Der Besonnene

Vor des Lebens Doppelwege
Tritt der Ernst zum Jüngling hin,
Zeigt dem Mut'gen enge Stege,
Oder Scherz berauscht den Sinn,
Daß nur Lust zur Lust ihn rege.
Glücklich aber, wer die beiden
Kühn besiegend schlau verbunden!
Kein Verhältnis darf er meiden,
Hat des Rätsels Sinn gefunden:
Ernste Freud' und Scherz mit Leiden.
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Milde lächeln, milde schonen,
Sah ich die Geliebte so;
Will sie scherzend Treue lohnen,
Wird das Herz mir schmerzlich froh,
Wähnt' in ihrem noch zu wohnen.
Keinen Scharfsinn darf ich neiden,
Seit mein Sinn sich ihr verband,
Und so innig als bescheiden
Sie des Leichtsinns Tiefen fand;
Ernst in Freud' und Scherz mit Leiden.

Notes
Erstdruck in: Poetisches Taschenbuch für das Jahr 1806 von Fr. Schlegel, Berlin (Joh. Fr. Unger) 1806.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Schlegel, Friedrich. Der Besonnene. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-D599-8