Der beschluß in das ander buch der gedicht

Eins tages im augstmon
wart ich spazieren gon
in ein au für die stat,
wan ich war müd und mat
worden ob dem gedicht,
das ich het zugericht,
wolt mich ein klein erquicken.
in dem wart ich erblicken
under eim baum ein schatten;
zu dem tet ich hinwaten
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durch kle und grünes gras
und mich da legen was
nider, zu haben ru
ein stunde oder zwu.
der wint tet senft her rauschen;
in solchem stillen lauschen
die augen mir zugiengen,
und tet mich überdringen
der schlaf gewaltiglich,
in dem da dauchte mich,

Ratio.

Mir rüft frau Ratio
mit senfter stim also:
du alter, bericht mich,
was du doch zeihest dich,
das du dein gmüt und herz
peinigst mit mü und schmerz
zu dem teutschen gedicht;
warumb ruest nun nicht
von solch schwerer arbeit?
Der dichter.

Ich antwort: meiner zeit
acht ich mein teutsch gedicht
gar für kein arbeit nicht,
sonder acht das zum teil
nur für ein schön kurzweil.
weil mir got hat gegeben
die gab in meinem leben,
wil ich vergraben nit
mein pfunt, sonder darmit
suchen die gotes er
und nutz des nechsten mer;
ich lob und preis die tugent,
auf das die blüent jugent
der laster müßig ge,
so bringen angst und we,
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und der tugent anhenk.
auch etlich erlich schwenk,
zu trost trauriger herzen,
doch on unzüchtigs scherzen,
niemant zu neit und haß
hab ich dicht solcher maß
vier und vierzig jar lang.
du weist, der müßiggang
vil übels mit im bringt,
dardurch manchem mislingt;
menschlich herz feiret nicht,
darfür mach ich gedicht,
dem zu entgen also.
Ratio.

Mir antwort Ratio:
mit deinem phantasiern,
dichten und speculiern
so schwechstu dein vernunft
und wirst noch in zukunft
tebisch und kindisch wern
mit wort, werk und gebern,
wie manchem ist geschehen;
du merkst schon und tust sehen,
das dein gescherpfte sin
und gedechtnus ist hin,
der nicht mer sint zu hoffen,
weil bei dir ist verloffen
die gülden quell, mein man!
derhalb so tu abstan
und forthin nichts mer dicht.
Der dichter.

Ich sprach: ich laugen nicht,
ich entpfint trefflich wol,
das nicht volkommen vol
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mit so herzlichem lust
und begirlichem dust
meine gedicht herfließen,
sonder oft mit verdrießen,
nicht wie vor mit so hellen,
scharpfen sinnen aufquellen,
sonder langsam und treg,
das ich oft denk den weg,
vom dicht zu laßen ab,
iedoch ich etwas hab
teglich bei mir beihendig
in meim gemüt inwendig,
das mir heimlich zuspricht,
vermant zu dem gedicht
on ru zu aller frist,
weiß doch nicht, was das ist,
das in mir also schreit.
Ratio.

Ratio wider seit:
dasselbig ist der won,
das dir sol kommen von
deim gedicht rum und er
und dergleich nutzes mer,
wie solchs fast all poeten
zu lon entpfangen teten,
so dardurch überkamen
ein untötlichen namen.
schau, der won reizet dich
zu deim gedicht warlich;
solchs aber felet dir,
warhaft gelaube mir,
wan durch deine gedicht
hast dir selbs zugericht
doch heimlich übermaß
vil feintschaft, neit und haß.
die welt hört diser zeit
nicht geren die warheit,
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wan sie scheuet das licht,
weil ir werk sint entwicht,
derhalb erlangst du mer
feintschaft, den rum und er,
weil du nit heuchlen konst.
drumb beßer du verschonst
dein selb, du alter mon,
weil doch on dank und lon
dein dichten ligt zu grunt.
in dem von mir verschwunt
Ratio. nach dem fast
schwang sich auf einem ast
ein vogl, das ich erwacht.
im herzen mein gedacht:
ich förcht, im sei also
war, wie mich Ratio
treulich gewarnet hat;
stunt auf, gieng in die stat,
zeichnet und ordiniert
zusam und registriert
diß ander buch, zuricht
in druck, meiner gedicht,
und mit dem spruch beschluß
das buch sam mit verdruß,
weil ich für dank und lon
nur feintschaft brecht darvon
umb ghabt fleiß und arbeit,
dacht fort meins lebens zeit
gedichts müßig zu gon,
auf das mir nicht darvon
schaden für lon erwachs,
spricht zu Nürnberg Hans Sachs.

Anno salutis 1560., am 9. tage Januarij.

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TextGrid Repository (2012). Sachs, Hans. Gedichte. Spruchgedichte (Auswahl). Der beschluß in das ander buch der gedicht. Der beschluß in das ander buch der gedicht. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-B149-9