt futter und getreid.
des saßens in herzleid,
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in hunger, durst und frost
ellent on allen trost
und westen nit wohin.
nach dem zeigt er mir in
den bergen mannich schloß,
welche durch kriegs geschoß
warn hart worden bekümmert,
zerscherbet und zertrümmert
und ausgebrennt mit feuer;
doch stunt noch etlich gmeuer,
sonst all notfest zerstört,
kein adel man drin hört,
hin war als frauenzimmer
und als, was man vor immer
geflöhnet het darein,
das war hin, groß und klein.
nach dem er mir auch hat
gezeiget die hauptstat,
die vor war vest beschloßen,
iezt durch den feint zerschoßen;
ir pastei warn zerschellet,
türn und brustwer gefellet,
mit pölern hart gedrenget,
mit pulver war zersprenget
die mauer, und den graben
gar ausgefüllet haben;
auch lag da noch vom sturm
kriegsrüstung mancher furm;
von den die stat wart gwunnen;
das waßer und die brunnen
warn abgraben und gnommen.
als wir darob sint kommen,
zeigt er mir hin und her
all gaßen öd und ler.
ellent stunt das rathaus,
all grechtigkeit war aus,
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niemant het straf noch schutz;
es lag gemeiner nutz,
freiheit, original,
all policei zumal;
es schwig rat, gsetz und recht,
es galt herr wie statknecht,
war als verzagt und blöd,
auch stunt die kirch gar öd,
geplündert irer zir,
kein freiheit war in ir,
kein ampt noch sacrament;
als kirchengsang het ent,
kein glocken noch kein ur
in ir gehöret wur;
da war kein priester mer,
hinwar ir würd und er;
derhalb das götlich wort
wart darin nit gehort
mer auf dem predigstul.
auch stunt ganz öd die schul,
niemant da mer studieret,
in künsten arguieret;
kein freie kunst geleret,
dardurch denn würd gemeret
die zucht, weisheit und tugent
bei der blüenden jugent.
auch stundn all hemmr und mül;
auch sach ich alle stül
in den werksteten ler;
ich sach kein hantwerker
darin schmiden und dreen,
bachen, schneiden noch neen,
schmelzen, gießen noch weben,
graben, zimmern, darneben
buchdrucken noch binden;
blib alles dahinden;
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sticken und seidenfitzen,
maln, gulden oder schnitzen,
sah weder badn noch schern,
ler waren all tafern;
sah kein hochzeit noch tenz,
kein bulerei noch krenz,
kein seitenspil, hofiern,
kein kurzweil noch turniern;
traurig war all ir wandel,
all gwerb und kaufmanshandel
vom krieg gefeget was;
unsicher war die straß,
auch alle mess und merk,
in summa all hantwerk
und hendel lagen nider.
ich schauet hin und wider,
die heuser stunden offen,
das volk het sich verschloffen;
all winkel hin und dar
mit klag erfüllet war,
mit seufzen, gschrei und weinen
von großen und von kleinen;
dan all heuser im zorn
waren geplündert worn.
aller hausrat war hin,
betgwant, silber und zin,
kleider und die barschaft
der ganzen burgerschaft;
dergleich gemeine stat
war an irem vorrat
beraubt samt aller schetz.
erst sach ich, das all pletz
und gaßn vol burger lagen,
erschoßen und erschlagen,
im blut gewelzt ir leiber,
darbei töchter und weiber
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saßen in großer schar,
rauften ir eigen har,
wanden vor leid ir hent.
ir vil waren geschent
an ir weiblichen er
von dem unzüchting her.
Genius sprach zu mir:
nun wil ich zeigen dir
auch das gewaltig her,
das mit blutiger wer
die lantschaft hat verhert,
schlößer und stet umbkert,
was sie für wert und lon
auch entpfangen darvon.
schnell mit mir Genius
durch die wolken hin schuß
über ein weites felt;
das stunt voller gezelt,
und darumb cirkelrunt
ein wagnburg gschloßen stunt;
da lag die blutig rot
an der ert in dem kot,
sam lebendig begraben
in irn hüttn gleich den raben,
ganz wetterfarb und hager,
hungerig, dürr und mager,
ire kleider zerrißen,
erfaulet und zerschlißen;
bei der nacht sie erfruren,
beim tag hart peinigt wuren
von sonnen, hitz und staub,
macht sie ganz mat und taub
regen und ungewitter,
der kalte wint war bitter,
die leus in naßem kleit
teten auch vil zu leit.
oft wart gesperrt das lant,
bracht mangel an provant;
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derhalb alter und junger
must leiden großen hunger.
wenn sie dann heten wol,
warens denn gar stutvol,
fraßens fleisch hinein gar,
das kaum halb gsotten war.
durch so unornlich leben
tet sich bei in begeben,
das ir vil waren krank;
umb sie war groß gestank,
sie heten breun und rur,
vil ir begraben wur;
kein ru tetens auch haben
mit schanzen und mit graben,
mit tagwach und schiltwachen
und andern kriegessachen;
der pfenningmeister gar
oft zu lang außen war;
vil loffen auf die beut,
zaltens oft mit der heut;
vil auch durch armut kamen,
das sie den freunden namen;
die henkt man dann an galgen.
o wie sach ich ein balgen,
ein gotlestern und schwern,
das niemant kunt erwern!
auf dem umbplatz vil ringer
lagen vil hent und finger;
on zal ir wurden wunt,
die man oft schlecht verbunt,
das ser vil krüppel gab.
ich sach von oben ab,
wie sie litten zumal
vom feint groß überfal;
auch kamen vom scharmützel
ir oft herwider lützel;
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auch zeigt er mir von ferren
in eim zelt die kriegsherren;
teten vil anschleg machen,
felten doch in vil sachen,
des war in heimlich bang.
der krieg verzog sich lang,
das lant gar zu gewinnen.
oft tet in gelts zerrinnen,
bei all iren aufsetzen,
der undertanen schetzen.
denn tet der krieg sie dringen,
eilent gelt aufzubringen;
musten zu underpfant
versetzn ir eigen lant;
ir kleinot und credenz
gieng auch dahin behenz.
iezt felt pulver, dann blei
und ander municei;
dem reising zeug gebrach
füttrung und obedach.
das waßer mancher zeit
dem leger war zu weit;
oft wart provant verlegt,
der lerman sie erschreckt;
klag kam abent und morgen;
auch mustens hart besorgen,
in würt heimlich vergeben,
ander aufsetz darneben.
auch fürchtens mancherlei
aufrur und meuterei
in irem eignen her;
auch ereignet sich mer
untreu irer amptleut;
ir vil trugen schalksheut;
auch war ir kuntschaft schlecht,
oft falsch und ungerecht;
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auch wurt in hin und wider
vil post geworfen nider;
dardurch kam an den tag
ir heimlicher anschlag.
von in fielen auch ab
etlich stet, sich begab,
ir buntgnoßn wurden gweltigt,
not, angst wurt manigfeltigt.
ir lant und fürstlich gnad
stunt als auf dem glückrad;
der feint auch auf sie zug,
das leger an sie schlug,
beid teil zu tun ein schlacht;
wurden ordnung gemacht,
beide zu fuß und ros.
abgieng das feldgeschos,
das gleich das ertrich kracht;
nach dem gieng an die schlacht,
vom gschütz war ein getös,
von rossen ein gestös,
ein stechen unde hauen.
in dem da tet ich schauen,
das ein her sieglos floch,
der ander hauf abzoch.
Genius ließ mich sehen,
balt die schlacht war geschehen,
die walstat diser wiesen
sach ich mit blute fliesen.
da große haufen lagn
erstochen und erschlagn;
eins teils lagen totwunt,
echzten noch mit dem munt,
eins teils hört ich laut jemmern
seufzen und kleglich wemmern
und nach dem tode schreien,
aus engsten sie zu freien.
Genius zeigt herab,
wie man auch urlaub gab
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dem ganzen hellen haufen.
ach wie sach ich ein laufen,
beide von jung und alt,
des solt nicht gar bezalt!
derhalb die straßen schlecht
lag gar vol kranker knecht.
ir vil sach wir gefangen,
auch an den baumen hangen,
ir vil die baurn erschlugn;
ganz ellent sie heimzugn,
wan der tausent teil gleich
nit heim kam gsunt und reich;
der meist teil kam zu haus
erger, dan er zog aus,
vol laster und untugent.
also die blüent jugent
im krieg verdorben war,
das ir anhangt vil jar.
Genius sprach zu mir:
sag an, gsell, wie gfelt dir
der krieg und die kriegsleut,
sein art, frucht, lon und beut?
ich antwort im gar klug:
des kriegs hab ich genug;
dieweil ich hab mein leben,
so wil ich mich begeben
in kein krieg nimmermer,
weil er on nutz und er
handelt, allein mit schaden
wirt lant und leut beladen,
welche der krieg tut rüren,
samt denen, die in füren;
derhalb den krieg ich sag
ein lauter straf und plag,
des gar sol müßig gan
ober und undertan.
da antwort Genius
und sprach: gesell, man muß
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des feindes sich oft weren,
der wider recht und eren
bekümmert leut und lant;
alda mit teurer hant
wert man sich recht und billich,
da solt du auch gutwillich
deim vatterlant beistan
als ein erlicher man;
dran setze leib und blut,
kraft, macht, gwalt unde gut,
dein vatterlant zu retten,
als auch die alten tetten,
das frid und ru im wachs,
spricht von Nürnberg Hans Sachs.

Anno salutis 1546, am 24. tag Octobris.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Sachs, Hans. Gedichte. Spruchgedichte (Auswahl). Lantsknechtspiegel. Lantsknechtspiegel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-AFF7-0