Schwank: Von dem frommen adel

Als zu Frankfurt vor manchem jar
am Mein, der hauptstatte, da war
eins tags gehalten halsgericht
über gar ein jungen böswicht,
gar ein hurtigen reutersmon,
der war ein wolgestalt person,
von leibe schön, gerad und lang,
und het gar ein höflichen gang,
in der kleidung geschmuckt und sauber,
der war gewesen ein straßrauber,
über welchen Augspurg die stat
tausent gulden verbürget hat.
disem solt man den kopf abhauen,
ob welchem aber man und frauen
gar ser großes mitleiden het.
als man den verurteilen tet
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und zu dem gericht füret aus,
bracht in für ein großes wirtshaus,
darin vil fremdes adels lag,
solten da machen ein vertrag
mit der frenkischen ritterschaft.
nun dise waren auch behaft
in mitleiden und mit erbarmen,
als sie sahen ausfürn den armen,
so guter höflicher gestalt
und doch kaum zweinzigjerig alt;
da dauret sie das junge blut,
wurden zu rat und wolgemut
giengen hin für den öbern rat,
und da auf demütigest hat
der adel angelegt ein bit
und vermeint, dem jungen darmit
beim öbern rat hult zu erwerben,
das er nit müß so ellent sterben,
sonder würt von dem schwert erret.
der öber rat da fragen tet:
ir lieben getreuen, sagt an,
wist ir, was der jung hat getan,
darumb er sol werden gericht?
der adel sprach: das wiß wir nicht,
allein reut uns die jung person,
umb den doch warlich iedermon
ein sonderlich mitleiden hat.
darauf antwort der öber rat:
ir lieben getreuen, so wist,
das der jung ein straßrauber ist,
welcher den kaufleutn aus vertrauen
etlich wegen hat aufgehauen,
sie gfangen und geschetzet hart
mit seiner rot auf dem Spessart,
und hat auch sonst vil schadens ton;
darumb wolt wir in richten lon.
weil ir aber so große bit
anlegt, wöll wir in richten nit,
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sonder zu eren euch gemein
sol im das leben gschenket sein.
ganz quitledig all seiner bant,
iedoch sol er raumen das lant
und nimmermer kommen darein,
zu straf diser verhandlung sein.
als nun der adel an dem ort
vom öbern rat hört dise wort,
da sprachens gleich mit entsatzung:
wie? hat geraubet diser jung
die kaufleut schon auf dem Spessart,
und er ist doch nicht edler art?
das hab wir nicht gewust vorhin,
derhalb nur eilents mit im hin
und laßt im nur sein kopf abschlagen!
wolt der baurenknecht in den tagen
sich mit raub auf dem Spessart nern,
welches doch nur zustet mit ern
dem frommen adel aller masen,
den kaufleuten in busen blasen,
das im die gülden heraus stieben?
den die reisdienst gar hoch tunt lieben,
die bei in bleiben hin biß her
nur tapfer gute reutersmer.
darmit der from adel abschid
und war des urteils wol zu frid.

Der beschluß

Fro sollen des all kaufleut sein,
das alle straßen werden rein
in Franken, Beiern, Sachsen, Schwaben,
da selbst ist große achtung haben
der adel, das auf keiner straß
kein rauber mer auffragen laß,
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er sei denn von adelsgeschlecht,
das zu der tat hab fug und recht;
derhalb ist iezt gut sicher wandlen
gen Frankfurt und Leipzig zu handlen,
dergleich durch all gebirg und tal,
das vor unsicher war zu mal.
wer iezunt durch den Spessart züg
und golt auf seinem haupte trüg,
man nem im nicht ein birenstil.
darauf so laß sich, wer da wil;
doch hüt er sich vor ungemachs
auf allen straßen, ret Hans Sachs.

Anno salutis 1562. am 3. tag Julij.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Sachs, Hans. Gedichte. Spruchgedichte (Auswahl). Schwank: Von dem frommen adel. Schwank: Von dem frommen adel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-B20F-5