119. Das Geldloch bei Hilwartshausen.

1.

Auf dem Scharfenberge ist der Eingang zu dem sog. Geldloche, welches seinen Namen davon hat, weil Leute darin nach Schätzen gegraben und solche auch gefunden haben sollen. Es ist das eine Höhle, die angeblich von dem Scharfenberge bis in das Dorf Hilwartshausen am Sollinge reicht, wo in dem Keller eines Hauses der Ausgang ist. Mehrmals haben Menschen versucht hindurchzugehn, aber der Gang wurde bald so schmal, daß sie nicht weiter kommen konnten. Einst hatte man vor den Eingang einen Pudel und eine Ente gesetzt; der Pudel lief weg, die Ente aber ist nach drei Wochen in Hilwartshausen in jenem Keller wieder zum Vorschein gekommen, doch war sie ganz erschöpft und hatte fast keine Federn mehr an der Seite. – In diesem Geldloche sitzt eine weiße Jungfrau hinter einer eisernen Thür. Alle Jahre öffnet sie dieselbe einmal, kommt heraus und spendet den Hirten und guten Menschen Gaben.

2.

Bei dem Dorfe Hilwartshausen haben vor Zeiten auf zwei benachbarten Bergen zwei Burgen gestanden, die Schnackenburg und Sternburg (Stêrenborg), von denen die Ritter von der Schnackenburg und von der Sternburg den Namen gehabt haben. An der Ecke eines andern Berges, des Scharfenberges, befindet sich das sogenannte Geldloch, eine in den Berg hineingehende niedrige Höhle. Aus diesem Geldloche kommt die weiße Jungfrau hervor und geht von da hin nach der Schnackenburg. Vor etwa 70 Jahren begegnete ihr auf dem Wege dahin der Schweinhirt des Dorfes, der seinen Sohn bei sich hatte. Sie winkte diesem mehrmals und rief ihm dreimal zu, er möge zu ihr kommen, aber ja alles mitbringen, was er bei sich habe; allein er hörte nicht auf ihr Rufen. Da schrie sie laut auf und jammerte: nun werde erst wieder in hundert Jahren einer geboren, der sie erlösen könne, und verschwand. Seit der Zeit ist sie Niemand wieder erschienen.


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TextGrid Repository (2012). Schambach, Georg. 119. Das Geldloch bei Hilwartshausen. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-BD1F-7