Gesang der Ehre

Zu Ende 1812


Wenn auch alle Völker wanken,
Ruh' die Erde ganz verläßt,
Alle Rechte brechend schwanken,
Steht die Ehre dennoch fest;
Ewig, wie der Nordstern milde
Strahlet durch der Nacht Gefilde.
Heil dem Mann, der darnach handelt,
Diesen Stern im Auge hält,
Stern der Ehre, der nie wandelt,
Fiel' in Trümmern auch die Welt!
Aus dem Tode noch wird grünen
Hohe Siegeslust dem Kühnen.
Denn es siegt ja doch die Ehre
Bei dem edleren Geschlecht,
Wie das blinde Glück auch mehre
Siege sonder Ehr' und Recht.
Ewig glänzt der Tugend Adel,
Falscher Ruhm ist mehr nur Tadel.
Drum sei jener hochgepriesen,
Kaiser Er mit Recht genannt,
Der des Glückes mächt'gem Riesen
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Mutig leistet Widerstand,
An der Ehre Kraft noch glaubend,
Und die Zeit der Schmach entraubend.
Wohl vertraut den mächt'gen Ahnen
Er auf seinem Völkerthron,
An den Ruhm der Zukunft mahnen
Ihn, des Nordens hohen Sohn,
Zeichen, strahlend durch die Zeiten,
Neu die Welt uns zu bereiten.
Leuchtend ob dem Eisgefilde
Wogen Feuer durch die Nacht,
Sühnend wird im Flammenbilde
Hier das Opfer dargebracht;
Völker fluten im Gewimmel,
Kämpfend jauchzen sie zum Himmel.
Möchte neu ein Reich zu gründen
Auf der Ehre festem Grund,
Heldenherzen zu entzünden,
Wieder Eins im alten Bund,
Hoch als Sieger Ihm gelingen,
Alle bald den Retter singen.
Sind der Streiche, die uns trafen,
Ist der Schmach noch nicht genug,
Soll durch Gott uns härter strafen
Noch die Geißel, die uns schlug;
Dennoch zu den fernsten Zeiten
Wirst du schönen Glanz verbreiten;
Lichter Stern, der uns erschienen,
Stern der Ehr' in trüber Nacht,
Der den Treuen, die ihr dienen,
Hoffnung wieder angefacht;
Stern der Ehr' aus jenem Norden,
Durch den frei die Erd' einst worden!

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TextGrid Repository (2012). Schlegel, Friedrich. Gedichte. Lyrische Gedichte. Gesang der Ehre. Gesang der Ehre. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-D6B7-B