5.

Ein Fischer diente dem Grafen und war wohl gelitten, denn er brachte immer reiche Beute an köstlichen [219] Fischen. Auf einmal aber vermochte seine Kunst nichts mehr, er fiel in Ungnade und ward entlassen. So lebte er einige Zeit von seinem Ersparten, bis er nichts mehr hatte: da ging er hinaus auf das Wasser, um zu fischen, fing aber wieder nichts und weinte bitterlich im Nachen. Plötzlich legte sich das Wasserfräulein heraus an den Wasserspiegel, und frug ihn um sein Leid, und sagte ihm ihre Hilfe zu, wenn er ihr das verspräche, was er zu Hause nicht wisse: denn sie sey es, welche ihm die Fische erst zugetrieben, dann verjagt habe. Er gab das Versprechen, und that einen reichen Fischzug und trug ihn heim. Als er aber dem Weibe sagte, um welchen Preis er glücklich sey, kam die Reihe zum Weinen an sie: denn sie trug ein Kind unter dem Herzen, wovon er nichts wußte. Doch trösteten sie sich mit dem Gedanken, daß sie das Kind Gott weihen wollten, und der Fischer fischte und fing wie früher die besten Fische, und brachte sie dem Grafen, der ihn wieder in Gnaden aufnahm.

Zur bestimmten Zeit ward ihm denn ein Sohn geboren, der gut gedieh an Leib und Geist, und für den geistlichen Stand bestimmt wurde. Doch als er fertig war, konnte er nicht Primiz halten: er gehörte ja der Wasserfrau. So gab er das Studium auf und wurde ein Bühner und ging in die Fremde. Auf dem Wege aber kam er zu mehreren Thieren, welche über einem Pferdeaas waren, und nicht wußten, wie sie es vertheilen sollten: es war der Bär, der Fuchs, der Falke und die Ameise. Diese baten ihn, die Theilung zu übernehmen, [220] und so theilte dieser und warf dem Bären die vier Viertel zu, damit könne er zufrieden seyn, und dem Fuchsen das Rückgrad, und dem Falken das Ingeräusche und der Ameise den Kopf. Dann ging er seines Weges. Der Bär aber meynte, es wäre doch zu unbillig, wenn man den Mann so gar ohne Dank gehen liesse, und befahl dem Fuchs, ihn zurückzurufen; und er kam und die Thiere gaben ihm die Gewalt, sich nach Wunsch in jede ihrer Gestalten zu verwandeln. Da lachte der Geselle und ging von dannen. Unter Weges bemerkte er in einem Kornacker eine Menge Rebhühner: um sein Geschenk zu prüfen, wollte er zum Fuchs werden, und sogleich war er Fuchs und fing sich soviel der Rebhühner, bis es ihm genug schien. Die nahm er in die nächste Stadt und ließ sich selbe in der Herberge zurichten zu einem Mahle. Während dessen traten vier Herren ein und setzten sich an den Tisch, und fingen zu karten an, wohl sehr rauch, denn es ging in Kronenthaler. Der Geselle lag auf dem Stroh hinter dem Ofen, und sah, wie Einer der Spieler schon einen grossen Haufen Geldes gewonnen vor sich hatte: da machte er sich zur Ameise und kroch als solche unter den Spieltisch und hier wandelte er sich in einen Bären und richtete sich auf und warf den Tisch um mitsammt den Kronenthalern, und erschreckte die Herren, daß diese eiligst davon liefen. Nun suchte er die blanken Stücke zusammen und legte sich wieder auf das Stroh und schlief und zahlte am Morgen seine Zeche und ging weiter.

[221] Darauf gerieth er in eine grosse Stadt: da war Alles schwarz behangen und vom Thurme wehte eine schwarze Fahne mit einem Todenkopfe. Er geht also in die Herberge und frägt den Wirth um die Ursache und erfährt, daß der König drey mannbare Töchter habe, alle gleich schön, und einander so ähnlich, daß man sie nicht auseinander kenne. Der König habe aber geschworen, daß nur die Mittere das Reich erben solle: wer sie mit dem Reiche gewinnen wolle, müsse sie errathen: das aber mißlinge jedem, und wer die Probe nicht besteht, verfalle dem Schwerte; so seyen schon Viele umgekommen, und darum sey Trauer im Lande.

Da ging er hin zur Königsburg und sah in dem Garten, den ein tiefer Graben umgab, die Königstöchter lustwandeln, und er machte sich zum jungen edlen Falken und flog hinüber von Staude zu Staude und lockte die Mädchen, und ließ sich zuletzt von der einen fangen; er blieb ihr auf der Hand sitzen, wie früher auf der Staude und ward von ihr in ihr Gemach getragen und auf eine goldene Stange gesetzt. Während sie nun schlief, nahm er seine Gestalt wieder an, jedoch in schönen, reichen Gewändern, und faßte die Prinzessin bey der Hand, daß sie erwachte, und erklärte ihr, wie er der Vogel sey und sie liebe. Anfangs zu Tode erschrocken über den fremden Mann und seine Worte, fand sie doch bald Gefallen an ihm und bekannte sich als die Mittere der Prinzessinnen. Sie gab ihm auch den Ring vom Finger, und als Zeichen, woran sie zu erkennen, nannte sie einen rothen Seidenfaden, den sie um den mittleren [222] Finger der rechten Hand tragen werde, wenn er zur Wahl komme.

Nun machte sie das Fenster auf und der Falke entflog, und der Fremdling kam am Morgen, um die mittlere Königstochter zu werben, vor den König, der ihn mit dem ganzen Hofgesinde ob seiner Schönheit bedauert und bewegen will, abzustehen von dem gefährlichen Vorhaben. Er aber beharrt und wird aufgerufen, in den Saal zu treten, wo die drey Töchter sich befanden, und hinter ihn stellte sich der Scharfrichter mit blankem Schwerte. Da ward ihm bange und ängstig und gerne willfahrte man seiner Bitte, das Fenster zu öffnen. So trat er vor die gleichen Schwestern: die eine trat mit dem Fuß vor, und trug am Finger den rothen Faden; sie bezeichnete er als die mittlere und hatte die rechte getroffen. Grosse Freude herrschte nun am Hofe und in der Stadt: denn schon lange hatte der König Reue über seinen Schwur und das viele Blut, welches floß, und gerne gab er die Tochter dem glücklichen Freyer.

Mehrere Jahre hatten sie glücklich gelebt, da zog er hinaus zur Jagd. Wohl rieth ihm die besorgte Gemahlin ab, denn sie hatte üble Ahnung: aber er achtete es nicht; der Tag war heiß, er hatte lange einen Hirsch verfolgt, und ihn dürstete; nicht mehr gedachte er der Worte seiner Mutter, welche ihn so oft gebeten hatte, sich vor dem Wasser zu hüten. Er eilte dem Gefolge voraus, und fand eine Quelle, und bückte sich eben, um mit der Hand daraus zu trinken, als ihn die Wasserfrau [223] erfaßt und hinabzieht. Dem Volke aber, welches eben dazu kam, rief sie zu, sie habe ihn theuer erkauft.

Die traurige Märe ward der Königstochter gebracht; diese hatte nicht Rast nicht Ruhe, sondern eilte, zum Brunnen und zu ihrem Herrn und Gemahl zu kommen, und setzte sich hin an's Ufer und weinte. Da tauchte die Wasserfrau auf und tröstete sie damit, daß er es gut habe bey ihr. Die Königin aber war schon zufrieden, wenn sie ihren Gemahl nur zu sehen bekäme, und bot der Wasserfrau den goldenen Kamm vom Haupte. Da hob ihn die Wasserfrau bis unter die Augen empor. Zum zweyten bot sie ihren Ring, und er stieg bis an die Hüften aus dem Wasser; zum dritten bot sie den goldenen Pantoffel vom Fusse, und die Wasserfrau stellte den Gemahl auf die Hand – und siehe, er entschwand als Falke und stand neben der Gattin. Da fährt die Wasserfrau in den Brunnen hinunter, daß es zischt und gischt, und wieder herauf, und wirft der Königin eine Hand voll blauen Sandes in das Angesicht, daß diese zum Drachen ward.

Nun war wieder grosse Noth. Der König bietet die Hälfte seines Reiches dem, der Hilfe brächte. Ein alter Zauberer ließ sich endlich melden und versprach zu helfen, wenn die hohe Frau es aushielte. Er läßt drey Oefen bauen und heizen, daß einer mehr glühte als der andere. Dann steckte er den Drachen hinein, und zog ihn heraus, als die Haut weich war, und kühlte ihn im Wasser; im zweyten Ofen barst die Haut, aber als er den Drachen in den dritten Ofen steckte, mußte der [224] unglückliche Gatte sich verbergen, um das Klagen und Winseln der Leidenden nicht zu vernehmen. Endlich steht die Königstochter nackt vor dem Gatten, der ihr seinen Mantel umwirft und sie im Triumphe heimführt. Von nun an lebten sie froh und ohne weiteres Hinderniß; die Wasserfrau hatte keinen Theil mehr an ihm. Dümpfel.


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TextGrid Repository (2012). Schönwerth, Franz. 5. [Ein Fischer diente dem Grafen und war wohl gelitten, denn er brachte]. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-E7BA-B