147. Die Zwerge in den Erbsenfeldern.

1.

Vor langer Zeit wohnte im Hütteberge (nahe bei dem Dorfe Dorste), in dem man noch die Zwerghöhlen sehen kann, ein Zwergkönig mit seinem Volke. Diese Zwerge waren aber nicht von der Art, daß sie sich bestrebten den Menschen nützlich zu sein, wie manche andere; sondern sie machten sich ein Vergnügen daraus sie zu ängstigen oder ihnen zu schaden: sie raubten junge Mädchen oder kleine Kinder, besonders aber richteten sie in den Feldern großen Schaden an. Nun hatte ein Bauer in der Nähe des Hütteberges ein schönes Erbsenfeld, das er oft mit Freude betrachtete. Bald sah er aber, daß die Schoten ausgeschält und die Halme zertreten wurden, und er konnte bei aller Aufmerksamkeit den Thäter nicht entdecken. Er klagte nun einem alten Bauer sein Leid und dieser gab ihm denn auch einen guten Rath. Derselbe hatte es nemlich bald heraus gebracht, daß hier Zwerge im Spiele wären und rieth deshalb, daß er mit seinen Knechten nach dem Erbsenacker gehn und dann mit langen Ruthen über das Feld hin und her schlagen möchte. Die Zwerge hätten nemlich Wünschelhüte, vermittelst deren sie sich unsichtbar machten; mit den Ruthen würde er aber sicher einem von ihnen den Hut abschlagen und ihn dann fangen können. Der Bauer kam nun, wie ihm gerathen war, mit seinen Leuten bei dem Acker leise angeschlichen. Da hörte er es zwischen den Erbsenstauden rauschen, als wenn ein Thier darin wirthschaftete, [125] ohne daß er etwas sah. Sogleich fing er mit seinen Knechten an mit den Ruthen über das Erbsenfeld hin und her zu schlagen, und bald stand ein Zwerg sichtbar da. Dieser flehte, er möchte ihn wieder los lassen; er wolle ihm auch einen ganzen Wagen voll Gold geben, nur müsse er vor Sonnenaufgang zu seiner Höhle kommen. Der Bauer ließ sich erbitten und gab ihn frei, nachdem ihm der Zwerg noch gesagt hatte, wo seine Höhle wäre. Um jedoch vor Betrug ganz sicher zu sein, erkundigte er sich, wann die Sonne bei den Zwergen aufgehe, und erfuhr, daß sie mit dem Glockenschlage zwölf aufgehe. Da spannte er seinen Wagen an und fuhr vor Mitternacht zu der bezeichneten Stelle. Als er vor der Höhle angekommen war, hörte er, wie sie drinnen jauchzten:


Dat is gaut, dat is gaut,
Dat de bûerken dat nich weit,
Dat de sunne ümm twölf upgeit.

Der Bauer aber meldete sich, und nun zeigten ihm die Zwerge ein abgehäutetes Pferd; das möchte er nur mitnehmen, weiter könnten sie ihm nichts geben. Darüber ward jener höchst ärgerlich, wollte jedoch für seine Hunde etwas Fleisch mitnehmen, er hieb deshalb von dem Pferde ein großes Stück ab und band es auf den Wagen. Als er damit nach Hause gekommen war, da war alles gediegenes Gold. Gleich fuhr er noch einmal hin, um den Rest nachzuholen, aber Pferd und Höhle waren verschwunden.

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TextGrid Repository (2012). Schambach, Georg. Märchen und Sagen. Niedersächsische Sagen und Märchen. A. Sagen. 147. Die Zwerge in den Erbsenfeldern. 1. [Vor langer Zeit wohnte im Hütteberge (nahe bei dem Dorfe Dorste]. 1. [Vor langer Zeit wohnte im Hütteberge (nahe bei dem Dorfe Dorste]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-BF5C-F