21. Der Schatz des Riesen.

Einem Schweinehirtenjungen träumte drei Nächte hinter einander, er solle reich werden. Als es ihm zum dritten Male geträumt hatte, ließ er seine Schweine im Stiche und ging weg, um reich zu werden. Er kam in einen großen Wald. Nachdem er eine Zeit lang darin fortgegangen war, begegnete ihm ein Riese. Dieser fragte ihn, wohin er wolle? Der Junge antwortete, er suche einen Herrn. »Und ich suche einen Knecht,« sprach der Riese, »da kannst du gleich bei mir in Dienst treten.« Der Junge war damit zufrieden, und so wanderten sie mit einander des Riesen Wohnung zu. Unterwegs kamen sie zu einem schönen Apfelbaume, woran die köstlichsten Aepfel hingen. Der Junge bekam Verlangen einen von den Aepfeln zu essen und bat deshalb den Riesen, er möge ihm doch einen abpflücken. Der Riese faßte den Wipfel des Baumes, bog diesen fast bis zur Erde nieder und sagte dann dem Jungen, er möge sich selbst einen abpflücken. Indem dieser nun den Apfel pflückte, ließ der Riese den Baum los, so daß er in die Höhe schnellte und der Junge, der den Zweig fest gehalten hatte, über den Baum hinüber flog. Auf der anderen Seite stand er aber gleich wieder auf den Füßen und sagte darauf ganz keck zu dem Riesen: »den Sprung mache mir einmal nach.« Der Riese, der wohl wuste, daß er das nicht könne, [297] schwieg still. Endlich kamen sie zu des Riesen Hause. Hier fand der Junge eine Frau, die der Riese geraubt hatte, und ein kleines Mädchen. Am Abend trug die Frau auf, was sie gekocht hatte; der Junge merkte bald, daß es Menschenfleisch sei, und aß deshalb nichts, der Riese aber aß desto mehr. Als es ganz dunkel geworden war, muste das kleine Mädchen den Jungen auf die Kammer führen, in welcher er schlafen sollte. Als das Mädchen wieder fort gehn wollte, warnte es den Jungen und sprach: »nimm dich in Acht, über Nacht kommt der Riese und schlägt dich todt.« Er dankte dem Mädchen und meinte, mit dem Todtschlagen habe es keine Noth, sie möge ihm nur Licht, Stroh, einen Stock und einen großen Milchtopf bringen. Als ihm das Mädchen alles gebracht hatte, machte er einen Strohmann, dem der Milchtopf als Kopf dienen muste, und legte ihn ins Bett. Dann legte er sich unter das Bett und erwartete da die Ankunft des Menschenfressers. In der Nacht kam der Riese auch richtig an, tastete auf dem Bette herum, um zu wissen, wo der Kopf sei, und führte dann, als er diesen gefunden zu haben glaubte, einen gewaltigen Streich mit dem Beile nach dem Milchtopfe, so daß dieser in viele Scherben zersprang. Darauf ging er wieder hinunter und sagte zu der Frau: »einen Kopf, der so geknallt hat, habe ich noch nie zerschmettert.« Der Junge aber zündete sich Licht an, brachte alles von der Kammer wieder herunter, legte sich dann ins Bett und schlief ruhig bis zum Morgen. Dann stand er auf, steckte sich des Riesen Pfeife an, die dieser auf der Kammer zurückgelassen hatte, legte sich damit ins Fenster und fing tapfer zu rauchen an. Als nun der Riese am Morgen im Garten spazieren ging, erblickte er den Jungen im Fenster, den er doch, wie er meinte, todtgeschlagen hatte, und sah deshalb ganz verwundert hinauf. »Ja, gucke nur noch lange,« rief ihm drohend der Junge zu, »du hast mir gestern Abend meinen Kopf kurz und klein geschlagen, so daß ich die Stücke habe zusammen suchen müssen.« Da ward der Riese bange und sagte, weil er sich nicht hinauf getraute, zu der Frau, sie möge doch einmal hinaufgehn und den Jungen fragen, wie viel er haben wolle, wenn er wieder fortgehn wolle. Der Junge verlangte so viel Geld, wie der Riese tragen könne. Um ihn nur schnell wieder los zu werden, nahm der Riese die Forderung an. Der Junge ging also mit ihm in den Keller, worin des Riesen Schätze lagen, und lud diesem immerfort[298] auf den Rücken. Der Riese meinte zwar nach einer Weile, es sei jetzt genug, allein der Junge sagte trotzig »nein,« und lud ihm weiter auf. Endlich sagte er, jetzt habe er genug; nun solle er es ihm auch dahin tragen, wo er ihn getroffen habe, als er ihn miethete. Der Riese machte sich also mit seiner Last auf den Weg. Als sie an die Stelle gekommen waren, befahl der Junge dem Riesen das Geld da abzusetzen. Dieser kehrte darauf zurück, sah sich aber, als er eine kleine Strecke gegangen war, noch einmal um. Da rief ihm der Junge grimmig zu: »warte, willst du dich noch lange umsehen?« und nun fing der Riese an zu laufen, was er nur laufen konnte. Der Junge aber ging zu seinem Vater, der muste zwei Wagen anschaffen, einen Vierspänner und einen Zweispänner, damit fuhren sie zu der Stelle, wo das Geld lag, luden es auf und brachten es in ihr Haus. So war nun der Junge reich geworden.

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TextGrid Repository (2012). Schambach, Georg. Märchen und Sagen. Niedersächsische Sagen und Märchen. B. Märchen. 21. Der Schatz des Riesen. 21. Der Schatz des Riesen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-BC8F-8