240. Gebannte Geister.

1.

In Avendshausen war ein Bauer gestorben, spukte aber nach seinem Tode fortwährend im Hause umher. Die Frau des Mannes schickte deshalb zu einem katholischen Geistlichen, damit dieser den Geist banne. Der Geistliche kam auch, aber der Geist wollte ihn nicht annehmen und sprach, ihm könne er seine Sünden nicht bekennen, da er ja selbst nicht ohne Sünden wäre. Jener erwiederte, so viel er wisse, habe er nichts Böses gethan. Da wies der Geist auf seine Schuhe »mit Spangen« hin, in deren einer eine Kornähre hing, die jener, indem er durch ein Kornfeld [229] ging, abgestreift hatte. So muste der katholische Geistliche unverrichteter Sache wieder weggehn, und es ward zu einem andern geschickt. Dieser fragte den Geist, wohin er sich wolle bannen lassen. Der Geist erwiederte: »in die Hecke auf meiner Wiese, in den dicken Nußbusch.« Die Frau aber, welche gutmüthig war, sagte zu dem Geistlichen, sie wollte den Geist nur im Hause behalten; daher ward er in einen Winkel des Hausbodens gebannt und daselbst an eine Kette gelegt, dann aber der Winkel ringsum mit Brettern zugeschlagen. Jetzt machte der Geist einen so gewaltigen Lärm und rasselte so furchtbar mit seiner Kette, daß es die Leute im Hause gar nicht aushalten konnten und den katholischen Geistlichen noch einmal kommen ließen. Als dieser den Geist gefragt hatte, was er denn eigentlich wolle, antwortete jener, er wolle in die Hecke in den Nußbusch. So ward er denn in den Nußbusch gebannt, und im Hause war Ruhe.

2.

In einem Hause in Appenrode bei den Gleichen spukte ein Geist. Als die Bewohner es nicht länger ertragen konnten, ließen sie einen Jesuiten kommen, der ihn bannen sollte. Der Geist machte dem Jesuiten heftige Vorwürfe, was er von ihm wolle, da er doch selbst gestohlen habe. Das sei allerdings wahr, entgegnete der Jesuit, er habe seiner Mutter ein Ei gestohlen und es verkauft, aber das habe er gethan, um Papier dafür zu kaufen, welches er als Schüler nöthig gehabt habe. Dann verlangte der Geist in die Küche unter den Heerd gebannt zu werden, damit er wenigstens die Mägde noch quälen könne. Das ward ihm aber abgeschlagen und er ward in die sog. Hâmans Köke, eine Klippe bei Appenrode, gebannt.

3.

Im sogen. Naenschen Selter, über dem Dorfe Bruchhof, ist eine Klippe, welche der Marensche Stein heißt, weil in dieselbe die Marensche von einem Kapuziner gebannt ist. Das war ein Mädchen, das im Leben arg gesündigt hatte. Nachdem sie gestorben war, trieb sie auf dem Greener Amte vielen Spuk, band Nachts die Kühe im Stalle los, so daß diese wild durch einander liefen, und dergleichen mehr, bis sie endlich hierher gebannt wurde. Neulich ging in der Nacht ein Mann an dieser Stelle vorbei und rief spottend: »Marensche kum!« aber sie kam nicht.

4.

Zwischen den Klippen bei Naensen liegt auch die sog. Kammerkeule, ein großer Felsen, der unten spitz und oben dick, wie eine Keule, geformt ist. Ungefähr zwanzig Schritt über diesem [230] Felsen ist eine Höhle, welche fünf Kammern enthalten soll. Der Eingang in die Höhle ist etwa vier Fuß hoch, weiterhin aber ist die Höhle viel höher. In der letzten Kammer soll ein Mann an einem großen steinernen Tische sitzen und schreiben. Der Mann ist wegen seines rohen und schlechten Lebenswandels von einem mächtigen Zauberer dahin gebannt. Unter dem Tische liegt ein großer schwarzer Hund, der den Mann bewacht. Dieser muß so lange in der Höhle sitzen, bis es einem Menschen gelingt den Hund zu tödten.

5.

Ein Amtmann in Katlenburg hat nach seinem Tode jeden Mittag auf dem Amthofe gespukt. Um ihn zu vertreiben, ließ man den katholischen Pfarrer aus Bilshausen kommen. Dieser zog ihm ein weißes Taschentuch durch die Nase und bannte ihn unter die Treppe. Das hielt aber nur kurze Zeit vor. Nun ließ man den Pfarrer zum zweiten Male kommen, der ihm wieder ein weißes Taschentuch durch die Nase zog und ihn nun in die tiefe Stelle beim Zusammenflusse der Ruhme und Oder bannte. Als der Verwalter aus Katlenburg einst dort badete, wollte er gern einmal sehen, wo der Amtmann geblieben wäre. Da sitzt dieser unten im Wasser und ist an einen Busch gebunden. Er ist auch niemals wiedergekommen.

6.

Vor langer Zeit, als es noch spukte, lebte in einem Dorfe ein Wirth mit seiner Frau gar nicht glücklich. Die Frau war nur darauf bedacht Geld zu erpressen und die Leute zu betrügen. Den Fuhrleuten, die bei ihr logirten, nahm sie den Hafer, welchen sie ihnen theuer verkauft hatte, heimlich wieder und verkaufte ihn an andere noch einmal. Die Fuhrleute merkten zwar bald, daß ihre Pferde immer magerer wurden, wusten aber die Ursache nicht. Armen Leuten gab sie nie etwas. Wenn ihr die Magd, der sie mit aller Strenge jedes Almosen verboten hatte, Vorstellungen darüber machte, so erwiederte sie, sie hätte genug Arme auf dem Stalle, womit sie ihre Schweine meinte. Eines Tags gab die Magd einem Bettler etwas von ihrem Essen und bekam dafür von der bösen Frau Schläge. Der Mann war mit diesem Verfahren seiner Frau sehr unzufrieden und meinte, die Magd habe ja dieses Essen ihrem Munde entzogen. Es dauerte nicht lange, so konnte Gott diesen schlechten Lebenswandel nicht mehr ansehen und nahm die böse Frau aus dieser Welt. Der Mann aber heirathete bald nachher die gute Magd. Von der Zeit an [231] spukte es jede Nacht im Hause. Das neue Ehepaar wuste sich gar nicht mehr zu bergen, allenthalben stand die weiße Gestalt der verstorbenen Frau. Auf dem Boden wurde der Scheffel immer hin-und hergerückt, weil sie damit bei ihren Lebzeiten den Fuhrleuten den Hafer zugemessen und dabei betrogen hatte. Der Wirth klagte nun dem Pfarrer sein Leid. Dieser sagte ihm, weit von da im Walde wohne ein Mann, der könne den Geist bannen. Als dieser herbeigeholt war, befahl er dem Wirthe einen Eimer mit Wasser in die Stube bringen zu lassen und in denselben zu sehen; er werde Feuer und Flammen und brausende Wellen darin wahrnehmen. Er wolle jetzt seine frühere Frau in die »offenbare« See bannen, darin wäre es schon sehr enge, denn es säßen dort bereits viele böse Geister. Wenn die Flammen und Wellen ruhig geworden wären, dann wäre sie an Ort und Stelle. Er citirte darauf den Geist. Mit lautem Brausen kam die verstorbene Frau in ihrer gewöhnlichen Kleidung in die Stube. Sie wollte sogleich die jetzige Frau kratzen und schlagen; der Banner hinderte es aber. Dreimal wurde sie citirt; das zweite und dritte Mal erschien sie mit noch viel stärkerem Brausen. Zuerst verlangte sie unter den Heerd gebannt zu werden, dann unter die Treppe, endlich unter den Schweinestall. Diese Plätze hatte sie aber gewahlt, um die neue Frau noch quälen zu können; doch der Banner schlug ihr alle drei Stellen ab und bannte sie in die offenbare See. Erst »stürmten« die Flammen und die Wellen in dem Eimer, allmählich aber legten sie sich und die Frau war in die See gebannt. Fortan lebte der Wirth mit seiner Frau in Ruhe.

7.

In dem Dorfe Holtensen bei Einbeck war ein reicher Bauer, Namens Ebert, gestorben. Im Leben war die Scheuer sein Lieblingsaufenthalt gewesen, und so hielt er sich auch nach seinem Tode noch immer daselbst auf. Kamen Morgens die Knechte in die Scheuer, um zu dreschen, so waren in der Regel die Garben schon herabgeworfen; war dieß aber noch nicht geschehen und wollte dann einer hinaufsteigen, um sie hinunterzuwerfen, so wurden sie alsbald von selbst herabgeworfen, oder die Knechte brauchten nur zu sagen: wirf! und sogleich warf sie der Geist herunter. Hatten sie aber genug, so sagten sie: hör auf! und sogleich hörte er auf. Einst sagten die Knechte, als er gerade wieder Garben herunter warf: wirf nur zu! und nun hörte der [232] Geist gar nicht wieder auf, so daß sie am Ende von der Scheuer gehn musten. Da blieb nun nichts weiter übrig als den Geist zu bannen. Man ließ also aus Göttingen einen Professor kommen. Dieser bannte ihn auch in einen an die Scheuer angebauten Stall oben hinein und ließ jede Oeffnung sorgfältig zumachen. Da indessen die Wände nur aus Lehmsteinen bestanden, so hatten sich die Mäuse durch dieselben hindurchgefressen und durch die so entstandene Oeffnung war der Geist in die Scheuer zurückgekehrt und trieb darin sein Wesen von neuem. Da muste dann der Professor zum zweiten Male kommen. Dieses Mal bannte er den Geist so fest, daß er nicht wieder entweichen konnte.

8.

Auf dem Kehrwiederthurm in Hildesheim saß viele hundert Jahre lang ein Gespenst, das hieß Schaper-Johann und konnte nimmer hinkommen, wo Gott etwas zu thun hat. Die Leute, die in der Nähe des Thurmes wohnten, hatten von Schaper-Johann viel zu leiden; besonders störte er die nächtliche Ruhe dadurch, daß er den Mädchen und Frauen immer die Bettdecken wegriß. Als er es nun gar zu arg machte, ging eine fromme Frau zum Pater Patricius und bat ihn, daß er den Geist bannen möchte. Dieser ging ihm denn auch bald so mit dem Weihwedel zu Leibe, daß er vor Angst und Schrecken keinen Ausweg finden konnte, sondern in seinem weißen Schäferrocke mitten durch das Thurmdach fuhr. Seit der Zeit können die Frauen und Mädchen am Kehrwieder ruhig schlafen.


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TextGrid Repository (2012). Schambach, Georg. 240. Gebannte Geister. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-BB78-2