[126] Neunte Romanze

Nach Jakobus heil'gem Münster
Wallet Karl als frommer Pilger,
Tötet alle Renegaten
Und belohnt die treuen Christen.
Er versammelt heil'ge Männer,
Bischöf', Erzbischöf' und Priester
Nach dem sel'gen Compostella
In dem christlichen Galicien
Dort mit froher Pracht und Andacht
Einzuweihn die schöne Kirche,
In des Maien grüner Blüte
Zu begehn die frohen Pfingsten.
Manches Recht und milde Gabe
Schenkt er des Jakobus Sitze,
Daß, wie Ephesus in Asien,
Wo Johannes lehrte milde,
Wie die Pracht der hohen Roma,
Wo den Tod Sankt Peter litte,
Also auch das hohe Spanien
Compostellas Andacht zierte,
Aller apostol'schen Kirchen
Zweit' an Rang, an Zahl die dritte.
So auch zahlet stets vier Pfennig
Dorthin jeder Hausbesitzer
In ganz Spanien und Galicien;
Ledig sind sie alles Dienstes.
Es erfreun sich mit dem Kaiser
Nun des Mai'n die frommen Ritter,
Sitzen unter grünen Lauben
An den reichgedeckten Tischen,
Wo auf ihre Winke warten
Manche schön geschmückte Diener.
Da war oft ein gutes Tönen
Von Posaunen und von Cymbeln,
Und von alter Ritter Taten
Hörte man gar manche Lieder.
Karol war von Anblick herrlich,
Mächtig seine Brust und Glieder;
Wie des Löwen Augen, funkeln
Feurig seine hohen Blicke.
Wen er ansah, mußte oftmals
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Vor dem Blicke bloß erzittern.
Seine Länge maß acht Fuße,
Königlich war seine Stirne;
Ausgelernt war er im Kampfe,
Und an Kraft fast wie ein Riese.
Tugendsam war dieser Kaiser
Auch im Essen und im Trinken.
Wenig Brotes nur genoß er,
Nebst dem Viertel eines Widders,
Ein'ge Hühner, sonst Geflügel,
Hasen, Pfauen, so man briete;
In den Wein mischt' er sich Wasser,
Saß nur einmal Tags zu Tische.
Seine Stärke war so mächtig,
Daß er oftmals einen Ritter
Ganz geharnischt und gerüstet
Auf der flachen Hand gen Himmel
Hoch erhoben in die Lüfte.
Saß er auf dem Stuhl als Richter,
Ward ein Schwert ihm vorgetragen,
Nach der alten Kaiser Sitte.
Viermal trug er Jahrs die Krone
Und das Szepter, alles schlichtend,
An dem Weihnachtstag und Ostern,
Auf Jakobi und zu Pfingsten.
Hundert zwanzig fromme Edle
Wachten um sein Bette immer,
Wechselten zu dreien Wachen,
Standen also immer vierzig,
In der Rechten bloße Schwerter,
In der andern helle Lichter;
Zehn zum Haupte, zehn zu Füßen,
Zehn zur Rechten wie zur Linken.
Ja wer dieses guten Kaisers
Taten alle wollte wissen,
Würd' an Worten eh' es fehlen,
Wär' auch Meister wer im Dichten,
Um das alles zu entfalten,
Als es fehlte an Geschichten;
Wie er edel war und strenge,
Doch im Sprechen mild und glimpflich,
Allen spendet reiche Gaben,
Doch als Richter unerbittlich.
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Wie Galafrus einst der Heide
Den Verbannten schlug zum Ritter;
Wie er den Braymant getötet
Dann, den wildesten der Riesen,
Der sie grimmig will bekriegen
Dem Galafrus bloß zu Liebe;
Wie zum heil'gen Grab er wallte,
Manche Kirchen, Klöster stiftet,
Manches Land und viele Burgen
Dem Dreieinigen gewinnend;
Wie er heimgebracht das heil'ge
Holz vom wahren Kreuze Christi,
Ferner köstliche Reliquien,
Wohl verwahrt in Gold und Silber,
Nebst manch seltnem Abenteuer,
Wird von andern wohl berichtet.

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TextGrid Repository (2012). Schlegel, Friedrich. Gedichte. Roland. Neunte Romanze. Neunte Romanze. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-D6E4-7