Die Flüsse

Rhein

Treu, wie dem Schweizer gebührt, bewach ich Germaniens Grenze,
Aber der Gallier hüpft über den duldenden Strom.

[267] Rhein und Mosel

Schon so lang umarm ich die lotharingische Jungfrau,
Aber noch hat kein Sohn unsre Umarmung erfreut!

Donau in B**

Bacchus der lustige führt mich und Komus der fette durch reiche
Triften, aber verschämt bleibet die Charis zurück.

Donau in O**

Mich umwohnet mit glänzendem Aug das Volk der Phaiaken;
Immer ists Sonntag, es dreht immer am Herd sich der Spieß.

Main

Meine Burgen zerfallen zwar; doch getröstet erblick ich
Seit Jahrhunderten noch immer das alte Geschlecht.

Saale

Kurz ist mein Lauf und begrüßt der Fürsten, der Völker so viele,
Aber die Fürsten sind gut, aber die Völker sind frei.

Ilm

Meine Ufer sind arm, doch höret die leisere Welle,
Führt der Strom sie vorbei, manches unsterbliche Lied.

Pleiße

Flach ist mein Ufer und seicht mein Bächlein, es schöpften zu durstig
Meine Poeten mich, meine Prosaiker aus.

Elbe

All ihr andern, ihr sprecht nur ein Kauderwelsch. Unter den Flüssen
Deutschlands rede nur ich, und auch in Meißen nur, deutsch.

Spree

Sprache gab mir einst Ramler und Stoff mein Cäsar, da nahm ich
Meinen Mund etwas voll, aber ich schweige seitdem.

Weser

Leider von mir ist gar nichts zu sagen, auch zu dem kleinsten
Epigramme, bedenkt! geb ich der Muse nicht Stoff.

[268] Gesundbrunnen zu ***

Seltsames Land! Hier haben die Flüsse Geschmack und die Quellen,
Bei den Bewohnern allein hab ich noch keinen verspürt.

P** bei N***

Ganz hypochondrisch bin ich vor Langerweile geworden,
Und ich fließe nur fort, weil es so hergebracht ist.

Die **chen Flüsse

Unsereiner hats halter gut in **cher Herren
Ländern, ihr Joch ist sanft, und ihre Lasten sind leicht.

Salzach

Aus Juvaviens Bergen ström ich, das Erzstift zu salzen,
Lenke dann Bayern zu, wo es an Salze gebricht.

Der anonyme Fluß

Fastenspeisen dem Tisch des frommen Bischofs zu liefern,
Goß der Schöpfer mich aus durch das verhungerte Land.

Les fleuves indiscrets

Jetzt kein Wort mehr, ihr Flüsse! Man siehts, ihr wißt euch so wenig
Zu bescheiden, als einst Diderots Schätzchen getan.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Schiller, Friedrich. Die Flüsse. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-C798-A