§. 11. Die Drud.

I. Wesen der Drud.

Die Druden sind Menschen, bey deren Taufe ein Fehler vor sich gegangen ist; die Folge dieses Fehlers ist, daß sie Nachts lebende Wesen drucken müssen, auch wider ihren Willen; ausser dem Drucken thun sie nichts Uebles. Der Glaube an das Daseyn der Druden ist so allgemein in der Oberpfalz, daß es keinen Ort gibt, in welchem nicht ein Weib in dem Rufe stand, eine Drud zu seyn. Um Roding gelten alte dürre Weiber mit zerrütteten Haaren für Druden; hier hat sich aber der Begriff von Hexe und Drud vermischt.

Wenn sie drucken, sind sie wie Geister, denn sie legen ehevor ihren Leib ab.

Sie kommen daher beym Schlüsselloch oder beym Fenster herein; letztere haben nämlich auf dem Lande ein kleines Zugloch, um den Dampf vom Kochen in der Stube abzuleiten; wenn es zu kalt ist, verstopft man sie.

So wie sie überall hin können, vermögen sie auch die verschiedensten Gestalten anzunehmen; sie machen sich [208] z.B. zu Strohhalm, Muffen, Federkiel, Besenreiser, Kehrwisch, Flederwisch, Erbsen u.s.w.

Eine Drud wird an ihren patschigen, breiten, plumpen Händen, die nicht gleich denen anderer Menschen sind, erkannt, auch daran, daß das Kindl im Auge herunterschaut. Weiber, deren Augenbraunen über der Nase zusammenstoßen, gelten gleichfalls als Druden. Die Drud, die zur Kindbetterin kommt, entdeckt sich selbst, weil sie derselben keinen Weihbrunnen geben kann.

Druden thun alle ihre Geschäfte bey Nacht, weil sie auch im Finstern sehen.

Aber nicht bloß Weiber, auch Männer drucken; diese heißen Druderer, und sind zugleich Breitensteiger; sie können auf jeder Höhe, auf den Dächern, ja selbst an der Wand kletternd hinauf, fallen aber tod zusammen, so sie angesprochen werden.

Eine Drud hört Alles, was man von ihr spricht, ausser man endet mit dem Ausruf: »Drud, Saudreck vor die Ohren!«

Wenn sie Nichts vom Menschen, den sie drucken will, vorerst sich zu verschaffen gewußt, kann sie ihm nicht an; dagegen hat sie Macht über jene, welche Geld mit ins Bett nehmen, (Tiefenbach) und kommt in jene Häuser, wo die Leute beym Bettgehen die Kien-oder Schleissen-Leuchte brennen lassen. Bärnau.

Nachdem der Mensch nicht aus eigener Schuld, sondern durch Versehen oder Bosheit Dritter in den traurigen Stand der Drud versetzt wird, so ist ihm auch die Möglichkeit eröffnet, von diesem Bann er löst zu werden.

[209] Man darf nämlich keiner Drud vorhalten, daß sie eine Drud sey; so wie man zu ihr sagt, »du bist eine Drud!« nimmt sie Einen bey der Hand und spricht: »So, jetzt bin ich erlöst; druck nun du so lange, als ich gedruckt habe!« Man darf sie nicht beschreyen.

Außerdem findet sie Erlösung, wenn sie etwas Lebendes wie ein Thier, mit des Herrn Einwilligung, erdrücken darf; gewöhnlich wird hiezu beym Thiere schwarze Farbe erfordert. An manchen Orten ist aber der Glaube, daß sie etwas über ihre Kraft erdrücken müsse, um frey zu werden, wie ein Pferd, daß kleinere Thiere, wie Hühner, hiezu nicht genügen.

Eine eigenthümliche Anschauung über das Wesen der Druden ward mir aus Falkenstein; darnach sind sie unvollkommene Menschen. Als nämlich der liebe Herrgott die Menschen geschaffen hatte, am sechsten Tage, kam der Sabbath so schnell herein, daß er mit jenen Menschen, an deren Zubereitung er eben war, nicht ganz fertig werden konnte; diese unvollkommenen Geschöpfe sind nun die Druden.

Mehr germanisch ist die sonstige Ansicht von derMißstaltung der Hände und Füße der Druden; das Fliegen, die breiten Hände, das Verwandeln gibt ihnen Aehnlichkeit mit den Schwanjungfrauen. Die Feder, welche man der Drud ausrupft, weist unzweifelhaft auf die Vogelgestalt, den Schwan; wer der Schwanjungfrau das Federhemd entzieht, bringt sie in seine Gewalt, so auch die Drud, wer von ihr eine Feder reißt.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Schönwerth, Franz. Sagen. Aus der Oberpfalz. Erster Theil. Drittes Buch. Die Mutter und ihr Kind. 11. Die Drud. 1. Wesen der Drud. 1. Wesen der Drud. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-E63D-F