Dritte Romanze

Zahllos wie der Sand am Meere,
Wie im Meer die Tropfen sind,
Rief die fernsten Heidenvölker
Agolante zu sich hin.
Mohren, Perser, Sarazenen,
Von Arabien Texephin,
Afrikaner, Parther kamen
Und Algarbiens Fürst Ospin.
Urabell von Alexandren,
Ferne Äthiopen wild,
Altumajor von Corduba,
Von Sevilien Ibrahim.
Alpinorgos von Majorka,
Flammend in des Zornes Grimm,
[107]
Manuone, Mekkas König,
Auch der Berberfürst Facin.
Wie zum Meere all' das Wasser
Aus so fernen Landen fließt,
Kamen die zum Agolante,
Dachten froh auf Raub und Sieg.
So erstürmt er nun Agennen
Das im Baskenlande liegt,
Sandte Boten hin zu Karol,
Sinnend arge Tück' und List.
Goldbeladen reich an Schätzen,
Sechzig Ross' er ihm verhieß,
Wenn nur Karl mit wenig Mannen
Friedlich zu ihm kommen will;
Bietet Sicherheit und Frieden,
Als hätt' er ihn noch so lieb,
Bietet Gold und Edelsteine,
Wollt' er kommen nur zu ihm.
Aber Kaiser Karol merkte
Wohl des Heiden arge List,
Der ihn nur erspähen wollte,
Daß er dann ihn töten ließ.
Mit viertausend tapfern Mannen
Zog er auf Agennen hin,
Die am vierten Meilensteine
Er da heimlich von sich ließ.
Bis zum nah'gelegnen Berge
Er mit sechzigen noch ging,
Da verwechselt' er die Kleider,
Sandte fort sodann auch die.
Ohne Lanze, wie ein Bote,
Auf dem Rücken hing der Schild,
Nur von einem Knecht geleitet
Zu dem Stadttor sie einziehn. –
»Wir sind Kaiser Karles Boten
Die er Agolanten schickt.« –
Und so führt man sie alsbalde
Auf die Burg des Sultans hin. –
»Kaiser Karol kommt, o Sultan,
Wie befohlen ward von dir,
Kommt mit sechzig guten Rittern,
Friedlich er dir huld'gen will.«
Froh ward dessen Agolante,
[108]
Froh er zu den Boten spricht:
»Saget Karlen, daß ich komme,
Nur mit sechzigen auch ich.« –
Also sprach zu Kaiser Karlen
Agolante, kannt' ihn nicht.
Während der sich eilig waffnet,
Forschet Karl mit klugem Blick,
Stadt und Burg durchspäht er fleißig,
Merkt sich's wohl in seinem Sinn,
Ob er irgend ein Gebrechen
Wo an Tor und Mauern sieht.
Auch die Heidenfürsten alle,
Von Gestalt und Sitten wild,
Wandelnd durch der Feinde Straßen
Späht er alles wohl darin;
Und dann eilend kehrt er wieder,
Wo die sechzig hielten still,
Mit den sechzig zieht er weiter,
Wo er die viertausend ließ.
Agolante Kaiser Karlen
Schaden und Verrat ersinnt.
Siebentausend starke Reiter
Aus dem Tore mit ihm ziehn.
Kaiser Karol mit den Seinen
Sicher schon im Weiten ist,
Kehrt mit großem Heere wieder,
Und mit Sturm die Burg umringt.
So bedrängt er sie sechs Monden,
Hat nun bald die Burg besiegt.
Manches Felsenstück und Feuer
Er von Türmen in sie wirft,
Und berennt die Mauern mächtig,
Bis er brechend sie bezwingt.
Durch geheimer Schleuse Gang
Agolante schimpflich flieht,
Agolante mit den Fürsten
Fliehen schnöde, sind besiegt.
Mancher Haufen von den andern
In dem Fluß Garonne schwimmt;
Zehnmal tausend Heiden fallen
Unter Karles Schwerte hin.
So berichtet was er sah,
Uns der Erzbischof Turpin.

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TextGrid Repository (2012). Schlegel, Friedrich. Gedichte. Roland. Dritte Romanze. Dritte Romanze. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-D63E-0