Die Opferung.

Du bist wie Paphia aus weißem Schaum gebohren,
Aus Muschelschalen stieg dein Leib so zart und fein,
Die Perle aber ward aus ihrem Schooß erkohren
Der jungfräuliche Stoff des feinen Geists zu seyn:
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Du gleichst Cytheren, wenn der Grazien Hand sie schmückte,
Nur daß ihr Herz an Reiz lang nicht dem deinen gleicht;
Als ohne Gürtel sie dort Priams Sohn erblickte
Ward ihr der Schönheit Preiß im Apfel überreicht:
Doch Paris hätt' ihn Dir vor Venus hingegeben
Hätt er Dich gürtellos, verschämt, wie ich erblickt.
Ein Kuß nach zärtlichem unschuldgem Wiederstreben
Auf Höhn, die schwarz umdornt ein Rosenknospchen schmückt,
Ein Blick ins sanfte Thal das diese Hügel schaffen,
Und das an ein Gewölb von Atlasglätte grenzt,
Berauschten mich – ich fiel – da siegten Amors Waffen,
Die er, des Siegs gewiß, mit Myrthen schon umkränzt.
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Da fieng er mich im Netz gewebt von jenen Bogen,
Der Stirn und Augen Schmuck, von lockigschwarzem Haar,
Das duftend, weich, bethaut den Wollust Thron umzogen,
Und führte mich erstaunt zum heiligsten Altar:
Den hatten Grazien mit seltnem Fleiß erbauet,
Und ihren Rosenmund beym Bau zum Riß geliehn.
Nach zarter Lippen Roth, mit Nektar überthauet,
Erschufen sie den Rand, den Altar zu umziehn;
Der Zunge, die der Witz beredsam dort beweget,
Glich hier ein Streif, der sich schmal und gefühlvoll bog:
Hier winkt ein Vorgebürg von Venus angeleget
Mit Mooß bedeckt, das sich kraus um den Altar zog.
[32]
Am Fuß lag unentweiht die wunderthätge Grotte,
Die vor unheil'gem Blick sorgfältig sich verschließt,
Vom Priester nur besucht der da dem Liebesgotte
Vertraut fruchtbringend Oehl in Opferschalen gießt.
Es rauscht ein Strohm aus ihr der oft die Gegend netztet
Und goldfarbklares Naß in seiner Urne hält,
Ein Purpurbach, dem Flut und Ebbe Luna setztet,
Und dann der Thau, der nur an Opfertagen fällt.
»Hier« sprach der Gott zu mir, bist du bestimmt zu dienen,
Er sprachs, und stärkte mich zu seinem Priesterthum;
Ich pflickte von dem Mooß, ich sog es gleich den Bienen
Und roch den Balsamduft aus Amors Heiligthum,
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Fieng an so Grottenwerk als Altar zu besehen,
Und kam ans feuchte Thor vor dem ein Vorhang hieng,
Der Wunsch das Heiligste des Tempels durchzuspähen,
Half mir beym ersten Schritt, der bis zum Vorhang gieng –
»Verzagter Priester wie kannst du dich nicht entschließen,
Schmerzt dich des Opfers Tod? schrie Amor voller Wut –
Da scheut ich dann nichts mehr – der Vorhang ward zerrißen,
Und aus dem Heiligthum, o Chloris, folß – dein Blut.
[34]

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Scheffner, Johann Georg. Gedichte. Gedichte im Geschmack des Grecourt. Die Opferung. Die Opferung. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-C275-B