I. Die Hölle.

§. 1. Bild der Hölle.

Zur Hölle geht ein schöner, üppiger, von Bäumen beschatteter Weg abwärts. Viele Stellen auf der Erde führen hin, besonders in Wäldern die mit dichtem Baumgestrüppe besetzten Felsenklüfte, welche davon auch Hölle heissen. Sie deckt ein grosser platter Stein.

Vor der Hölle ist eine grosse Wiese, Trad, früher ganz grün, jetzt von den glühend heissen Füssen der Verdammten, welche hier tanzen, rothgebrannt. Auf diese grüne Wiese kommen auch Juden und Jäger: ihnen ist der Himmel verschlossen.

So oft ein neuer Gast für die Hölle anlangt, istgrosser Tanz auf der Wiese; im Wirthshause, [25] welches am Wege vor der Wiese liegt, wird der Gast von den Teufeln empfangen und bewirthet: sie zechen mit ihm und trinken ihm das Draufgeld.

Auf dieser Wiese wird auch bey anderen Anlässen getanzt, so wenn ein Mädchen auf Erden ihre Unschuld verliert und ihr Kranz der Hölle zufliegt, oder wenn ein uneheliches Kind geboren wird, ferner so oft ein Bauerntanz auf Erden gehalten wird, weßhalb an solchen Tagen der Spruch geht: »Heute wird der Teufel Freude haben.«

An Feyertagen weiden die bösen Geister, welche noch zu erlösen wären, so sich Jemand ihrer erbarmte, in Gestalt schwarzer Wildschweine, Stiere und Pudel auf derselben Wiese, und der Höllenbube hütet ihrer: denn an heiligen Tagen haben sie vor den alten Teufeln Ruhe, weil diese ausgehen, Menschenseelen zu fangen.

Hinter der Wiese befindet sich die Hölle in drey Abtheilungen, eine nach der andern; zu jeder führt ein eigenes Thor. Vor den beyden ersten Thoren steht ein Teufel als Pförtner Wache, um den Ankommenden den Eingang zu öffnen. Zu dem dritten, grösseren Raume führt ein offenes, das dritte Thor, vor welchem der Höllenbube sitzt, der die Pflicht hat, die Hölle zu heizen. Nach drey Jahren ist seine Lehrzeit aus, er tritt in die Gemeinschaft der Teufel und ein neuer Kandidat aus den verdammten Seelen ersetzt ihn. Alle Laib Brode, welche der Mensch beym Anschneiden nicht mit dem Zeichen des heiligen Kreuzes bezeichnet, fallen ihm zu.

[26] Die Mauer, welche die eigentliche Hölle umgibt, hat nach den vier Weltgegenden vier schwarze Thore: wenn der Teufel durch das eine hinausgeht, die Menschen zu verführen, darf er nicht mehr durch dasselbe zurück, sondern muß ein anderes wählen.

Im ersten Raum sieht die verdammte Seele, welche ihren Weg zur Hölle macht, die Marterwerkzeuge herrichten, im zweyten bleibt sie stehen und schaut, wie ihre Genossen gepeiniget werden. Im dritten Raume aber, in den sie tritt, erleiden die Geister erst die wahre Höllenpein: da werden sie von den Teufeln in Oel gesotten und dann mit kaltem Wasser abgekühlt. Sie leiden Durst, fürchterlichen, während die hellstenWasserbäche neben ihnen fliessen. Nur damit sie nicht ganz verschmachten, werden sie zeitweise getränkt. Dieser Raum hat wieder verschiedene Abtheilungen je nach der Art seiner Bevölkerung. Diese ist zahlreicher als jene des Himmels.

Die Teufel selber erleiden keine Qual: ihre Freude ist die Qual der Verdammten, und diese wird nur getrübt durch den Aerger, welchen sie empfinden, wenn sie ein Ehepaar in Treue und Frieden, ein Mädchen in Unschuld dahinlebend gefunden haben. Während die Seelen gesotten werden, trinken sie selber Wein; sie führen überhaupt ein fröhliches Leben, und unterhalten sich mit Karten- und Kegelspiel.

Der Oberste der Teufel, der Alte oder der Meister, sitzt auf einem Throne; dreymal des Tages steht er aber auf und verneigt sich vor dem Weibe, seiner [27] Mutter, welche die meisten und größten Bosheiten ersinnt. Daher das Sprichwort: »Wo der Teufel nichts vermag, weiß ein altes Weib Rath.«

Vor dem nahen Ende der Welt kommen die bösen Geister aus der Hölle auf die Erde, und fangen zu rumoren an: sie wollten erlöst seyn und sind anfangs schüchtern und gefügsam; weil man sie aber nicht verstehen will oder mißversteht, werden sie ganz unbändig. Es ist auch schwer, sie zu erlösen: denn die Teufel suchen es zu hindern und mischen sich unter sie, damit die Menschen irre geführt werden und die armen Geister, welche zur Erlösung kommen, mit den Teufeln verwechseln. Diese Geister hausten als solche früher auf Erden und wurden erst in die Hölle gebannt, als sie es zu arg machten. Der Bann weicht erst vor dem Ende der Tage.

Aber selbst die Teufel und sogar ihr Meister wären noch zu erlösen, am Ende der Welt: ob es aber dazu kömmt, weiß man nicht.

Wenn diese Zeit kommt, sehen jungfräuliche Menschen jene bösen Geister, welche zu erlösen sind, in den Kirchen herumwandeln, und viele davon werden erlöst: selbst die Handschrift Jener, welche sich dem Teufel verschrieben, können dann reine Menschen, denen nichts zur Last liegt, die frey sind vom fremden Eigentume und selbst nicht eine Brosame sich unrecht zugeeignet haben, zurückfordern. Solche Menschen sterben aber unmittelbar nach Erlösung einer Seele. Neuenhammer.

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TextGrid Repository (2012). Schönwerth, Franz. Sagen. Aus der Oberpfalz. Dritter Theil. Dreyzehntes Buch. Hölle. Erster Abschnitt. 1. Die Hölle. 1. Bild der Hölle. 1. Bild der Hölle. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-E43E-0