11. Goldhähnchen und Pechhähnchen.

A.

Eine Frau hatte zwei Töchter, eine rechte Tochter und eine Stieftochter. Die Stieftochter wurde von der bösen Stiefmutter fortwährend zur strengsten Arbeit angehalten. Eines Tages ließ sie, als sie gerade vor der Thür saß und spann, ihren Rocken in den Brunnen fallen. Weil sie fürchtete von ihrer Mutter Schläge zu bekommen, stieg sie in den Brunnen, um den Rocken wieder zu holen. Als sie unten war, kam sie zu einem Apfelbaume, der hing ganz voll von Früchten. Der Apfelbaum sprach zu ihr, sie möchte ihm doch die Früchte abpflücken, sie wären ja allzuschwer, sonst müsse er abbrechen. Das Mädchen pflückte die Früchte ab. Weiterhin kam sie zu einem Backofen, der bat sie das Brot herauszuziehen, sonst müsse es ganz verbrennen. Sie zog das Brot heraus und ging weiter. Darauf kam sie zu einer Kuh, die bat sie ihr die Milch auszumelken. Auch das that sie. Endlich kam sie zu einem kleinen Häuschen und ging hinein. Die Leute im Hause aber fragten sie, ob sie mit ihnen, oder mit Hunden und Katzen essen wolle. Das Mädchen sagte: »mit Hunden und Katzen.« Statt dessen muste sie aber mit den Leuten am Tische essen. Als sie nun wieder weggehn wollte, fragten sie die Leute, ob sie durch die Goldthür oder durch die Pechthür gehn wolle. Sie antwortete: »durch die Pechthür,« sie muste aber durch die Goldthür gehn. Da blieb alles Gold an ihr hängen, so daß sie über und über davon bedeckt war. Als nun das Mädchen wieder aus dem Brunnen kam, rief oben der Hahn. »Kikeriki, Goldhähnchen kommt!« Nun wurde ihre Schwester neidisch auf sie und stieg auch in den Brunnen hinab. Als sie zu dem Apfelbaume kam, bat sie dieser ihm die Aepfel abzupflücken, aber sie sagte: »nein, das thue ich nicht, sonst zerreiße ich mir meine [276] Kleider,« und ging weiter. Dann bat sie auch der Backofen das Brot herauszuziehen, aber das wollte sie auch nicht thun und ging vorbei. Als sie wieder etwas weiter gegangen war, kam sie zu der Kuh, die bat sie ihr die Milch auszumelken. Aber das that sie auch nicht. Endlich kam sie auch zu dem kleinen Hause. Die Leute fragten wieder, mit wem sie essen wolle? Sie wolle mit ihnen am Tische essen, war die Antwort des Mädchens. Da muste sie bei Hunden und Katzen essen, die bissen sie und zerkratzten ihr das ganze Gesicht. Als sie nun beim Weggehn auch gefragt wurde, durch welche Thür sie gehn wolle, sagte sie, sie wolle durch die Goldthür gehn. Da muste sie aber durch die Pechthür gehn. Wie sie nun wieder aus dem Brunnen kam, rief oben der Hahn: »Kikeriki, Pechhähnchen kommt!«

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TextGrid Repository (2012). Schambach, Georg. Märchen und Sagen. Niedersächsische Sagen und Märchen. B. Märchen. 11. Goldhähnchen und Pechhähnchen. A. [Eine Frau hatte zwei Töchter, eine rechte Tochter und eine Stieftochter]. A. [Eine Frau hatte zwei Töchter, eine rechte Tochter und eine Stieftochter]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-BE80-3