I. Liebestrank.

An der Spitze dieser Mittel steht der Liebestrank; wer ihn trinkt, verfällt in Liebe zu dem, der ihn bietet. Hiezu dient jede Flüssigkeit, welche der Mensch genießt; Kaffee, Wasser, Wein, Bier, Suppe erhalten eine Zuthat, welche diese Wirkung zur Folge hat.

Der böse Mensch will Sündhaftes, und greift zur Sünde, um sündigen zu können; um das Böse zu erzielen, ergibt er sich dem Bösen mit Willen und Bewußtseyn, und übt einen Zwang aus an dem Nächsten, [125] welcher seinerseits selbst nicht rein sich erhalten konnte. Das Böse wirkt ansteckend durch Sünder auf Sünder, selbst durch den Hauch, die Ausdünstung, durch das Benützen eines Tuches, mit dem man sich den Schweiß abtrocknete, überhaupt dadurch, daß die Haut in längere nahe Berührung kommt mit fremder Leiblichkeit, und gleichsam den sündhaften Willen in sich aufsaugt.

Gewöhnlich ist es daher die eigene Persönlichkeit, die eigene Leiblichkeit, welche der gottlose Mensch auf den Nächsten überträgt, indem er in die Getränke Theile seines Körpers, wie Abgeschabtes seiner Nägel, Pulver, gebrannt aus seinen Haaren, seinen Schweiß, sein Blut mischt, ungesehen, unberedet, in des Bösen Namen Zauberformeln sprechend.

Auch die äußere Natur wird zu solchem Zauber mißbraucht. Mit den Pfötchen eines Laubfrosches, der am Lukastage gefangen worden, den sogenannten Luxkrallern, die Haut eines Frauenbildes blutig reissen, bewältiget dieses zur Liebe, zur Raserey. Bärnau. Amberg. Schaferei.

Das Herz einer Fledermaus, vor Georgi gefangen, das Innere des Kibitznestes, die Zunge der Turteltaube, die Schweiffeder desHahns, die Drüsen des Kibitzweibchens haben unter gewissen Vorbereitungen, die ich natürlich verschweige, dämonische Kraft.

Harmloser ist der Gebrauch, vierblätterigen Klee unter die Sohlen zu legen, um zu einem Fra Diavolo zu werden; auch die heiligsten kirchlichen Handlungen [126] werden mißbraucht, um Klee zu weihen, damit er die Kraft gewinne, eine Person in Liebe zu zwingen.

Selbst auf Thiere wendet man solche Mittel an, wie auf Hunde, und es ist nicht bloß der Geruch, der ihnen zur bessern Fährte von des Menschen Schweiß bleibt, sondern erhöhte Anhänglichkeit, was man will. Ein unbändiges Pferd wird schnell zahm, so wie der Mensch ihm scharf in die Augen sieht und seinen Athem in die Nüstern haucht. Neuenhammer.

Zu den ekelhaftesten Dingen verirrt sich der losgebundene Geist des Menschen, wenn er seine Absicht durchführen will; er verschmäht es nicht, auch leibliche Abgänge, besonders Muskatnuß, zu solchem Zwecke zu verwenden.

So wie man Liebe gewinnt, indem man Theile des eigenen Ich dem andern Menschen an oder in den Leib bringt, eben so will man auch der entzündeten Liebe wieder los werden. Man verschafft sich zu diesem Zwecke umgekehrt etwas von des Andern Leibe, und macht es im Lichte der Sonne oder in der Nacht des Rauches vertrocknen und vergehen; damit schwindet die Liebe, nicht selten auch der Leib. Was Liebe hervorbringt, kann sie unter andern Verhältnissen auch aufhören machen. Hieran reiht sich noch die Bosheit, welche verschmähte Liebe oder gebrochene Treue aus Rache ersinnt und vollzieht. Ein solches rachsüchtiges Wesen zündet um Mitternacht eine Kerze an, und steckt nach vorgängigen Beschwörungen eine Anzahl Nadeln mit den Worten in dieselbe: »Ich stech das Licht, ich stech das Licht, ich [127] stech das Herz, das ich liebe.« Wird der Geliebte nun später untreu, ist es sein Tod. Amberg.

Besonders ist es das Brautpaar, welches in seiner gegenseitigen Liebe durch Zauber angegriffen wird. Hierher gehört:

1.

Wenn man einen Hufnagel unverdanks gefunden und an drey Charfreytagen mit sich getragen hat, so kann man damit die Ehe zweyer Brautleute stören, selbst trennen, indem man beyder Hände beym Handschlage damit drückt.

Wird nur der eine Theil in dieser Weise begrüßt, so verliert er die Liebe zum andern Theile. Fronau.

2.

Böse Leute drücken, während der Priester die Brautleute zusammen gibt, vielmehr ihnen die Stola über die Hände legt, ein Vorhängschloß zusammen und werfen es ins Wasser, so wird die Ehe eine unglückliche. War aber das Schloß nur ins Wasser gehängt, so kann man noch helfen. Ebendaselbst.

3.

Wenn man der Braut, während sie zur Kirchthüre hineingeht, ein Paar aus dem Kopfe reißt und dieses um einen Palmzweig wickelt und damit verbrennt, wird sie wahnsinnig.

4.

Wenn man am Hochzeittage einen Schuh der Braut erwischt, und Asche von einem alten im Frühjahre geschossenen Hasen hineinstreut, bekommt sie wunde Füße.

5.

Wer in den Absatz eines Brautschuhes ungesehen einen undanks gefundenen alten und im Feuer gelegenen Nagel einschlägt, daß er etwas vorsteht, macht die Braut lahm, so wie ihre Ferse davon wund wird.

[128] 6.

Zu Eggweil hatte einer wegen seines schelchen Fußes einen Korb bekommen; er rächte sich auf diese Weise an dem Mädchen, da es eben Hochzeit hielt.

7.

Von einem am ersten Juny gefangenen Hirschkäfer die Hörner zu Asche gebrannt und diese in die erste Suppe oder den ersten Kaffee, welchen des Mädchen als Braut trinkt, gethan, macht ihre Liebe erkalten und dem künftigen Gatten Hörner.

8.

Zerpulvert man ferner die Asche einer gefundenen, schon ausgefressenen und weißen Krebsschale, und bringt dieses Pulver den Brautleuten unter das Essen, so geht die Wirthschaft den Krebsgang.

9.

Wird ferner später Eines der beiden Leute von einerFliege, die auf einem solchen Krebse saß, gestochen, so entsteht aus dem Stiche ein unheilbarer Schaden.

10.

Die Wunde, die man den Brautleuten mit einer solchen Schere reißt, heilt nicht wieder.

11.

Bringt man ungesehen der Braut beim Mahle einen zerbrochenen oder durchlöcherten Häller oder Pfenning unter den Teller, und nimmt ihn später wieder weg, so macht man die Braut zur Verschwenderin.

12.

Wäre es ein Silberstück und schenkt man es ihr, so macht man sie zur guten reichen Hausfrau.

13.

Mit dem Brautbett wird viel arger Zauber getrieben, um den Leuten die Liebe zu benehmen; werden solche Gegenstände daraus entfernt, kommt die Liebe wieder.

Von Sagen soll Folgendes hier angereiht werden:

[129] 1.

Ein Weib hatte genug an ihrem Manne und wollte ihn langsam von sich thun. So kochte sie ihm alle Tage Rayacker oder Drüll, und der Mann zehrte davon ab. Er sagte daher einmal, weil er des Weibes Absicht durchschaute:


O Weib,

Semmel und Milch

Tödtet mich;

Aber Rayacker,

Macht mich wacker.


Da gab ihm das Weib täglich Semmel und Milch, vermeynend, daß er eher abbern sollte; im Gegentheile aber erstarkte der Mann.

Nun war ihm das Weib zuwider geworden, und er gedachte sie von sich zu schaffen. Deshalb sagte er eines Tages zu ihr: Weib, ich will nicht mehr leben, schwach und blind wie ich bin, ist mir das Leben zur Qual; führe mich hinaus, ich will mich ertränken.

Das Weib führte ihn hinaus an des Teiches Rand. Der Mann aber bat sie, einen rechten Anlauf zu nehmen und ihn in das Wasser zu rennen.

Das Weib that so, der Mann wich aus und das Weib stürzte vollen Laufes in das Wasser. Umsonst bat sie den Mann ihr zu helfen, er sah ja nicht. Getröstet ging er nach Hause und lebte froh, daß er sein böses Weib los hatte. Velburg.

2.

Zu Kriegszeiten zogen Soldaten durch eine Flur. Dirnen steckten Krautpflanzen. Da zog einer der vorbeymarschirenden Soldaten die Pflanze, welche so eben ein [130] hübsches Mädchen gesteckt hatte, wieder heraus, legte sie neben hin auf einen Stein, und sagte: »So wahr diese Pflanze hier gedeiht, so wahr wirst du mein.« Und wirklich wuchs die Pflanze auf dem Steine und ward schöner als alle übrigen; auch kehrte der Soldat zurück und das Mädchen ward sein Weib. Zu Waldmünchen geschehen.

3.

Ein Mädchen hatte sich mit ihrem Geliebten zu ewiger Treue verschworen; er fiel im Kriege, und sie begann ein neues Verhältniß. Da kam der Geliebte Nachts auf einem weißen Schimmel zu ihr und entführte sie auf sein Grab, wo sie am Morgen entseelt gefunden wurde. Neumarkt.


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TextGrid Repository (2012). Schönwerth, Franz. 1. Liebestrank. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-E570-1